Der am 22. Oktober 1875 in Berlin als Harry Schreier*)
geborene Theaterschauspieler Harry Walden wandte sich wie viele seiner Kollegen dem neuen Medium
"Kinematographie" zu und hatte eine kurze, intensive Karriere als Leinwanddarsteller. Zunächst ergriff
Walden wie sein Vater den Beruf des Kaufmanns, war in Deutschland,
und der Schweiz sowie zwischen 1893 und 1895 in den Vereinigten Staaten
tätig.
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Zurück in Europa trat er einen kurzen Militärdienst an, entschied sich
dann für die Schauspielerei. Den Vornamen des Vaters Waldemar abwandelnd, wählte er
"Harry Walden" zum Künstlernamen.*)
Er ließ sich von dem Berliner Hofschauspieler
Richard Kahle1) (1842 1916)
sowie von Jan Edgar1) (1847 1900) entsprechend ausbilden,
erhielt anschließend zur Spielzeit 1896/97 ein erstes Engagement in Karlsruhe. Im
darauffolgenden Jahr kam Walden in seine Geburtsstadt Berlin zurück und
wurde an das "Residenz-Theater" verpflichtet, machte im September 1897 mit
der tragenden Rolle des Gerhart in dem von Theaterdirektor Theodor Brandt
(= Theodor Köstlin) inszenierten komödiantischen Dreiakter
"Momentaufnahmen" von Josef Jarno1) auf sich
aufmerksam und avancierte rasch zum
Liebling des Berliner Publikums. In seinen frühen Jahren gestaltete der
Schauspieler vornehmlich jugendliche Helden, Lebemänner und Liebhaber,
feierte dann ab 1900 als Charakterdarsteller Triumphe, gab
beispielsweise den Titelhelden in Kleists
"Prinz Friedrich von Homburg"1)
oder als Schiller Interpret den Franz Moor in "Die Räuber"1)
und den Mortimer in "Maria Stuart"1).
Am "Berliner
Theater"1) trat er erstmals zur
Uraufführung am 22. November 1901 als Erbprinz Karl-Heinrich in
dem berühmt gewordenen Schauspiel "Alt-Heidelberg"1)
von Wilhelm Meyer-Förster1)
auf, eine Figur, mit der er in den kommenden Jahren noch mehrfach Erfolge
feiern sollte. "450 Mal spielte Walden die Hauptrolle in dieser
"heiteren Wehmütelei", in der "ein Kern echter Empfindung
steckt" (Alfred Polgar1)),
mit der ihm eigenen Mischung aus Noblesse und
Jugendhaftigkeit. Gastspiele führten ihn mit dem 1912 auch mit ihm verfilmten Stück durch Europa und nach Amerika.*)
Harry Walden 1912 in der Rolle des
Studenten Prinz Karl Heinrich
in dem Schauspiel "Alt-Heidelberg"
von Wilhelm Meyer-Förster
Quelle: Wikimedia Commons;
Urheber: Unbekannt
Angaben zur Lizenz siehe hier
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Walden zeigte seine schauspielerische Kunst auch auf internationalen
Bühnen, Gastspielreisen führten ihn unter anderem nach Estland (Reval,
heute Tallinn1))
sowie in die USA, wo er am angesehenen New Yorker "Irving Place Theatre"1)
auftrat, einem deutschsprachigen Theater, das bis 1903 von Heinrich Conried1)
geleitet wurde und an dem zahlreiche berühmte Schauspieler des deutschen
Sprachraums auftraten. Hier zeigte sich Walden vornehmlich in Lustspielen
wie "Die goldene Eva" (1904) von Franz
von Schönthan1) und Franz Koppel-Ellfeld1),
spielte beispielsweise 1906 mit
Maria Reisenhofer
in der Farce "Leontines Ehemänner" ("Les Maris de
Leontines") von Alfred Capus1)
und mimte den Baron de la Jambiere. Das Stück handelte von den
Abenteuern einer frivolen, jungen Frau (Reisenhofer), die nach der Scheidung
einen reichen Baron heiratet, der trotz der Affären seiner Frau mit dieser
weiter zusammenlebt. Eine weitere Aufführung war beispielsweise die
Komödie "Die Nacht der Liebe" (1906) von dem späteren
"Irving Place"-Direktor (ab 1907) und Bruder von Ella Briggs1)
Dr. Maurice Baumfeld (1868 – 1913), aber auch das
Trauerspiel "Arria und Messalina" (1906) von Adolf von Wilbrandt1)
mit Walden und der in Vergessenheit geratenen, in Bukarest geborenen Wiener
Theaterschauspielerin
Agathe Bârsescu1) (1858 – 1939)
in den Titelrollen.
