Die Schauspielerin Leopoldine Konstantin wurde am 12. März 1886 als Leopoldine Eugenie Amelie Konstantin im damals zu
Österreich-Ungarn gehörenden Brünn1)
(heute Brno, Tschechien) geboren. Die Tochter des Wasserwerk-Direktors
Michel Konstantin, der laut Wikipedia im Jahre 1890 als Redakteur die
von Eduard Michael Kafka1) (Sohn von Maria Constantin) herausgegebene "Moderne
Dichtung" betreute, erwarb sich ihr darstellerisches Rüstzeug an der Schauspielschule des
"Deutschen Theaters"1) in Berlin bei dem Rezitator, Schauspieler und
Sprecherzieher Prof. Alexander Strakosch1) (1845 1909), den
sie kurz darauf 1906 heiratete. Bereits im darauffolgenden Jahr gab
sie (vermutlich am 5. September 1907) ihr Bühnendebüt unter der
Intendanz von Max Reinhardt1)
(1873 1943) an den dem "Deutschen Theater"
angeschlossenen "Kammerspielen" als Drittbesetzung der Sklavin Lesbia in
Friedrich Hebbels1) Drama "Gyges und sein Ring" (Regie: Emil Milan1)).
Es folgten kleinere Rollen, etwa als Schülerin Thea in Frank Wedekinds
"Frühlings Erwachen"1) (1907)
oder als eine Schleppenträgerin in Hofmannsthals "Elektra" (1908)
sowie in verschiedenen
Shakespeare-Stücken, so als Page in "Romeo und Julia"1) (1907),
als Mädchen Perdita in "Das Wintermärchen"1) (1908) und
als Elf Puck in "Ein Sommernachtstraum"1) (1910).
Aufmerksamkeit erregte sie erstmals, als sie Ende März 1910 an den Berliner
"Kammerspielen" in einer Inszenierung von Eduard von Winterstein die Maria,
junge Gattin des Ritters Hautdesert (Ludwig Hartau), in
dem Drama "Gawân:
Ein Mysterium"1) von
Eduard Stucken1) an der Seite von
Titelheld Friedrich Kayssler
(Gawân1))
interpretierte → siehe auch den Artikel zu der Inszenierung bei Wikipedia.
Leopoldine Konstantin 1910 als Maria in dem Drama "Gawân: Ein
Mysterium"
von
Eduard Stucken an den Berliner "Kammerspielen".
Quelle: Deutsches
Bundesarchiv, Digitale
Bilddatenbank, Bild 183-2008-0128-500;
Fotograf: Unbekannt / Datierung: 1910 / Lizenz CC-BY-SA 3.0; weitere Angaben
zur Lizenz siehe hier
Originalfoto und Beschreibung:
Deutsches Bundesarchiv Bild 183-2008-0128-500 bzw.
Wikimedia Commons
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Leopoldine Konstantin, die seit 1910 als "heitere Grazie des Salons"
galt, wirkte zur Spielzeit 1912/13 an den Berliner "Reinhardt-Bühnen"1),
wechselte dann 1916 nach einem Rechtsstreit mit Reinhardt zunächst an das
"Wiener
Stadttheater"1), anschließend an das "Theater in der Josefstadt"1)
sowie an das "Deutsche Volkstheater"1). Sie gestaltete hier die typische
"Grande Dame", besonders erfolgreich war sie 1924 am "Volkstheater"
in der Titelrolle von Friedrich Schillers "Maria Stuart"1).
"Populär wurde die Schauspielerin vor allem im Fach der Salondame und als Charakterinterpretin. Ihre
Spezialität wurden Grandes Dames aller Arten mit einem Sinn für Überspanntheit und Ironie; Frauenfiguren, die Leopoldine Konstantin
auch auf der Leinwand, vor allem im Tonfilm, verkörperte" notiert Kay Weniger1)*).
Bereits in der orientalisch-exotischen Tanz-Pantomime "Sumurűn" (1910), Max Reinhardt ersten Inszenierung
für den Film nach seiner Bühnenfassung der Pantomime von Friedrich Freksa1), hatte Leopoldine Konstantin
als verführerische Tänzerin frühe Erfahrungen vor der Kamera gesammelt,
ab 1912 wirkte sie dann regelmäßig mit Hauptrollen in
stummen Produktionen mit. In
ihren ersten Leinwandrollen gab sie "lediglich Variationen ihres damenhaft-lasziven Typs"**), so
auch als Nymphe Circe in Max Reinhardts Abenteuer "Die Insel der Seligen"1) (1913).
