Lilian Harvey wurde am 19. Januar 1906 (nach anderen Quellen 1907) als Lilian Helen Muriel Pape
als Tochter der Engländerin Ethel Pape (geb. Laughton) im Londoner
District Hornsey geboren. "Die Vaterschaft blieb lange ungeklärt. Der aus Magdeburg stammende Kaufmann und Ehemann der
Mutter, Walter Bruno Pape, kommt wegen eines mehrjährigen Auslandsaufenthaltes als
Vater nicht in Betracht." vermerkt der tabellarische Lebenslauf
des "LeMO-Projekts"
beim "Deutschen Historisches Museum".
Lilian Pape besuchte in London eine Schule, erhielt schon früh
Ballettunterricht und wuchs dort mit ihren älteren Geschwistern Marjorie und Walter Pape,
der später als Standfotograf und Kameramann beim deutschen Film arbeitete, auf. Als 1914
der 1, Weltkrieg ausbrach, befand sich die Familie Pape zu Besuch in Magdeburg und
konnte nicht nach Großbritannien zurückkehren, die kleine Lilian wurde zu
einer Tante in die Schweiz nach Solothurn1) geschickt, die übrige Familie
ließ sich in Berlin nieder.
Nach dem Krieg kehrte Lilan Pape zu ihrer Familie zurück und machte
im Frühjahr 1923 an der Berliner "Königin-Luisen-Schule"1) ihr
Abitur. Anschließend absolvierte sie die Ballettschule der "Deutschen
Staatsoper"1),
reiste mit einer Tanztruppe durch Ungarn, die Tschechoslowakei und Österreich;
während dieser Zeit nahm sie den Mädchennamen ihrer Großmutter an und
nannte sich fortan "Lilian Harvey".
Im Frühjahr 1924 erhielt sie dann ein Engagement in Wien am "Ronacher Theater"1)
in der Revue "Wien, gib' acht!" und konnte als Tänzerin einen
großen Erfolg verbuchen.
Foto: Lilian Harvey als Mascotte
in "Adieu,
Mascotte"1) (1929)
Foto mit freundlicher Genehmigung der Friedrich-Wilhelm-Murnau-Stiftung
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Nach den Filmen "Ihr dunkler Punkt"1) (1928) –
erneut mit Willy Fritsch – "Adieu, Mascotte"1) (1929)
mit dem Untertitel "Das Modell vom Montparnasse" und "Wenn Du
einmal Dein Herz verschenkst"1) (1929) startete Lilian Harvey mit
Wilhelm Thieles1) romantisch-musikalischen Komödie "Liebeswalzer"1) (1930)
ihre Tonfilmkarriere. Sie verdrehte als Prinzessin Eva von Lauenburg ihrem
Partner Willy Fritsch den Kopf, das attraktive Paar spielte sich in die
Herzen des Publikums und galt rasch als "Traumpaar des deutschen
Films". Das in diesem Film von Fritsch gesungene Lied "Du bist das
süßeste Mädel der Welt" wurde zum Ohrwurm und fortan zum Synonym für
die Schauspielerin. Anschließend drehten beide unter der Regie von Gustav Ucicky1)
den Kassenschlager "Hokuspokus"1) (1930),
die erste Verfilmung des gleichnamigen Bühnenstücks von Curt Goetz (1888 1960);
der in dieser Krimikomödie gesungene Song "Ich will Deine Kameradin
sein" wurde ebenfalls zum Evergreen. Das "Lexikon des internationalen
Films" notiert: "Eine höchst unterhaltsame Kriminalkomödie.
Inszenatorisch steif und eher wie eine Theateraufführung anmutend, dafür äußert
pointiert im Dialog, der von den Darstellern mit ironischem Unterton elegant
serviert wird." In der, wegen der damals noch nicht manifestierten
Synchronisationstechnik parallel gedrehten englischsprachigen
Version "The
Temporary Widow"2), traten neben der
sprachbegabten Lilian Harvey
zum Teil andere Darsteller auf, so übernahm der legendäre Sir Laurence Olivier (1907 1989)
den Fritsch-Part des mysteriösen
Peter Bille.