Harry Walden 1914 in dem Lustspiel "Weh dem, der lügt"1)
von Franz Grillparzer
Foto mit freundlicher Genehmigung der Österreichischen Nationalbibliothek1)
(ÖNB)
Urheber: Atelier Madame
d'Ora1) (1881–1963); Datierung: 18.03.1914
© ÖNB/Wien, Bildarchiv (Inventarnummer
203693-D)
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Zwischen 1908 und 1910 wirkte Walden wieder in Berlin, spielte unter anderem
am "Apollo-Theater"1).
Vor allem aber glänzte er in Inszenierungen von
Max Reinhardt1)
an dessen Bühnen ("Reinhardt-Bühnen"1))
mit den großen Charakterrollen in den Dramen von Shakespeare, Goethe und
Schiller. Er interpretierte den Edgar in Shakespeares "König Lear"1),
die Titelhelden in Goethes "Clavigo"1)
und Schillers "Don Karlos"1)
oder den Ferdinand in "Kabale und Liebe"1),
ebenfalls ein Drama von Schiller. Noch vor dem Ausbruch des
1. Weltkrieges ging Walden Ende 1913 nach Wien an das berühmte
"Burgtheater"1),
wo er bis 1919 blieb und zu den Stars des Ensembles zählte. Er zeigte
sich mitunter auch im heiteren Fach, etwa 1902 in der Posse mit Gesang
"Die Kläffer" von Adolf L'Arronge1)
(1838 – 1908) und Heinrich Wilken1)
oder 1914 mit der Titelfigur des "Cyrano de Bergerac" in
der gleichnamigen1)
komödiantischen Romanze von Edmond Rostand1).
Bereits 1910 hatte der Schauspieler bei der "Deutschen Bioscop GmbH"2)
für die orientalisch-exotische Tanz-Pantomime "Sumurûn",
Max Reinhardts erste Inszenierung für den Film, vor der Kamera
gestanden. Bertha Wiesenthal3)
(Schwester von Grete Wiesenthal1))
verkörperte die Titelfigur bzw. die schöne Haremsdame Sumurûn, welche den
jungen Stoffhändler Nur-al-Din (Harry Walden) liebt, in weiteren
Rollen erlebte man unter anderem
Victor Arnold1)
als den "buckligen Gaukler" und Eduard von Winterstein
als den "alten Scheich". Zwei Jahre später gründete Walden mit
der "Harry Walden-Films GmbH" seine eigene Produktionsfirma
und brachte mit sich in der Hauptrolle den Streifen "Alt-Heidelberg, du
feine …" (1912; Regie:
Julius Pinschewer1))
heraus.
