Filmografie / Hörspiel
Annemarie Steinsieck wurde am 21. September 1889 als Tochter eines Bankiers in Berlin geboren. Ihr schauspielerisches Rüstzeug erwarb sie sich bei Arthur Kraussneck (1856 – 1941), gab anschließend 1906 ihr Bühnendebüt in Bielefeld1). Im darauffolgenden Jahr ging die junge Mimin nach Berlin und erhielt ein Engagement am "Königlichen Schauspielhaus"1) am Gendarmenmarkt (heute "Schauspielhaus"1)). Bis 1919 blieb sie in der Metropole und wirkte während dieser Zeit auch an anderen Berliner Bühnen. Besondere Aufmerksamkeit erlangte sie als jugendliche Heldin, etwa als Julia in der Shakespeare-Tragödie "Romeo und Julia"1), als Gretchen in Goethes "Faust"1) oder mit der Titelrolle in dem Ritterschauspiel "Das Käthchen von Heilbronn"1) von Heinrich von Kleist1). Wegen ihrer schönen Beine soll sie auch gerne mit Hosenrollen besetzt worden sein.*)
1919 wechselte Annemarie Steinsieck dann für längere Zeit nach Wien an das "Volkstheater"1) und feierte dort vor allem in Stücken von Frank Wedekind1) und Oscar Wilde1) Erfolge. Bereits 1914 und 1915 war sie am "Volkstheater" in dem Lustspiel "Im bunten Rock" von Franz von Schönthan1) und Freiherr von Schlicht1) aufgetreten und wurde für ihre darstellerische Leistung überschwänglich gelobt.

Foto: Annemarie Steinsieck am Wiener "Volkstheater"
Quelle: Wikimedia Commons; Urheber: Franz Xaver Setzer1) (1886–1939)
aus: "Sport & Salon" (Bd. 21, Nr. 25 (17.06.1917), S. 15).
digitalisiert von der Österreichischen Nationalbibliothek
Angaben zur Lizenz  (gemeinfrei) siehe hier