Mit Wilhelm Thieles heiteren Geschichte "Die
Drei von der Tankstelle"1) kam dann 1930 ein Film in die
Lichtspielhäuser, der bis heute zu den Klassikern des Genres zählt. Neben den
Stars Lilian Harvey und Willy Fritsch sowie Oskar Karlweis
(1894 1956) tauchte noch ein anderer Schauspieler auf, der bald schon zu den
ganz Großen der deutschen Filmszene zählen sollte Heinz Rühmann (1902 1994).
Auch hier wurde eine fremdsprachige
respektive französische Version gedreht, Henri Garat1)
(1902 1959) spielte in
"Le
chemin du paradis"2) den Part des Willy Fritsch, René Lefčvre
(1898 1991) den von Hans Rühmann. Lieder wie "Ein Freund, ein guter Freund"1), "Lieber
guter Herr Gerichtsvollzieh'r" oder "Liebling, mein Herz lässt
Dich grüßen" gerieten zu Gassenhauern, das "Lexikon des
internationalen Film" vermerkt: "Der berühmt gewordene Film, der
durch seinen virtuosen Umgang mit Erzählung, Tanz und integrierter Musik
eine neue filmische Form erfand, mit der er das US-Musical vorwegnahm."
Bei prisma.de
kann man lesen: "Der schwungvolle, sehr unterhaltsame Film erfand durch
den virtuosen Umgang mit Erzählung, Tanz und integrierter Musik eine damals
neue filmische Form: das Musical. Er ließ die kleine Handlung mit Liedern
besingen, die äußerst populär wurden (
) und den Erfolg des Films
mitbegründeten." → siehe auch die Filmbeschreibung bei filmportal.de
und der "Murnau Stiftung".
Der Film "Die Drei von der Tankstelle" erhielt zwar 1930
zunächst Jugendverbot, wurde dann doch genehmigt und 1937 erneut verboten, "da
er die öffentliche Ordnung gefährde und die an einen deutschen Film zu
stellenden Anforderungen nicht mehr erfülle".
Foto: Lilian Harvey ca. 1928/29
Urheber bzw. Nutzungsrechtinhaber: Alexander
Binder1) (1888 1929)
Quelle: Wikipedia
bzw. Wikimedia
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Die Geschichte:
Die drei Freunde und Lebemänner Willy (Fritsch), Kurt (Karlweis)
und Hans (Rühmann) leben im Luxus und Reichtum,
stehen aber plötzlich vor dem Bankrott und haben den Gerichtsvollzieher
(Felix Bressart) im Haus. Knapp entkommen sie mit ihrem Auto als
letzter Habe, aber als diesem das Benzin ausgeht, stehen sie allein auf
einer Landstraße. Sie beschließen, das Auto zu verkaufen und hier
eine Tankstelle aufzumachen. Und die erste Kundin
(Lilian Harvey) lässt nicht lange auf sich warten, um deren Liebe
sie dann konkurrieren
Mit Hilfe von Konsul Cossmann (Fritz Kampers) und dessen Freundin Edith
(Olga Tschechowa) wird die Zukunft
aller drei gesichert und Willy erhält die schöne Lilian.
Liest man heute die Handlung des Films, kann man nicht begreifen, dass er
ein so großer Erfolg wurde: Ein Rechtsanwalt diktiert singend seine Post,
Einbrecher räumen tanzend eine Villa aus und der Gerichtsvollzieher pfändet
im Dreivierteltakt. Doch ganz Deutschland wollte dieses "Tagesgespräch"
sehen und alle sangen die Lieder dieses Films, der zur damaligen Zeit ganz
etwas Neues war und für das später in Amerika die Bezeichnung "Musical"
geprägt wurde.
Quelle: www.heidecker-post.com (Seite nicht mehr abrufbar) |
In der nachfolgen musikalischen Ehekomödie "Einbrecher"1) (1930)
war Rühmann als charmant-eleganter Monsieur Sérigny ebenfalls wieder an der Seite des Traumpaares
Fritsch/Harvey, trällerte unter anderem mit Willy Fritsch das Lied "Ich laß'
mir meinen Körper schwarz bepinseln". Auch wenn der ganz große Erfolg an
den Kinokassen eher ausblieb, hatte Regisseur Hanns Schwarz1) (1888 1945) mit "Einbrecher"
doch eine vergnügliche Geschichte auf die Leinwand gebracht. Danach spielte
Lilan Harvey
mit Harry Liedtke (1882 1945)
in "Nie
wieder Liebe!"1) (1931, französische Version:
"CalaisDouvres"2)),
sang unter anderem "Ganz ohne Liebe
geht es nicht". Es ging wohl eher nicht ohne Willy Fritsch, denn bereits in
der von Erik Charell1)
(1894 1974) gedrehten Romanze "Der
Kongreß tanzt"1) (1931) war er wieder als
russischer Zar Alexander1)
(bzw. dessen Doppelgänger Uralsky), der sich in ein Mädchen aus dem Volk
verliebt, an ihrer Seite.
