Jan Kiepura wurde am 16. Mai 1902 im ehemals zum russische
Kaiserreich, später zu Polen gehörenden Sosnowiec1)
als Sohn des katholischen Bäckermeisters Franciszek Kiepura und dessen
jüdischen Frau Miriam geboren. Er wuchs in einfachen Verhältnissen auf,
besuchte die Schule in seiner Geburtsstadt und erhielt am Gymnasium erste
Gesangsstunden von seinem Musiklehrer. Nach dem Abitur und einem begonnenen
Jura-Studium in Warschau bekam Kiepura die Chance, dem Opernsänger Wacław Brzeziński
(1878 – 1955), renommiertes Mitglied der Warschauer Oper,
vorzusingen, der das stimmliche Potential erkannte und den jungen Mann zu
einer Gesangsausbildung ermutigte. Bis 1922 absolvierte Kiepura gegen
den Willen seiner Eltern eine Ausbildung bei dem Tenor Tadeusz Leliwa
(1875 – 1929), debütierte dann 1924 im heute
ukrainischen
Lemberg (heute Lwiw) mit der Titelrolle in der Oper "Faust"1)
von Charles Gounod1);
anschließend sang er kleinere Rollen unter anderem in Posen.
1925 gewann Kiepura einen Gesangswettbewerb, erhielt den Titel
"König der polnischen Tenöre" sowie ein erstes Engagement an der
Warschauer Oper und wurde rasch überaus populär. In Warschau war er dann
unter anderem mit tragenden bzw. Titelpartien in Mascagnis "Cavalleria
rusticana"1) und Verdis "Rigoletto"1)
zu hören.
1926 ging Kiepura nach Wien, debütierte am 21. September an der
"Wiener Staatsoper"1)
als Cavaradossi an der Seite der österreichischen Operndiva Maria Jeritza
(1887 – 1982) in "Tosca"1),
glänzte wenig später am 15. Oktober auch als Prinz Kalaf in der
Puccini-Oper "Turandot"1),
die nach der Uraufführung an der "Mailänder
Scala"1) erstmals in Wien gezeigt
wurde.
Jan Kiepura, Autogrammkarte mit seiner Unterschrift aus
dem Jahre 1933
Urheber: Wanda von Debschitz-Kunowski*)
(1870 – 1935); Ross-Karte Nr. 7689/2
Quelle: Wikipedia
bzw. Wikimedia Commons;
Angaben zur Lizenz siehe hier
*) Link: Wikipedia
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Eine internationale Starkarriere begann für den Sänger, zu seinen Triumphen
zählte auch ab 7. Oktober 1927 die männliche Hauptrolle in der Oper
"Das Wunder der Heliane"1)
von Erich Wolfgang Korngold1) mit Lotte Lehmann
(1888 – 1976) als Partnerin. Ab 1927 unternahm Kiepura eine
ausgedehnte Europa-Tournee, die ihn unter anderem nach London, Mailand und
Paris führte; 1930/31 folgten Gastspiele in Südamerika – unter
anderem am "Teatro Colón"1)
in Buenos Aires; im Mai 1932 wurde er als Mitglied der "Wiener
Staatsoper" zum "Kammersänger" ernannt.
Ab 1930 startete der blendend aussehende Kiepura seine große
Filmkarriere in Deutschland, war erstmals als Fremdenführer Giovanni Cavalloni
neben Brigitte Helm
in dem von Carmine Gallone1)
in Szene gesetzten Streifen "Die
singende Stadt"2) auf der Leinwand
zu sehen und zu hören, wurde von dem Publikum begeistert als der "neue
Caruso" gefeiert; wie zu Zeiten des frühen Tonfilms üblich (→ Versionenfilme1)),
entstand zudem eine englischsprachige Fassung mit dem Titel "City of
Song" (1931). Rund ein Dutzend Produktionen folgten bis 1937,
zumeist für die Filmgesellschaft "Cine-Allianz"1),
in denen Kiepura auch in den französischen und englischen Versionen stets die
Hauptrolle übernahm. Nach der von Anatole Litvak1)
gedrehten Geschichte "Das
Lied einer Nacht"1) (1932) mit
Magda Schneider
sowie dem Liebesfilm "Ein
Lied für Dich"1) (1933; Regie: Joe May1))
mit Jenny Jugo
arbeitete er mit Regisseur Karel Lamač1)
zusammen, unvergessen bleibt sein Lied "Ob blond, ob braun, ich liebe alle
Frau'n" in dem Ufa-Streifen "Ich liebe alle
Frauen"2) (1935, Musik: Robert Stolz1)).
Nach Kriegsende setzte Kiepura seine Filmkarriere in italienischen und
französischen Filmproduktionen fort, insgesamt stand Kiepura für 19,
überwiegend Ufa-Filme vor der Kamera. Zu seinen Nachkriegsproduktionen
zählen "Addio Mimí!" (1947, Ihre wunderbare Lüge), "Valse
brillante" (1949, Walzer der Liebe) sowie 1952 Hans Deppes
farbenprächtige Filmversion der Léhar-Operette "Das Land des Lächelns"1),
wo er als Sou Bawana Pantschur, Prinz von Javora, noch einmal an
der Seite seiner Frau Márta Eggerth brillierte → Übersicht Filmografie.