Annemarie Steinsieck am "Deutschen Volkstheater"; Quelle: Wikimedia Commons; Urheber: Franz Xaver Setzer (1886–1939); aus: "Sport & Salon" (Bd. 21, Nr. 25 (17.06.1917), S. 15); digitalisiert von der Österreichischen Nationalbibliothek; Lizenz: gemeinfrei
So schrieb die Wiener "Neue Freie Presse2) am 6. September 1914: ""Im bunten Rock", das liebenswürdig-launige Lustspiel von Franz v. Schönthan und Freiherrn v. Schlicht, das schon vor mehr als zehn Jahren hier ein beliebtes Repertoirestück war, hat auch bei der heutigen Wiederaufnahme sehr amüsiert und viel Beifall gefunden. Das harmlos-heitere Stück wirkt jetzt vielleicht noch stärker als zur Zeit, da es neu war, sowohl die lustspielhafte Verherrlichung des auch in der Liebe unwiderstehlichen preußischen Leutnants wie der Kasernenhof- und Manöverhumor, der in drolligen Szenen und witzigen Worten zur Geltung kommt. Die Aufführung hatte Tempo und Laune. In der Rolle der viel umworbenen Amerikanerin bekundete Fräulein Steinsieck wieder viel natürliche Anmut und Noblesse, wodurch die sehr begabte junge Künstlerin schon unlängst, bei ihrem Debüt sympathisch auffiel. Auch das amerikanisch-deutsche Radebrechen traf sie ganz charmant, und sie fand bei offener Szene lebhafte Anerkennung. Einen forschen und schneidigen und zugleich liebenswürdigen Leutnant stellt Herr Kramer auf die Beine. Sehr gut die Herren Edthofer, Weiß (d. i. Theodor Weiß, 1857–??), Lackner1), Russeck (d. i. Georg Russek, 1858–1916), die Damen Bukovics1) und Hochwald1). Das Publikum, das sich sehr gut unterhielt, rief die Darsteller nach allen Akten." Und die "Wiener Zeitung"1) (07.09.1914) urteilte: "Diese mutige Bühne, die trotz der dem Theaterbesuche wenig holden Zeit doch Abend für Abend spielt, um ihrem Publikum Erhebung oder Erheiterung und ihren Mitgliedern Brot zu bieten, hat Samstag das muntere Militärlustspiel "Im bunten Rock" von Franz von Schönthan und Freiherrn von Schlicht in guter Besetzung und fleißiger Einstudierung – Regie Herr Hubert Reusch (1862–1925) – herausgebracht. (…) Den Leutnant spielte selbstverständlich Herr Kramer in seinem elegantesten Stil, maßvoll und natürlich, die Witwe das neu verpflichtete Frl. Steinsieck, in der das Theater anscheinend die lange fehlende Erste Salondame gefunden hat. Die Künstlerin stellt Jugend, Anmut und Schönheit ins Vordertreffen und hat damit schon viel gewonnen. Neben Angelerntem und früh erworbener Spielfertigkeit taucht manchmal auch ein persönliches schalkhaftes Wesen auf und der feine Ausdruck echten Empfindens." "Der Humorist"1) (10.09.1914) meinte: "Die Aufnahme durch das Publikum, das Widerhall für seine Empfindungen sucht und zu seiner Unterhaltung kräftigerer Mittel bedarf, war auch verhältnismäßig kühl und es hatte den Anschein, als wäre die Sache ganz abgefallen, wenn nicht Frl. Annemarie Steinsieck eine ganz hervorragende Talentprobe abgelegt und ihren persönlichen Reiz über das Stück ausgebreitet hätte, wie einen kostbaren Spitzenschleier. Die junge Künstlerin wirkt durch ihre persönliche Note, verbreitet Wohlbehagen, beherrscht die äußeren Mittel der Darstellungskunst mühelos und versteht es, einen Charakter mit festen Strichen zu zeichnen und bis zum Ende festzuhalten. Wer einer so flachen Figur, wie diese Miß Clarkson ist, Plastik verleihen kann, muß sicherlich auch tiefer angelegte Gestalten vollendet darstellen können."
(Quelle: karlheinz-everts.de)
Erst Ende der 1920er Jahre kehrte die Schauspielerin nach Berlin zurück, wirkte am "Berliner Theater"1), am "Theater in der Behrenstraße"1), am "Rose-Theater"1), an der "Komödie" und vor allem bis zur Schließung im Januar 1944 an der "Volksbühne"1) (heute "Volksbühne am Rosa-Luxemburg-Platz"). Zu ihrem Repertoire zählten in den 1930er Jahren prägnante Rollen in Schauspielen wie "Prinz Friedrich von Homburg" (1935) von Heinrich von Kleist, "Ein Volksfeind"1) (1937) von Henrik Ibsen1) oder "Schluck und Jau"1) (1936) und "College Crampton"1) (1938) von Gerhart Hauptmann1), aber auch in Lustspiel-Klassiker wie "Der Raub der Sabinerinnen"1) (1939) von Franz und Paul von Schönthan1).

Annemarie Steinsieck, (vermutlich
am Wiener "Volkstheater")
als Johanna von Orleans1)
Urheber: Franz Xaver Setzer1) (1886–1939)
Angaben zur Lizenz  (gemeinfrei) siehe hier