Die Geschichte:
Wien 1814: In der Donaumetropole Wien sind während des Wiener
Kongresses1) die Fürsten und
Diplomaten Europas versammelt, um den Sieg über Napoleon zu feiern und
neue Grenzen auszuhandeln. Doch statt sich um die Politik zu kümmern,
geben sich die Kongressdelegierten lieber ausgiebigen Tanzabenden hin.
Derweil nutzt die temperamentvolle Handschuhmacherin Christl Weinzinger
(Lilian Harvey) dieses Ereignis, um für ihren kleinen Laden ein
bisschen Reklame zu machen und gerät dabei an den Zaren Alexander1)
(Willy Fritsch).
Eine aufregende Romanze beginnt. Fürst
Metternich1) (Conrad Veidt),
der politische Schwierigkeiten befürchtet, mischt bei diesem Spiel
seinerseits mit. Und während der Zar und seine Christl und mit ihnen der
ganze Kongress tanzt, zieht Napoleon in Frankreich ein.
Quelle: Dirk Jasper FilmLexikon (Seize nicht mehr online)
Der Kongreß tanzt" war der erste große Musikfilm des deutschen Tonfilms.
Regisseur Erik Charell war in Berlin Regisseur großer Revuen und Operetten
und setzte seinen Revuestil nun auch auf der Leinwand in Perfektion um. Der Film
ist geprägt von für die damalige Zeit hohem Tempo und großen Ballszenen. Zum
größten Erfolg des Films wurde "Christels Lied", besser bekannt
unter dem Namen "Das gibt's nur einmal" (Musik: Werner
Richard Heymann1), Text: Robert Gilbert1)).
Ebenfalls sehr bekannt ist Paul Hörbigers
Heurigenlied "Das muss ein Stück vom Himmel sein", "Wien und der
Wein …", bei dem Heymann die Melodie des Walzers "Mein
Lebenslauf ist Lieb und Lust" von Josef Strauss1)
verwendet. Der Film erlebte seine Uraufführung am 29. September 1931
in Wien und lief ab dem 20. Oktober 1931 in den deutschen Kinos.4)
Auch hier gab es wieder nicht-deutschsprachige Fassungen, sowohl in der französischen
Version "Le
congrčs s'amuse"2) als auch in der
englischen Version "Congress
Dances"2) übernahm Henri Garat1)
die Rolle von Willy Fritsch. Lilian Harvey spielte in allen drei
Produktionen die weibliche Hauptrolle der jungen Handschuhmacherin Christel Weinzinger,
die sich in den russischen Zaren verliebt.
Siehe auch Murnau-Stiftung,
filmportal.de
sowie ein Filmplakat bei www.dhm.de |
Bei den Dreharbeiten zu "Der Kongress tanzt" kamen sich "das
süßeste Mädel" und der in Ungarn geborene Regisseur Paul Martin1)
(1899 1967), der zu
dieser Zeit als Regieassistent von Erik Charell fungierte, auch privat näher; beide
wurden ab 1931 ein Paar, lebten zeitweise gemeinsam in Ungarn auf einem
Landgut. Noch 1936 kaufte Lilian Harvey das in der Nähe von Debrezin1)
(Ost-Ungarn) liegende Gut Tetétlen als Ruhesitz für sich und Paul Martin.
Doch 1938 zerbrach die Beziehung,
als Lilian Harvey von der Affäre ihres inzwischen
geschiedenen Lebensgefährten mit der
Schauspielerin Frauke Lauterbach (1913 2004) erfuhr; 1939 heirateten Paul Martin
und Frauke Lauterbach.
