Die Schauspielerin Lydia Potechina wurde am 5. September 1883 in der russischen, damaligen Regierungsstadt Sankt Petersburg1) geboren. Etwa um 1900 besuchte sie dort die "Kaiserliche Theaterschule", wirkte anschließend viele Jahre an russischen Bühnen, unter anderem am "Solowzow-Theater" in Kiew1). Während der politischen Umruhen in ihrem Heimatland bzw. der russischen Revolutionswirren (→ Oktoberrevolution1)) floh sie 1918/19 nach Deutschland und ließ sich in Berlin nieder.
Hier fand sie, wie etliche ihrer Landsleute, etwa Regisseur Alexander Wolkoff1) oder Kollegen/Kolleginnen wie Iwan Mosjukin, Alexander Murski, Wladimir Gaidarow, Diana Karenne und Natalja Lissenko1), Beschäftigung beim Stummfilm, wurde fortan in zahlreichen Komödien, Abenteuern, Melodramen und Kriminalgeschichten mit prägnanten, meist Nebenrollen besetzt. "Lydia Potechina gehört zu den interessanten Erscheinungen des deutschen Stummfilms. Sie war keiner der jungen Backfische, die sich in großer Zahl auf der Leinwand tummelten, sondern begründete ihr schauspielerisches Dasein mit einer eindrücklichen Ausdruckskraft." notiert cyranos.ch.
Aufgrund ihrer gedrungenen, etwas bieder wirkenden Erscheinung mimte sie überwiegend Mütter, Schwiegermütter, Tanten oder Ehefrauen. Große Charakterrollen blieben ihr versagt, "ich kann es sicher – nicht immer nur harmlosen Ulk, immer dasselbe in jedem zweiten Film. Ich hoffe, daß dieses Glück eines Tages doch noch an mich herantreten wird." meinte sie einmal.*)
  
Nur wenige Male konnte Lydia Potechina, wenn auch mit kleinen Parts, in ambitionierten, heute als Klassiker jener Ära geltenden Produktionen ihr schauspielerisches Potential unter Beweis stellen, etwa als Wirtin in Fritz Langs1) Meisterwerk "Der müde Tod"1) (1921), der sie auch als Russin in dem nach der Romanvorlage von Norbert Jacques1) gedrehten Zweiteiler "Dr. Mabuse, der Spieler"1) (1922) an der Seite des von Rudolf Klein-Rogge dargestellten Superverbrechers Dr. Mabuse1) besetzte. Aus der Vielzahl der eher belanglosen Unterhaltungsstreifen ist auch Arthur Robisons1) Verfilmung "Manon Lescaut"1) (1926) nach dem Roman "Histoire de Manon Lescaut et du Chevalier des Grieux"1) von Antoine-François Prévost1) hervorzuheben, wo sie neben Lya de Putti (Manon Lescaut) und Wladimir Gaidarow (Chevalier des Grieux) als Susanne in Erscheinung trat. Als Mutter von Lilli (Lee Parry) bzw. Ehefrau des Emporkömmling und Inflationsgewinnlers Emil Raffke (Werner Krauß) überzeugte sie in Richard Eichbergs1) grotesk überzeichnetem Sittenbild "Fräulein Raffke"1) (1923). Die Russin arbeitete mit Regisseur Ewald André Dupont1), einem weiteren Meister der Stummfilm-Szene, bei dem nach dem Roman von Clara Ratzka1) realisierten Drama "Die grüne Manuela"1) (1923) mit dem Untertitel "Ein Film aus dem Süden" zusammen und mimte die Kneipen-Besitzerin Leocadia Barboza, in Arthur Robisons Abenteuer "Pietro der Korsar"1) (1925) nach dem Roman "Pietro der Korsar und die Jüdin Cheirinca" von Wilhelm Hegeler1) tauchte sie neben Paul Richter (Pietro) und Aud Egede-Nissen (Juana) als Marcella auf. Nach dem Roman von Olga Wohlbrück1) entstand der von Friedrich Zelnik mit Asta Nielsen in der Hauptrolle gedrehte Streifen "Athleten"2) (1925), hier zeigte sich Lydia Potechina als Ehefrau des Händlers Jasomirgott Stumper (Hans Sternberg1)), deren Tochter (Evi Eva) inzwischen mit dem Grafen Sternfeld (Hans Albers) verheiratet ist.