Annemarie Steinsieck, (vermutlich am Wiener "Volkstheater") als Johanna von Orleans; Urheber: Franz Xaver Setzer (1886–1939); Lizenz: gemeinfrei Annemarie Steinsieck, (vermutlich am Wiener "Volkstheater") als Johanna von Orleans; Urheber: Franz Xaver Setzer (1886–1939); Lizenz: gemeinfrei
Nach Ende des 2. Weltkrieges setzte Annemarie Steinsieck in Berlin ihre Bühnenkarriere an der "Tribüne"1), am "Theater am Kurfürstendamm"1) und am "Renaissance-Theater"1) fort, ihr Fach war nun das der "Grande Dame". So erlebte man sie beispielsweise an der "Tribüne" in dem Lustspiel "Die schlaue Susanne"3) (1953, "La discreta enamorada") von Lope de Vega1) und in der deutschen Erstaufführung der Komödie "Mandragola"1) (1957) von Niccolň Machiavelli1) – jeweils in Inszenierungen des Intendanten Frank Lothar (1916 – ?) – oder in dem amüsanten Schauspiel "Kolportage" von Georg Kaiser1) (1965/66; Regie: Ilo von Jankó1)). Zwei an der "Tribüne" von Frank Lothar inszenierte Komödien wurden auch im Fernsehen ausgestrahlt, die Stücke "Eskapade" 1954) von Roger Macdougall1) und "Hurra für Gina" (1956) von Ronald Alexander (1917 – 1995) mit Brigitte Grothum in der Titelrolle. Am "Renaissance-Theater" spielte sie unter anderem mit O. E. Hasse in der Bühnenversion des Romans "Die Iden des März"1) von Thornton Wilder1)  (1962/63; Regie: Jerome Kilty1)). Eine ihrer bedeutendsten Altersrollen war die Gräfin de la Roche in dem bürgerlichen Trauerspiel "Die Soldaten"1) von Jakob Michael Reinhold Lenz1).
 
Schon früh sammelte Annemarie Steinsieck erste Erfahrungen vor der Kamera, übernahm ab 1920 für wenige Jahre regelmäßig Aufgaben in österreichischen Stummfilm-Produktionen, wurde jedoch nur mit Nebenrollen besetzt. Unter anderem spielte sie mit Olaf Fjord und Rainer Simons1) in den Historienstreifen "Der Herzog von Reichstadt" (1920) und "Napoleon in Schönbrunn" (1922), mimte die Ehefrau von Ferdinando "Nicola" Sacco, der gemeinsam mit Bartolomeo Vanzetti wegen doppelten Raubmordes am 23. August 1927 in Charlestown (Massachusetts) auf dem elektrischen Stuhl endeten. Alfréd Deésy1) hatte die Geschichte von Sacco und Vanzetti1) 1927 unter dem Titel "Im Schatten des elektrischen Stuhls"1) mit Louis V. Arco1) (Sacco) und Hans Peppler1) (Vanzetti) auf die stumme Leinwand gebannt → Übersicht Stummfilme.
Auch im Tonfilm blieb Annemarie Steinsieck auf, wenn auch prägnante Nebenfiguren beschränkt, mimte meist Tanten wie in Paul Czinners1) Claude Anet1)-Adaption "Ariane"1) (1931) mit Czinners künftigen Ehefrau Elisabeth Bergner in der Titelrolle, Gattinnen von Honoratioren wie in dem von Gerhard Lamprecht1) nach dem Roman von Fred Andreas1) in Szene gesetzten Krimi "Einer zuviel an Bord"1) (1935) oder Mütter wie in "Ein seltsamer Gast"4) (1936) – ebenfalls ein von Gerhard Lamprecht inszenierter Krimi. In nachhaltiger Erinnerung ist sie als pikierte Frau Bankdirektor und Gegenspielerin der Berliner Coupletsängerin Jette Schönborn (Grethe Weiser) in der musikalischen Komödie "Die göttliche Jette"1) (1937) geblieben, als gestrenge Stiftsdame kam sie in in dem Drama "Ballade"5) (1938) daher. In dem nach dem gleichnamigen Roman von Hans-Caspar von Zobeltitz1), ganz auf Marika Rökk zugeschnittenen Streifen "Kora Terry"1) (1940) zeigte sie sich als deren Gesellschaftsdame, in dem Biopic "Friedemann Bach"1) (1941) nach dem Roman "Friedemann Bach" von Albert Emil Brachvogel1) mit Gustaf Gründgens als Wilhelm Friedemann Bach1), ältester Sohn des von Eugen Klöpfer dargestellten Johann Sebastian Bach1), als Frau von Erdmannsdorf. Letztmalig wirkte Annemarie Steinsieck in dem Musikfilm "Die Zaubergeige"1) (1944) nach dem gleichnamigen Roman1) von Kurt Kluge1) und in dem von Veit Harlan mit Ehefrau Kristina Söderbaum gedrehten Melodram "Opfergang"1) (1944) in einer Kino-Produktion mit → Übersicht Tonfilme.
 