Foto: Lilian Harvey 1926
Urheber bzw. Nutzungsrechtinhaber: Alexander
Binder2*) (1888 1929)
Quelle: Wikipedia
bzw. Wikimedia
Commons;
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"Zwei
Herzen und ein Schlag"1) (französische Version:
"La fille
et le garçon"2)) hieß der turbulente Musikfilm aus dem Jahre 1932
mit Wolf Albach-Retty
(1906 1967) als fescher Oberkellner Victor Müller, der mit der
temperamentvollen Jenny (Lilian Harvey) verheiratet ist, die für allerlei
(Liebes-)Verwirrung
sorgt. In der von Robert Siodmark inszenierten Liebesgeschichte "Quick"1) (1932)
eroberte der Musikclown Quick (Hans Albers (1891 1960))
ihr Herz bzw. das der verwöhnten schönen Eva Prätorius;
unvergessen bleibt aus diesem Film der Albers-Song "Gnädige Frau komm' und
spiel' mit mir". In der französischen
Fassung2)
übernahm Jules Berry1) (1893 1951) die Albers-Rolle. Gleich mit zwei
attraktiven Männer bzw. zwei Willys bekam es Lilian Harvey
dann in "Ein
blonder Traum"1) (1932) zu tun Willy Fritsch und
Willi Forst (1903 1980)
als die beiden jungen Fensterputzer
Willy I und Willy II waren ihre Partner in der
von Paul Martin1) in Szene gesetzten Komödie. Auch hier gab
es wieder unvergessliche Schlager, so beispielsweise "Irgendwo auf der Welt
gibt's ein kleines bisschen Glück" oder "Wir zahlen keine Miete
mehr". In der französischen Fassung "Un
ręve blond"2) buhlten dann Pierre Brasseur (1905 1972) und
erneut Henri Garat um die schöne Jou-Jou, in der englischen Version "Happy
Ever After"3) die britischen Schauspieler
Jack Hulbert1) (1892 1978)
und Sonnie Hale (1902 1959).
Lilian Harvey mit Hans Albers
Quelle: Deutsche
Fotothek, (file: df_hauptkatalog_0034482)
© SLUB Dresden/Deutsche Fotothek → Info-Karte
Quelle: www.deutschefotothek.de;
Genehmigung zur Veröffentlichung: 30.03.2017
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Im Frühjahr 1932 unterzeichnete Lilian Harvey einen Vertrag bei der amerikanischen Produktionsfirma
"20th Century Fox"1), auch für Paul Martin konnte sie es einigen
Quellen zufolge erreichen,
dass die Filmfirma einen Vertrag mit dem Regisseur abschloss.
Doch zunächst drehte sie einen Film mit Friedrich Hollaender1)
(1896 1976), die mit populären Schauspielern wie Conrad Veidt
(Marquis de Pontignac), Heinz Rühmann (Didier) und Mady Christians besetzte Musikkomödie "Ich
und die Kaiserin"1) (1933) und
mimte als Juliette die Zofe der Kaiserin Eugénie1)
(Mady Christians). Das "Lexikon des
Internationalen Films" bezeichnete "Ich und die Kaiserin" als
"prominent besetzte(s), unbeschwert lustige(s) Verwirrspiel (
), von
den Komponisten Friedrich Hollaender (
) und Franz Wachsmann1) gepflegt
arrangiert."5) → siehe auch filmportal.de.
Mit wechselnden Darstellern wurden (neben Hauptdarstellerin Lilan Harvey) die französische bzw. englische Version "Moi
et l'impératrice"2) und "The
Only Girl"2) realisiert.
Lilian Harvey drehte in Hollywood in rascher Folge vier Filme, doch die Musikkomödie "My Weakness"1) (1933,
"Die Schule der Liebe"), das
operettenhafte Märchen "My Lips
Betray"1) (1933, "Meine Lippen lügen nicht"), der Revue-Film "I Am Suzanne"1) (1933,
"Ich bin Susanne") und die Gesellschafts-Romanze "Let's Live Tonight"1) (1935, "Leise kommt das Glück zu
Dir") brachten
nicht den gewünschten Erfolg, enttäuscht kehrte der Star im Januar 1935 nach Europa zurück.