Harry Walden 1914 mit der Titelrolle in "Clavigo"
Foto mit freundlicher Genehmigung der Österreichischen Nationalbibliothek1)
(ÖNB)
Urheber: Atelier Madame
d'Ora1) (1881–1963); Datierung: 18.03.1914
© ÖNB/Wien, Bildarchiv (Inventarnummer
203701-D)
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Während seiner Zeit in Wien übernahm der blendend aussehende Mime bei der
"Sascha-Film"1)
neben seiner Arbeit für das Theater weiterhin Aufgaben im Stummfilm, wurde
vor allem als hochrangige Persönlichkeit besetzt und mimte Grafen, Barone
oder Fürstensöhne. So stellte er in
Fritz Freislers1) lange als
verschollen geltenden vorexpressionistischen Drama "Der Mandarin"4) (1918)
den wahnsinnig gewordenen Freiherrn von Stroom dar, der in der
Irrenanstalt sitzt; "Burgtheater"-Kollege Carl Goetz1)
mimte den Anstaltsleiter bzw. den Mandarin.
Der Mime konnte aber auch im Lustspiel überzeugen, wie etwa in der von
Fritz Freisler in Szene gesetzten heiteren Geschichte "Der Umweg
zur Ehe" (1919) mit Walden als reichem Grafen Wildau, der eine
Amerikanerin (Leonie Ley) heiraten will. So schrieb "Die Theater
und Kino Woche" (1919, Nr. 4, S. 25/26) damals: "Wien
sieht seine Theaterlieblinge auch gern im Film. Und was wichtig ist, um
diese Tatsache nicht in das leere Gebiet der Hypothese zu verweisen –
diese zeigen sich auch gerne im Film. So ist nun Harry Walden, der
bewunderte und umschwärmte (natürlich von Frauen umschwärmte)
Burgschauspieler, der einzigartige Roué, Baron, Verführer usw. des
Burgtheaters in die erste Reihe der Filmstars gerückt, wozu er durch seine
Souveränität auf gesellschaftlichem Gebiete unbedingt bestimmt erscheint.
In zwei Schauspielen, dem "Mandarin" und "Am
Tor des
Lebens"1), hat er sich beim Wiener
Kinopublikum eingeführt. Diese Filmdramen wurden von der bei und schon
bewährten "Sascha-Filmindustrie-A.-G." hergestellt, eine
Gesellschaft, die Harry Walden zu einer ganzen Reihe von Filmen
verpflichtet hat. Nun folgt auf die beiden erwähnten Leistungen des
Burgschauspielers eine neue, die heiterer Natur ist und uns den Künstler
schon in den nächsten Tagen in einem Lustspiel zeigt, nämlich in dem
Filmlustspiel "Der Umweg zur Ehe". Die Idee zu diesem Stück
stammt von dem feinsinnigen Novellisten und Essayisten Friedr. Porges1)
einem bekannten Wiener Schriftsteller. In der heiteren Handlung wird uns der
Liebhaber Walden in allerlei abseits liegenden Situationen gezeigt, die
endlich doch zur Ehe führen. Das Lustspiel wurde von Fritz Freisler
phantasievoll inszeniert. Neben Walden ist aber in diesem Lustspiel noch ein
anderer Burgschauspieler zu nennen, nämlich Ernst Arndt,
der warmherzige Charakterkomiker, welcher die große Gemeinde der ihm
freundlich Gesinnten, die er im Theater besitzt, sicher auch im Kino
erwerben wird." → virtual-history.com
Harry Walden spielte danach unter anderem eine Doppelrolle in Conrad Wienes
Melodram "Zwei Welten" (1919,
zeigte sich in Michael Kertész' (= Michael Curtiz) Streifen "Die Dame mit dem schwarzen Handschuh"1) (1919)
als Partner von Kertész-Ehefrau Lucy Doraine.
Ob Walden zuletzt in Jaap
Speyers1) ersten Teil des Streifens "Gefolterte
Herzen" (1920) mitspielte ist nicht esichert, in
einigen Quellen steht der Name "Hans Walden" auf der
Besetzungsliste.