Eine schöne, ganz für sie passende Rolle war die der Frau Gyurkovics in der Literaturadaption "Die sieben Töchter der Frau Gyurkovics"1) (1927) nach dem Roman "Die sieben Fräulein von Gyurkovich" von Ferenc Herczeg1), in dem von Hans Kyser1) mit großem Star-Aufgebot bzw. mit Eugen Klöpfer als Reformator Martin Luther1) gedrehten Stummfilm "Luther – Ein Film der deutschen Reformation"1) (1928) gehörte auch Lydia Potechina, wenn auch nur mit einem winzigen Part zur Besetzung. Letzte kleine Aufgaben im Stummfilm fand sie unter anderem in dem mit ihrem Landsmann Iwan Mosschuchin nach der Novelle "Hadschi Murat"1) von Leo Tolstoi1) inszenierten Abenteuer "Der weiße Teufel"1) (1930) und in dem von (Regie) und mit Harry Piel als "Ein Abenteuer in den Straßen der Großstadt" bezeichneten Streifen "Achtung! Auto-Diebe!"1) (1930) → Übersicht Stummfilme.
Mit Beginn der Tonfilm-Ära neigte sich Potenchinas Leinwandkarriere dem Ende zu, nur noch in drei Produktionen wurde sie besetzt: So hatte sie eine ungenannte Rolle in der mit Hans Albers gedrehten, musikalischen Komödie "Bomben auf Monte Carlo"1) (1931), war die falsche Großfürstin in der  Operetten-Verfilmung "Der Orlow"1) (1932) mit Liane Haid und Iván Petrovich. Einen letzten kleinen, ebenfalls ungenannten Auftritt hatte sie in der heiteren Romanze "Ich bei Tag und Du bei Nacht"1) (1932) mit Käthe von Nagy und Willy Fritsch.
 
Kurz nach der so genannten "Machtergreifung"1) der Nationalsozialisten verließ Lydia Potechina ihre Wohnung in Berlin-Wilmersdorf1) und kehrte in ihre Heimat Russland zurück. Sie lebte die nachfolgende kurze Zeit in Moskau1), wo sie am 7. April 1934 mit nur 50 Jahren starb. So vermerkt es Kay Weniger1) in seiner Veröffentlichung**) → siehe auch findagrave.com. Wikipedia hingegen (Stand 08.2023) notiert, Potechina sei am 30. April 1934 in Berlin verstorben und auf dem "Russischen Friedhof"1) in Berlin-Tegel1) beigesetzt worden. 
Die Schauspielerin war mit dem aus Russland stammenden UFA-Produzenten Max Pfeiffer1) (1881 – 1947) verheiratet, der ebenfalls infolge der "Oktoberrevolution" mit ihr nach Deutschland emigrierte. Gemeinsam mit seiner Ehefrau gründete er das deutsch-russische Kabarett "Der blaue Sarafan" ("Goluboj Sarafan".
Quellen (unter anderem*)): Wikipedia, cyranos.ch sowie
Kay Weniger: Es wird im Leben dir mehr genommen als gegeben …**)
Fotos bei virtual-history.com, filmstarpostcards.blogspot.com
*) Lydia Potechina. In: Dr. Hermann Treuner (Hrsg.): Filmkünstler – Wir über uns selbst (Sybillen Verlag, Berlin, 1928)
**) Kay Weniger: Es wird im Leben dir mehr genommen als gegeben … Lexikon der aus Deutschland und Österreich emigrierten Filmschaffenden 1933 bis 1945. Eine Gesamtübersicht. (ACABUS Verlag, Hamburg 2011, S. 398)
Fremde Links: 1) Wikipedia, 2) filmportal.de
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Filmografie bei der Internet Movie Database sowie filmportal.de
(Fremde Links: Wikipedia, filmportal.de, Murnau Stiftung;: R = Regie)
Stummfilme Tonfilme
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