Es folgten meist melodramatische, tragisch endende Geschichten wie
Hebbel-Adaption "Maria Magdalena"2) (1914) mit
Erich Kaiser-Titz als
Partner oder nicht minder melodramatische Krimis wie "Der Onyxkopf"1) (1917) mit
Max Landa als Detektiv
Joe Deebs1).
Leopoldine Konstantin, fotografiert von Alexander
Binder1) (1888 1929)
Quelle: www.cyranos.ch;
Angaben zur Lizenz siehe hier
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Furore machte die Schauspielerin mit der Titelrolle der spanischen Tänzerin Lola Montez1)
in dem gleichnamigem Historiendrama (1918). Ein Jahr
später präsentierte sie sich in Jaap Speyers1) Sittenbild "Lilli" und
der Fortsetzung "Lillis Ehe. Ein Gesellschaftsbild aus Berlin W."
nach den Romanen von Jolanthe Marč1) mit
Mia Pankau als Protagonistin. Der Kritiker des "Film-Kurier"1) fand
sie in in dem Streifen "Gefesselte Menschen" (1920) gut, aber etwas monoton in der Mimik der hysterischen
Frau. (M. P., 04.04.1920).**) Nach
Nebenrollen in Produktionen wie dem Drama "Weltbrand"1) (1920),
dem ersten Teil nach dem Roman "Christian Wahnschaffe" von Jakob Wassermann1), und dem Vierteiler " Der Silberkönig" (1921) beendete
Leopoldine Konstantin zunächst ihre filmische Laufbahn und
konzentrierte sich auf die Arbeit am Theater → Übersicht Stummfilme.
Häufig tritt sie in Wien auf. In der Titelrolle von W. Somerset Maughams1)
"Finden Sie, daß sich Constance richtig verhält?" (17.01.1928,
Regie: Max Reinhardt) findet sie zu verloren geglaubten Nuancen zurück:
"Sie hat die zirpenden Töne, die Flattrigkeit der Wiener Jarnozeit abgestreift und spielt mit einer überraschenden Klugheit und Feinheit.
Die Dialogführung ist beherrscht, die Ruhe bei aller Lebhaftigkeit musterhaft, die Ironie zurückgehalten und
angenehm. (Herbert Ihering1),
Berliner Börsen-Courier1), 19.01.1928).**)
Leopoldine Konstantin 1917 mit dem Schriftsteller und
Schauspieler Curt Goetz
Quelle: Deutsches
Bundesarchiv, Digitale Bilddatenbank, Bild 183-2008-0128-502;
Fotograf: Unbekannt / Datierung: 1917 / Lizenz: CC-BY-SA
3.0
weitere
Angaben zur Lizenz siehe hier
Originalfoto und Beschreibung: Deutsches Bundesarchiv Bild 183-2008-0128-502
bzw. Wikimedia Commons
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Anfang der 1930er Jahre nahm Leopoldine Konstantin ihre Arbeit für den Film wieder auf und konnte
aufgrund ihrer Bühnenerfahrung auch im Tonfilm bestehen. Es waren nun
vorwiegend Lustspiele, in denen sie sich mit prägnanten Nebenrollen zeigte.
Etwa als forsche Millionärin Ellinor Blackwell in Reinhold Schünzels
heiteren Geschichte "Saison in Kairo"1) (1933)
oder als Mutter von Dolly Haas in
der musikalischen Krimi-Komödie "Es tut sich was um Mitternacht"3) (1933).
In "Prinzessin Turandot"1) (1934)
nach dem Theaterstück bzw. tragikomischen Märchen "Turandot"1)
von Carlo Gozzi1) mimte sie neben Titelheldin
Käthe von Nagy
deren Mutter, die Kaiserin von China, konnte in dem propagandistischem Preußenfilm "Der
alte und der junge König"1) (1934) als
Königin Sophie1)
eine ernste Variation ihres Rollenspektrums bieten.**) In
"Frischer Wind aus Kanada"2) (1935), einer
Komödie im Modehaus-Milieu, "ironisiert (sie) mit überlegenem Humor eine superkluge
Frau", notierte Georg Herzberg im "Film-Kurier" (12.03.1936).
1935 verließ die Künstlerin mit jüdischen Wurzeln Deutschland und ging zunächst
nach Österreich, wirkte danach nur noch in drei Kinoproduktionen mit, in
Österreich in dem Jungmädchen-Melodram "Mädchenpensionat" (1936), in
Deutschland in dem musikalischen Marika Rökk-Streifen "Und
du mein Schatz fährst mit"1) (1937) sowie in der
von Marc Allégret1) in Szene gesetzten deutsch-französischen Co-Produktion "Andere Welt" (1937).