Aber auch die in England produzieren Filme "Invitation to the Waltz"1) (1935)
und "Did I Betray"3) (1935; Regie: Paul Martin)
kamen beim Publikum nicht an, obwohl in der
deutschen Fassung des Melodrams mit dem Titel "Schwarze Rosen"1)
wieder Willy Fritsch an Harveys Seite war; die französische Fassung
gelangte als "Roses noires"2)
in die Lichtspielhäuser
Erst mit Paul Martins Screwball-Komödie "Glückskinder"1) (1936; französische Version:
"Les gais
lurons"2))
kehrte auch das
"Glück" für die erfolgsverwöhnte Lilian Harvey nicht nur auf der Leinwand
zurück. Die witzige Geschichte, in der Willy Fritsch zum x-ten Male nach
Umwegen das Herz von Lilian Harvey erobern konnte, ließ erneut die Kinokassen
klingeln, der von Peter Kreuder1) (1905 1981) komponierte und von Lilian Harvey,
Oskar Sima, Paul Kemp und Willy Fritsch geschmetterte Ohrwurm "Ich wollt' ich wär' ein
Huhn" bleibt unvergessen. Ebenso legendär wurde das Lied "Ich tanze mit Dir in den Himmel hinein"
aus der erneut von Paul Martin inszenierten Komödie "Sieben Ohrfeigen"1) (1937)
nach dem Roman von Károly Aszlányi1).
Lilian Harvey und Willy Fritsch in einer Filmszene
Fotografie (Weltpostkarte). "Ross-Verlag", um 1930
Quelle: Deutsche Fotothek,
(file: df_pos-2009-a_0000068)
© SLUB Dresden/Deutsche Fotothek/Unbekannter Fotograf
Quelle: www.deutschefotothek.de;
Genehmigung zur Veröffentlichung: 30.03.2017
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Dass Lilian Harvey nicht nur blond und süß sein, sondern auch
Charakterrollen spielen konnte, bewies sie als Protagonistin in einer weiteren Regiearbeit ihres
Lebensgefährten Paul Martin bzw. in einem international beachteten, erfolgreichen Kinofilm: An
der Seite von Willy Birgel
(1891 1973) als Metternich-Berater Friedrich von Gentz1) (1764 1832) in
dem Historien-Drama "Fanny Elßler"1) (1937),
der verfilmten Romanze zwischen der berühmten Wiener
Tänzerin1) (1810 1884) und dem Sohn
von Napoleon
Bonaparte1), dem von Rolf
Moebius dargestellten Herzog
von Reichstadt1).
In Karl
Ritters1) turbulentem, musikalischem Kostüm-Schwank "Capriccio"1) (1938)
war erneut Talent zum Dramatischen gefragt, darüber hinaus machte die Harvey in
der Hosenrolle der Madelone alias Don Juan de Casanova auch als Reiterin
und Fechterin eine gute Figur. Anschließend stand sie nur noch für wenige,
eher zu vernachlässigende Filme vor der Kamera, so mit Vittorio De Sica
für die deutsch-italienische Produktion "Ins
blaue Leben"1) (1939, "Castelli in aria") und für Paul Martins
Komödie "Frau am Steuer"1) (1939),
ihr letzter Film mit Willy Fritsch. Die französischen Produktionen "Sérenade"1) (1940)
und "Miquette"1) (1940) von
Regisseur Jean Boyer1) sollten ihre letzte Arbeiten vor der Kinokamera
sein → Übersicht Kinofilme.
Kurz bevor deutsche Einheiten am 14. Juni 1940 in Paris einmarschierten und
Nordfrankreich bis zu einer zwischen Genf1)
und Tours1)
verlaufenden Linie
besetzten, brachte sie sich in Juan-les-Pins1)
an der Côte d'Azur in Sicherheit,
wo sie 1931 die erste von mehreren Villen erworben hatte. Für ihre Auftritte im
Rahmen der französischen Truppenbetreuung und ihr Engagement zugunsten von
Immigranten und internierten Ausländern wurde Lilian Harvey mit der "Citation
ŕ l'Ordre de l'Armée" geehrt und zur Patin eines Artillerieregimentes
ernannt.6)
Spätestens seit Lilian Harvey 1937 dem während der Dreharbeiten zu "Fanny Elßner"
inhaftierten, als homosexuell geltenden Choreographen Jens Keith1)
(1898 1958) nach seiner Entlassung zur Emigration in die Schweiz verholfen hatte,
stand sie unter massiver Beobachtung der Gestapo1), nicht zuletzt auch deshalb,
weil in ihrem Haus trotz anonymer Drohbriefe immer wieder jüdische Künstler/-innen
verkehrten. Lilian Harvey verließ daher im Frühjahr 1939 Deutschland
und lebte in
ihrer südfranzösischen "Villa Asmodée" in Juan-les-Pins, als die Deutschen
Südfrankreich besetzten, flüchtete sie im Juni 1941 über Barcelona und Lissabon
in die USA und ließ sich im Oktober in Hollywood nieder. Am 2. Februar 1943
erkannte ihr das NS-Regime die deutsche Staatsbürgerschaft wegen "volks- und staatsfeindlichen Verhaltens"
ab, ihr Vermögen
wurde konfisziert.
