Bernd Aldor (Bernd Aldor-Calmanovici*)), am 23. März 1881 im damals zum
Osmanisches Reich1) gehörenden
Konstantinopel1) (heute Istanbul1), Türkei) geboren, galt viele Jahre als der Beau der deutschen
Stummfilm-Szene.
Trotz seiner mehr als 40 Produktionen bzw. überwiegend tragenden Rollen ist der
Schauspieler weitgehend in Vergessenheit geraten.
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Kurz vor der Jahrhundertwende (1900) ließ sich Aldor in Wien in der Meisterklasse von
Karl Arnau1) (1843 1910) zum Schauspieler
ausbilden, zu seinen weiteren Lehrern gehörte Konrad Loewe1)
(1856 1912). Er begann seine Bühnenlaufbahn zunächst als Statist am "Hofburgtheater", dem späteren
"Burgtheater"1). Im Jahre 1900 erhielt er ein erstes festes Engagement
im südmährischen Znaim1) (heute: Znojmo, Tschechien), weitere
Verpflichtungen
führten den aufstrebenden Schauspieler nach Tschernowitz1) (heute: Czernowitz, Ukraine),
Trier1),
Bremen1),
Königsberg1),
Leipzig1)
und Dresden1). Über Hamburg kam Aldor 1906
nach Berlin und trat ein Engagement am "Schillertheater"1) an.
Während einer Aufführung des Stücks "Der lebende Leichnam"
von Leo Tolstoi1) am "Schauspielhaus Leipzig"1) wurde Aldor
von dem Filmpionier Charles Decroix1)
für die noch junge Kinematographie1) entdeckt, der ihn
in seinem Streifen "Das Ave Maria" (1913) sowie in dem Drama "Die Czernowska"1) (1913)
jeweils als Partner von
Käte Wittenberg1)
besetzte.
1916 begann eine intensive Zusammenarbeit mit Regisseur Richard Oswald1) (1880 1963), nach Hauptrollen in
den Produktionen "Zirkusblut"1) (1916)
und "Seine letzte Maske"1) (1916)
erregte Aldor rasch Aufmerksamkeit in weiteren, von Oswald in Szene gesetzten
Filmen.
Foto: Bernd Aldor vor 1929
Urheber: Alexander Binder1) (1888 1929)
Quelle: Wikipedia;
Photochemie-Karte 1419 (Ausschnitt);
Angaben zur Lizenz (gemeinfrei)
siehe hier
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Nach Motiven einer Erzählung von August Strindberg1) entstand das Drama "Des
Goldes Fluch" (1917) mit Aldor als geldgierigem, zum Schluss
vom Wahnsinn gezeichneten Notargehilfe Peter Oblinsky, in
den ersten beiden Teilen des Sitten- bzw.
Aufklärungsfilm "Es werde Licht!"1) (1917)
überzeugte Aldor Publikum und Kritiker als Dr. Mauthner, Leiter einer Anstalt
für an Syphilis erkrankte Kinder. Mit der vierteiligen Reihe "Es werde Licht!"
wagt Oswald eine Themenspekulation. Der Film
entsteht mit Unterstützung der
"Deutschen Gesellschaft zur Bekämpfung der Geschlechtskrankheiten"1)
und ist der erste sogenannte
"Aufklärungsfilm", ein gesellschaftliches Tabu brechend in der Beschäftigung mit den als
"Volkskrankheit" verbreiteten Geschlechtskrankheiten. Der Film, von Oswald als
"Sozialhygienisches Werk" annonciert, wird ebenso gelobt wie abgelehnt.2)
Viel Lob erhielt Aldor auch für seine Darstellung des Titelhelden in der Adaption "Das Bildnis des Dorian Gray"1) (1917)
nach dem gleichnamigen
Roman1) von Oscar Wilde1).
"Der Kinematograph"1) urteilte, dass
Aldor "der beste Vertreter (sei), den man sich für Dorian Gray denken
kann. Er drängt alle Leistungen zurück, von denen noch die der Herren Pittschau
(als Herzog Henry Wotton) und Ludwig1)
(als Maler Basil Hallward) als besonders beachtenswert
zu erwähnen sind." Und "Die
Lichtbild-Bühne"1) stellte unter anderem fest, dass Aldor im Film
"eine hervorragende Leistung geschaffen hat." In dem nach einem Roman von
Octave Feuillet1)
gedrehten Melodram "Der Schlossherr von Hohenstein"1) (1917)
ließ Aldor als junger Graf Theodor von Westfried Herz von Margarete (Rita Clermont) höher schlagen,
in "Die seltsame Geschichte des Baron Torelli" (1918) mimte er den Protagonisten
Baron Torelli und in der Tolstoi-Verfilmung "Der lebende Leichnam"1) (1918) den jungen Fedja,
der durch das zaristische Ehegesetz in den Selbstmord getrieben wird.
Doch auch mit Filmen anderer Regisseure, so 1918/19 wiederholt von Lupu Pick
(1886 – 1931), feierte Bernd Aldor als Hauptdarsteller
Erfolge. Er zeigte sich unter anderem in dessen futuristischem Streifen "Der Weltspiegel"1)(1918) als der Erfinder
Rongstal und in der
dramatischen Liebesgeschichte "Die
Liebe des van Royk"1) (1918) als
der Niederländer Artur van Royk, der auf ein denkwürdiges Ereignis
zurückblickt.