Seit 1924 in zweiter Ehe mit dem ungarischen Ministerialrat und Autor Géza Herczeg1) (1888 1954) verheiratet,
ging sie mit ihm und dem aus erster Ehe stammenden Sohn Alexander nach dem "Anschluss Österreichs"1) 1938 über London ins
US-amerikanische Exil; die Ehe wurde kurz darauf Ende der 1930er Jahre geschieden.
Leopoldine Konstantin 1913 an den "Kammerspielen"
in dem Lustspiel "Schöne Frauen" des Franzosen Étienne Rey (1879 1965)
Quelle: Deutsches
Bundesarchiv, Digitale Bilddatenbank, Bild 183-2008-0128-503;
Fotograf: Unbekannt / Datierung: 1913 / Lizenz:
CC-BY-SA 3.0; weitere Angaben zur Lizenz siehe hier
Originalfoto und Beschreibung:
Deutsches Bundesarchiv Bild 183-2008-0128-503
bzw. Wikimedia Commons
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Aufgrund mangelnder englischer Sprachkenntnisse konnte Leopoldine Konstantin als Schauspielerin in den USA nicht Fuß fassen, musste
sich anfangs als Fabrikarbeiterin
durchschlagen. erst nach einem intensivem Sprachstudium erhielt sie in Alfred Hitchcocks1)
Thriller "Berüchtigt"1) (1946,
"Notorious") als Madame Anna Sebastian, eifersüchtige und
eiskalte Mutter von Alexander Sebastian (Claude Rains1)) eine tragende
Rolle neben Cary Grant und
Ingrid Bergman. "Mit kühler, beängstigender Arroganz und harscher
Unnahbarkeit spielt sie eine Deutsche, die, um ihren in
nazistische Machenschaften verwickelten Sohn (Claude Rains) zu schützen, nicht vor einem Giftmord
zurückschreckt."**)
Auf der Bühne spielte sie in dem Emigranten-Ensemble "The Players from Abroad"1)
und zeigte sich unter anderem im Oktober 1946 einmal mehr als Constance in
"The Constant Wife" ("Finden Sie, dass Constanze sich richtig
verhält?") von William Somerset Maugham; zudem trat auch in zwei TV-Serien auf, die 1950 ausgestrahlt wurden.
1948 kehrte die Schauspielerin nach Wien zurück, nahm ihre
Bühnentätigkeit wieder auf, spielte sporadisch Theater in Österreich und
Deutschland und wurde nun meist als "skurrile Alte" besetzt. Außerdem arbeitete sie mit Dichterlesungen für den
Hörfunk; an ihre
früheren Erfolge konnte sie jedoch nicht mehr anknüpfen.
Leopoldine Konstantin 1917
Foto mit freundlicher Genehmigung der Österreichischen Nationalbibliothek1)
(ÖNB)
Urheber: Atelier Madame d'Ora1)
(18811963); Datierung: 06.09.1917
© ÖNB Wien, Bildarchiv Austria (Inventarnummer
204080-D)
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Leopoldine Konstantin, die zuletzt gemeinsam mit ihrer Adoptivtochter Elisabeth Herczeg in der Trauttmansdorffgasse
im Wiener Gemeindebezirk Hietzing1)
lebte, starb dort am 14. Dezember 19654)
im Alter von 79 Jahren an Herzstillstand. Die letzte
Ruhe fand sie auf dem Wiener Zentralfriedhof1) (Evangelischer Friedhof
Simmering) → Foto der
Grabstelle bei knerger.de.
Ihr Sohn Alexander, für den sie 1923 im Norden von Westerland1) auf Sylt ein Haus als Rückzugs-Ort gebaut hatte,
soll am 10. März 1941 bei der Luftschlacht um England durch eine deutsche Fliegerbombe ums Leben gekommen sein.