Filmangebote nahm Lilian Harvey in Hollywood nicht mehr an, wohl weil es sich
ausschließlich um Nebenrollen handelte, stattdessen war sie karitativ tätig, engagierte sich in Los Angeles
zwei Jahre lang als Helferin beim "Roten Kreuz". Ab 1943 stand sie wieder auf der Bühne, tourte mit
dem Stück "Blithe Spirit" ("Geisterkomödie") von Noël Coward1) durch verschieden große Städte der USA,
sang auch im US-amerikanischen Rundfunk.
Nach Kriegsende kehrte Lilian Harvey im Dezember 1946 nach Europa zurück und
lebte zunächst in Paris. Sie trat dort in der Revue "Paris
s'amuse" auf, gab Gastspiele in der französischen Provinz und
Belgien und ging mit ihrem Soloprogramm "Meine Lieblingslieder" auf
Gesangstournee, unter anderem durch Skandinavien,
Dänemark und Ägypten; an ihren einstigen Ruhm als
Filmschauspielerin konnte sie jedoch nicht mehr anzuknüpfen Erst im September 1949 betrat sie
anlässlich einer Liedertournee durch die Bundesrepublik wieder deutschen Boden.
Wenig später musste sie sich 1950 wegen einer Tuberkuloseerkrankung
für längere Zeit in ein Schweizer Sanatorium begeben.
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1952 schien Lilian Harvey in dem dänischen Manager des Varieté-Theaters "KB Hallen", Hartvig Valeur-Larsen
(1908 1976),
ein neues Glück gefunden zu haben. Am 7. Februar 1953 fand die
Hochzeit statt, doch bereits im Februar 1955 reichte Lilian Harvey die Scheidung
ein, die im Mai 1957 offiziell bestätigt wurde.
Während einer Gastspielreise 1955/56 durch die ehemalige DDR lernte Lilian Harvey
Else "Pitty" Wirth (1907 2007) kennen, die nun ihre Mitarbeiterin und Lebensgefährtin
wurde. Der ehemalige Leinwandstar zog sich ab 1957 mit Else Wirth
(vorerst) nach Juan-les-Pins ins Privatleben zurück, eröffnete eine
Boutique und vermietet Ferienbungalows.
Ab 1961 versuchte Lilian Harvey mit mehreren Hauptrollen am Theater
wieder Fuß zu fassen, doch ihr Comeback-Versuch
als Bühnenschauspielerin in Stücken des gehobenen Boulevards wie der
Komödie "Olivia" von Terence Rattigan1) oder "Eine Frau ohne
Tadel" von Pierre Bürki7) scheiterte. Ihre letzten Auftritte hatte sie in
Karlsruhe1) im Theater "die
insel"1) als alternde Schriftstellerin, die in Ray Howards "Zwischenstation" (1966)
Selbstbestätigung in der Liebe zu einem jungen Kellner sucht, sowie kurz vor ihrem Tod
am "Kleinen
Theater"1) in Bad
Godesberg1) in der
Kriminalkomödie "Spinnennetz" ("Spider’s Web") von Agatha Christie1).
Lilian Harvey Ende August 1963 in den Niederlanden
Rechteinhaber: Nationaal
Archief (Den Haag, Rijksfotoarchief; Bestandsnummer: 915-4826)
Urheber/Fotograf: Hugo van Gelderen / Anefo; Quelle: Wikimedia
Commons;
Lizenz: www.gahetna.nl/over-ons/open-data
/ CC BY-SA 3.0 NL
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Am 27. Juli 1968 starb Lilian Harvey mit nur 61 Jahren in Juan-les-Pins1) an
den Folgen einer verschleppten Gelbsucht. Die letzte Ruhe fand sie auf dem Friedhof Robiac im benachbarten
Antibes1) → Foto der Grabstelle bei
knerger.de.
Ihr schriftlicher Nachlass befindet sich im Archiv der Berliner "Akademie
der Künste" → Lilian-Harvey-Archiv.