Nach Kriegende bzw. ab Mitte der 1950er Jahre übernahm Annemarie Steinsieck noch vereinzelt Aufgaben in TV-Filmen, so sah man sie unter anderem zusammen mit Carl Wery als Großeltern Nellie und Julian Northrop in dem TV-Spiel "Der Tod im Apfelbaum"6) (1960), von Willhelm Semmelroth1) inszeniert nach dem Schauspiel von Paul Osborn1), das wiederum auf dem Roman "On Borrowed Time" von L. E. Watkin1) basierte. Paul Verhoven führte Regie bei dem nach "The Ring of Truth" von Wynyard Browne (1911 – 1964) produzierten Krimi "Die Sache mit dem Ring"6) (1961), wo Annemarie Steinsieck als Mrs. Gore senior in Erscheinung trat → Übersicht TV-Sendungen.
Zudem beteiligte sich die Schauspielerin sporadisch als Sprecherin in Hörspielen, bereits Ende der 1920er Jahre wirkte sie in Live-Sendungen der Berliner "Funk-Stunde AG"1) mit; die bei der ARD Hörspieldatenbank gelisteten Produktionen findet man hier.
Vornehmlich konzentrierte sie sich jedoch auf ihre Arbeit am Theater, betätigte sich darüber hinaus als Schauspiellehrerin und gab ihr Wissen unter anderem an Sabine Thalbach1) (1932 – 1966) und Evamaria Bath1) weiter.
 
Annemarie Steinsieck starb rund einen Monat vor ihrem 88. Geburtstag am 29. August 1977 in Berlin (West).
Sie war mit ihrem Schauspieler-Kollegen Hugo Werner-Kahle1) (1882 – 1961) verheiratet, mit dem sie auch für einige Stummfilme gemeinsam vor der Kamera stand.
Quelle (unter anderem): Wikipedia, cyranos.ch
*) Artikel bei www.bz-berlin.de
Fremde Links: 1) Wikipedia, 2) geschichtewiki.wien.gv.at, 3) theatertexte.de, 4)  filmportal.de, 5) Murnau Stiftung, 6) Die Krimihomepage
Lizenz Foto Annemarie Steinsieck (Urheber Franz Xaver Setzer: Diese Bild- oder Mediendatei ist gemeinfrei, weil ihre urheberrechtliche Schutzfrist abgelaufen ist. Das gilt in der EU und solchen Ländern, in denen das Urheberrecht 70 Jahre nach dem Tod des Urhebers erlischt.
Filme
Stummfilme / Tonfilme / Fernsehen
Filmografie bei der Internet Movie Database sowie filmportal.de
(Fremde Links: Wikipedia, Murnau Stiftung,  filmportal.de, Die Krimihomepage; R = Regie)
Stummfilme (Auszug) Tonfilme Fernsehen
Hörspielproduktionen
(Fremde Links: ARD-Hörspieldatenbank (mit Datum der Erstausstrahlung), Wikipedia, biographien.ac.at)
Sendungen der Berliner "Funk-Stunde AG" (Live-Sendung ohne Aufzeichnung; Regie: Alfred Braun) Nachkriegsproduktionen
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