(Quelle: Werner Rosenberger: "Hietzing: Von Künstlervillen & Künstlerleben",
Artikel: "Tante Leo" kam bis Hollywood)
Leopoldine Konstantin 1951 im Gespräch mit dem Schauspieler Erich
Auer1)
Foto mit freundlicher Genehmigung der Österreichischen
Nationalbibliothek1) (ÖNB)
Körperschaft: United States Information Service1)
(USIS); Datierung: 02.1951
© ÖNB
Wien/USIS; Bildarchiv Austria (Inventarnummer
US 23.467)
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Leopoldine Konstantin auf der Theaterbühne
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Quellen: Wikipedia,
cyranos.ch
sowie
Kay Weniger1): "Es wird im Leben dir
mehr genommen als gegeben…"*)
und
CineGraph – Lexikon zum deutschsprachigen Film, LG 19**)
Fotos bei www.virtual-history.com
sowie
bei der Österreichischen Nationalbibliothek
und Wikimedia
Commons
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*) Kay Weniger: "Es wird im Leben dir mehr
genommen als gegeben
". Lexikon der aus Deutschland und Österreich
emigrierten Filmschaffenden 1933 bis 1945. Eine Gesamtübersicht
(Hamburg, ACABUS Verlag 2011, S. 282/283)
**)
CineGraph Lexikon zum deutschsprachigen Film, LG 19,
mit der Quelle: Marcus Bier: "Leopoldine Konstantin" in: M. B.: Schauspielerportraits (Berlin/West: Hentrich 1989, S. 136141)
Fremde Links: 1) Wikipedia, 2) Murnau Stiftung, 3) filmportal.de
4) laut "Österreich-Lexikon" am 15. Dezember 1965 → www.aeiou.at
Weitere Angaben zur Lizenz: Genehmigung des Bundesarchivs zur Veröffentlichung innerhalb dieser
Webpräsenz wurde am 11.10.2010 erteilt.
Lizenz Foto Leopoldine Konstantin (Urheber: Alexander Binder):
Diese Bild- oder Mediendatei ist gemeinfrei, weil ihre urheberrechtliche
Schutzfrist abgelaufen ist. Dies gilt für die Europäische Union, die
Vereinigten Staaten, Australien und alle weiteren Staaten mit einer
gesetzlichen Schutzfrist von 70 Jahren nach dem Tod des Urhebers.
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Kinofilme
Stummfilme / Tonfilme
Filmografie bei der Internet Movie Database,
filmportal.de
sowie
The German Early Cinema Database
(Fremde Links: cyranos.ch, Wikipedia, Murnau Stiftung, filmportal.de) |
Stummfilme (Auszug)
Tonfilme
- 1932: Ein toller Einfall
(als ?)
- 1933: Saison in Kairo
(als Ellinor Blackwell, Mutter von Tobby = Willy
Fritsch) → filmportal.de
- 1933: Es tut sich was um Mitternacht
(als Frau Dr. Wegener, Mutter von Susanne = Dolly
Haas)
- 1934: Csibi, der Fratz
/ Früchtchen (nach dem Bühnenstück "Le fruit vert"
von Régis Gignoux (18781931) und
Jacques Théry (18811970); als Maria, Mutter von Lucie Carell, genannt "Csibi"
= Franziska
Gaal)
- 1934: Liebe dumme Mama
(als Helene Burkhardt, Mutter von Hedie = Luise
Ullrich) →filmdienst.de,
filmreporter.de
- 1934: Prinzessin Turandot
(nach dem Theaterstück bzw. tragikomischen Märchen "Turandot"
von Carlo
Gozzi;
als Frau des Kaiser von China (Willi
Schaeffers), Mutter von Prinzessin Turandot (Käthe
von Nagy))
→ filmportal.de
- 1935: Der
alte und der junge König: Friedrichs des Großen Jugend
(mit Werner
Hinz als der junge Friedrich II.,
Emil Jannings als dessen Vater König Friedrich
Wilhelm I.; als dessen Gattin bzw. Friedrichs Mutter Königin Sophie
Dorothea)
→ filmportal.de
- 1935: Frischer Wind aus Kanada
(nach dem Schwank von Hans Müller-Einigen (Autor),
Hans
Fritz Beckmann (Gesangstexte), Herbert Walter
(Komponist); als Frau Olden)
- 1936: Mädchenpensionat. Prinzessin Dagmar
(als Fräulein Leers) → film.at,
IMDb,
filmdienst.de
- 1937: Und
du mein Schatz fährst mit (als die reiche Dońa Juana
de Villafranca) → filmportal.de
- 1937: Andere Welt / La dame de Malacca (nach dem Roman von Francis de Croisset
(18771937); als Lady Brandmore)
→ filmdienst.de,
IMDb
- 1946: Berüchtigt
/ Notorious (nach dem Originaldrehbuch von Ben
Hecht; Regie: Alfred
Hitchcock;
als Anna Sebastian, Mutter von Alexander Sebastian
(Claude
Rains), Kopf der deutschen Exilanten in Rio de Janeiro)
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