Noch am 27. Juli 1965 war ihr das "Filmband in Gold"1) für "langjähriges hervorragendes Wirken im deutschen Film"
verliehen worden, am 20. Januar 1967 wurden ihre Leistungen anlässlich einer
Gala in München mit dem Medienpreis "Bambi"1) für "langjährige Verdienste um den deutschen
Film" gewürdigt.
An dem Wohnhaus im Berliner Bezirk Charlottenburg-Wilmersdorf1), Düsseldorfer Straße 47,
wo Lilian Harvey zwischen 1925 und 1930 lebte, wurde am 15. April 1999 eine Gedenktafel (Porzellantafel
der KPM) enthüllt.
Quelle (Foto Gedenktafel): Wikipedia;
Urheber des Fotos: Wikimedia-User Wikinaut
Lizenz zur Nutzung bzw. Veröffentlichung siehe hier.
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Seit Werner
Heymanns1)
Schlager war Lilian Harvey "das süßeste Mädel
der Welt". sie konnte tanzen, singen und springen und trippelte durch ihre
Filme, als liefe in ihr eine geheime Mechanik des Glücks. Als
"Glückskind" und "Blonder Traum" war ihre zierliche
Erscheinung harmonisch abgestimmt auf Bewegung, Ausdruck und Botschaft. Auf
ihren Tanzbeinen bereicherte sie Filmoperetten und Lustspiele, deren oft
bedeutender Aufwand im Widerspruch stand zu dem Nichts an Handlung. Aber die
patente Natürlichkeit und überschäumende Lebensfreude der Harvey verwiesen
das Publikum darauf, dass es außer den Krisen der Zeit noch die Kinoträume
gab, deren ideale Verkörperung sie war.8)
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Verschiedene Autoren beschäftigten sich mit dem Leben der Lilian Harvey, 1976 erschien von dem
Journalisten, Drehbuchautor und Filmkenner Hans Borgelt1) (1914 2000) die
Biografie "Das süßeste Mädel der Welt. Die
Lilian-Harvey-Story", von Christiane Habich wurde 1990 das Buch
"Lilian Harvey" herausgegeben. Das 1999 veröffentlichte
Werk "Wirf weg, damit du nicht verlierst, Lilian Harvey Biographie eines
Filmstars" stammt von Uwe Klöckner-Draga1), der als Schauspieler und
Theaterregisseur in Berlin und Paris lebt. Anhand von Archivdokumenten,
Lebenszeugnissen der Harvey, Äußerungen ihrer Freunde und Kollegen sowie
aus eigenem Erinnern zeichnet er ein sehr intimes und fundiertes Porträt
des einstigen Filmstars. "Selten hat man in den vergangenen Jahren die
Biographie eines Filmstars gelesen, die so in die Tiefe ging wie die Uwe Klöckner-Dragas
über Lilian Harvey. Spannend und kompetent schildert der Autor ihre bewegte
Existenz, immer wieder begab er sich auch an die Schauplätze ihres Lebens."
schreibt Frank Schroeder in seiner
Rezension bei www.luise-berlin.de
und meint unter anderem weiter: "Uwe Klöckner-Draga veranschaulicht und das ist
sein großer Verdienst in dieser Biographie weniger den Mythos
als den Menschen Lilian Harvey. Dass dies in vorbildlicher Weise gelang, dass er
sich überhaupt so detailreich und über fünf Recherchejahre hinweg mit dem
Filmstar beschäftigte, liegt nicht zuletzt daran, dass er der Urenkel des
leiblichen Vaters der Harvey ist."9) → Literatur
bei Wikipedia
Lilian Harvey als Millionärstochter Harriet in dem Stummfilm
"Vater werden ist nicht
schwer"2) (1926)
von Erich Schönfelder1) für die "Eichberg-Film GmbH" (Berlin)
Quelle: Deutsche
Fotothek, (file: df_pos-2006-a_0000875)
aus
"Vom Werden deutscher Filmkunst/1. Teil: Der stumme Film" von Dr. Oskar Kalbus
(Berlin 1935, S. 130) bzw. Ross-Verlag 1926
© SLUB Dresden/Deutsche Fotothek/Unbekannter Fotograf
Quelle: www.deutschefotothek.de;
Genehmigung zur Veröffentlichung: 30.03.2017
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