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Harry Walden, der zuletzt als Direktor und Oberspielleiter an der Wiener
"Renaissance-Bühne"1)
tätig war, schied am 4. Juni 1921 mit nur 45 Jahren in
Berlin durch Freitod aus dem Leben; Grund hierfür war vermutlich seine
starke Morphium-Sucht. Die letzte Ruhe fand der heute weitgehend vergessene
Künstler auf dem Berliner "Luisenfriedhof II"1)
in einem ihm ehrenhalber gewidmeten Grab (C–22–16/17). Die Grabplatte
trägt die Inschrift: ""Das Geheimnis der Liebe ist grösser, als
das Geheimnis des Todes! Unseren unvergesslichen Harry Walden in ewigem
Gedenken A.H., I.S., K.H., E.W." Wer sich hinter den Kürzeln verbirgt
ließ sich nicht ermitteln, bei "E.W." könnte es sich um Else Wohlgemuth1)
handeln, die mit Walden am "Burgtheater" auftrat → Foto
der Grabstelle bei knerger.de
sowie Wikimedia Comons.
Harry Walden 1916
Foto mit freundlicher Genehmigung der Österreichischen Nationalbibliothek1)
(ÖNB)
Urheber: Atelier Madame
d'Ora1) (1881–1963)
© ÖNB/Wien, Bildarchiv (Inventarnummer Pf 708 : D (2))
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In dem Artikel "Trauriger Bonvivant von der Sirk-Ecke"
der "Wiener Zeitung"1) wird unter anderem ausgeführt, dass "Walden mit Frieda Wagen eine
der schillerndsten Figuren des Berliner Theaterlebens geheiratet" habe.
"1896 trat sie für einige Jahre von der Bühne ab und eröffnete ein
Luxus-Wäschegeschäft, nach dessen Konkurs sie 1901 an der Wiener
"Josefstadt" ihre Karriere fortsetzte. In die Verbindung mit
Walden brachte die aus verarmtem österreichischem Adel stammende Frau einen
geistig behinderten Sohn aus ihrer ersten Ehe ein." (
) Während einer Gastspielreise nach Berlin
nahm er sich in auswegloser finanzieller Situation zusammen mit seiner Familie durch eine Überdosis Morphium und das Öffnen
der Pulsadern am 4. Juni 1921 das Leben. In Wien und Berlin überschlug man sich in Spekulationen über den
gemeinschaftlichen Suizid, und viele Zeitungen übernahmen unter der Überschrift
"Eine Künstlertragödie" zwei Tage später die Agenturmeldung über die Geschehnisse:
""Der Wiener Schauspieler Harry Walden, der in letzter Zeit in Berlin gastierte, wurde am Samstag
mittag mit seiner Frau und ihrem Sohn aus erster Ehe mit durchschnittener Pulsader in seiner Wohnung aufgefunden. Harry Walden
und sein Stiefsohn sind im Laufe der Nachmittagsstunden gestorben. Der Zustand seiner Frau ist gleichfalls noch sehr ernst.
Als Grund für die Tat wird von den Freunden des Künstlers angegeben, daß dieser seit langem an seelischen Depressionen
gelitten habe und wie auch seine Frau und sein Stiefsohn morphiumsüchtig gewesen
sei." Bei der Beerdigung Waldens in Berlin, zu der sich alles einfand, was im Theaterleben der Stadt Rang
und Namen hatte, war der Ansturm seiner Verehrerinnen so groß, dass die Polizei den Gottesacker absperren musste."
→ wienerzeitung.at
(26.10.2018)
→ Fotos der Gräfin Frieda Wagen-Hohenthal beim Wiener
"Theatermuseum"1):
Foto 1 /
Foto 2
Harry Walden, fotografiert von
Rudolf Dührkoop1) (1848 1918)
etwa 1916
Quelle: Wikimedia
Commons;
Angaben zur Lizenz siehe hier
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*) Quelle Artikel "Trauriger Bonvivant von der Sirk-Ecke"
bei wienerzeitung.at
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Lizenz Foto Harry Walden (Urheber Unbekannt):
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