Foto: Bernd Aldor vor 1929
Urheber: Alexander Binder1) (1888 1929)
Quelle: cyranos.ch;
Angaben zur Lizenz (gemeinfrei)
siehe hier
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Joseph Delmont1)
besetzte ihn neben Fern Andra
in der Rolle der französischen Salonnière Juliette Récamier, genannt "Madame Récamier"1), in dem
zu Beginn des napoleonischen Zeitalters angesiedelten Kostümstreifen "Madame Récamier"1) (1920) mit dem
Untertitel "Des großen Talma letzte Liebe" als den
Schauspieler François-Joseph Talma1).
Mit "Graf Cohn"1) (1923)
und Aldor in der Titelrolle entstand unter der Regie von Carl Boese1) die Verfilmung des
gleichnamigen Romans von Paul Langenscheidt1), für die Aldor
gemeinsam mit unter anderem Johannes Riemann,
Hermann Vallentin
und Xenia Desni vor der Kamera stand.
Eine weitere Hauptrolle, die des eleganten, leichtlebigen, mit Jutta (Claire Rommer) verlobten Fabrikbesitzers Dumont, spielte er
beispielsweise in dem Drama "Aschermittwoch"1) (1925) an der Seite
von Sybill Morel
und Carl Beckersachs, zu einer erneuten Zusammenarbeit mit
Richard Oswald kam es mit dem Melodram "Halbseide"1) (1925),
wo er den Gelehrten Dr. Gonzales mimte, der eine junge Frau mit schlechtem
Ruf (Mary Parker) heiratet,
ihren Charakter durchschaut und sich eine andere Frau sucht.
Bernd Aldor, der Typ des Liebhabers in den
Stummfilmen jener Ära
Quelle: virtual-history.com
aus "Vom Werden deutscher Filmkunst/
1. Teil: Der stumme Film" von Dr. Oskar
Kalbus1) (Berlin 1935, S. 27);
Unbekannter Fotograf; Angaben zur Lizenz (gemeinfrei)
siehe hier
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Danach begann der Stern Aldors zu sinken, in seinen weiteren Stummfilmen
musste er sich mit Nebenrollen zufrieden geben, so auch als Graf de Launay
in Gerhard Lamprechts1) opulentem Historien-Zweiteiler "Der alte Fritz"1) (1928)
mit Otto Gebühr als
Preußenkönig Friedrich II.1)
→ Übersicht Stummfilme.
Mit Beginn des Tonfilms erhielt Bernd Aldor zwar noch
kleinere Aufgaben wie als Agent Dubois in Richard Oswalds Drama "Dreyfus"1) (1930)
um den historischen Justizskandal bzw. die Dreyfus-Affäre1)
mit Fritz Kortner
als Hauptmann Alfred Dreyfus1) oder als Schweizer Arzt in
dem Biopic "Elisabeth
von Österreich" (1931), doch seine große Zeit als
Schauspieler war vorbei und Aldor geriet in Vergessenheit. Mit seiner
nachweislich letzten Arbeit für den Film lieferte Aldor zugleich seine
einzige Regiearbeit ab, der rumänische Schauspieler Constantin Tănase
(1880 1945) hatte ihn für seinen von ihm produzierten Film "Visul lui Tănase" (1932, etwa "Tănases Traum")
mit sich selbst in der
Hauptrolle verpflichtet → Übersicht Tonfilme.
Obwohl für den Film längst nicht mehr aktiv, wurde Aldor im Juli 1938 wegen seiner "vermutlich nicht arischen" Herkunft"
von den Nazis aus der
"Reichsfilmkammer"1) ausgeschlossen; danach verliert sich die Spur
des Schauspielers, der wahrscheinlich (laut Kay Weniger*)) Deutschland verließ
und in das europäische Ausland emigrierte. Mit seiner Ehefrau Hilde hielt
er sich wohl bis 1945 (an bislang unbekanntem Orte) versteckt.*)
Seine letzten Lebensjahre verbrachte der einstige Leinwandstar Bernd Aldor
mit seiner Ehefrau in Österreich, seit Anfang März 1950 lebte das
Paar nachweislich in Wien. Der inzwischen schwerkranke Aldor soll sich
als "jewish displaced person" mit Hilfe eines jüdischen
Flüchtlingskomitees um eine Auswanderung bemüht haben, wozu es wegen
seines Todes nicht mehr kam.*). Bernd Aldor-Calmanovici
starb am 20. Oktober 1950 im Alter von 69 Jahren in Wien1).
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Quelle (unter anderem): Wikipedia*)
sowie cyranos.ch Fotos
bei virtual-history.com
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*) Laut Kay
Weniger: "Es wird im Leben dir mehr genommen als gegeben…".
Lexikon der aus Deutschland und Österreich emigrierten
Filmschaffenden 1933 bis 1945. Eine Gesamtübersicht, Hamburg,
ACABUS Verlag 2011, S. 68/69
Fremde Linka: 1) Wikipedia
Quelle: 2) www.cinegraph.de
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