Am 10. Februar 1938 stand Kiepura als Rodolphe in Puccinis
"La Bohčme" erstmals an der New Yorker "Metropolitan Opera"1)
auf der Bühne und wurde frenetisch gefeiert, trat in den nächsten Jahren
regelmäßig an der "Met" auf. Noch hatten Kiepura und Eggerth ihre
Wohnsitze im polnischen Wintersportort Krynica-Zdrój dort besaßen sie das Hotel
"Patria" sowie in Paris. "Den "Anschluss" Österreichs an Deutschland im März verfolgten sie von den USA aus. Erst Mitte 1938 kehrten sie nach Europa zurück, um in Frankreich und Italien Bühnenverpflichtungen nachzukommen, die infolge der verschärften politischen Situation oft nicht mehr zustande kamen bzw. nicht zu Ende geführt werden konnten. Nachdem sich Kiepura mehrfach in den Dienst der polnischen Propaganda gegen Nazi-Deutschland gestellt hatte, wurden alle Filme von Kiepura/Eggerth ab Mitte 1938 in Deutschland verboten. Während der Dreharbeiten an einer Verfilmung des Romans
"Manon"1) mit der Musik von
Jules Massenet1) wurden sie vom Kriegsbeginn am 1. September 1939 überrascht
und flohen über Südfrankreich in die USA."3)
Zwischen 1943 und 1946 hatte der Tenor in
New York Riesenerfolge mit eigenen Operettenproduktionen – so
beispielsweise 1943 mit einer Aufführung von Léhars "Die lustige
Witwe"1). Das Jahr 1943 markierte den Beginn von Kiepuras
"dritten Karriere" als triumphaler Operettentenor an der Seite
seiner Frau. Gemeinsam traten sie über
2.000 Mal in Franz Lehars "Lustiger Witwe" auf. Zuerst am Broadway in
einer spektakulären Inszenierung von George Balanchine1), mit der sie auch landesweit auf
Tournee gingen, auf Englisch, Französisch, Italienisch und sogar auf Polnisch in Chicago.4)
1953 nahm Kiepura die amerikanischer Staatsbürgerschaft an,
1958 kehrte er zu umjubelten Tourneen nach Polen zurück. Sein Leben gab
den Stoff her für etliche polnische Filme und Theaterstücke.
Nach Ende des 2. Weltkrieges bereiste das Ehepaar Kiepura/Eggerth ganz
Deutschland und feierte dann in den nächsten Jahren vor allem mit
Lehar-Operetten Triumphe, unter anderem in Wien in "Der
Zarewitsch"1) und in London einmal mehr in "Die lustige Witwe". Im Jahre 1955 widmeten sich beide verstärkt
Fernsehverpflichtungen in den USA, seit 1959 lebten sie in New York. Von der
polnischen Regierung eingeladen, gab Kiepura nach 19-jähriger Abwesenheit im
September 1957 fünfzehn Konzerte in seinem ehemaligen Heimatland, 1959 spielten
Kiepura und seine Frau in der als "deutsch-polnischen
Gemeinschaftsaufführung" deklarierten Inszenierung der "Lustigen
Witwe" in Chicago und zwar ein Mal in deutscher und zwei Mal in polnischer
Sprache.
Márta Egerth und Jan Kiepura Mitte 1954
Foto mit freundlicher Genehmigung der Österreichischen
Nationalbibliothek1) (ÖNB)
Urheber/Autor: United States Information Service (USIS)1)
© United States Information Service (USIS) / ÖNB Wien
Datierung: 16.10.1954
Bildarchiv Austria (Inventarnummer US 12.501/1) |
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Jan Kiepura, der zu den großen Startenören des 20. Jahrhunderts
zählt, erlag am 15. August 1966 in Harrison (New York) mit
64 Jahren den Folgen eines Herzinfarktes und wurde in einer Ehrenhalle
des Warschauer Friedhofs beigesetzt. Der 2007 verstorbene italienische
Startenor Luciano Pavarotti
sagte einmal 1995: "Ich habe viel von Jan Kiepura
gelernt. Ich habe alles beobachtet, was er in seinen Filmen gemacht
hat." – Eine ganze Generation tat dasselbe.
Aus der Verbindung mit Márta Eggerth stammen der 1944 geborene Sohn
Jan Kiepura jun., der ebenfalls als Sänger erfolgreich wurde. Der
1950 in Paris geborene Sohn Marjan Kiepura machte sich als
Konzertpianist einen Namen, leitet darüber hinaus gemeinsam mit seiner Frau
Jane Knox-Kiepura die Plattenfirma "Patria Productions".
Márta Eggerth überlebte ihren Mann um mehr als 45 Jahre, sie starb am 26. Dezember 2013
im hohen Alter von 101 Jahren in Rye1)
(New York); die letzte Ruhe fand sie an der Seite ihres Mannes.
Grabstätte von Jan Kiepura und Márta Eggerth
auf dem Powązki-Friedhof1) in Warschau;
→ siehe auch knerger.de
Quelle: Wikimedia Commons
Urheber: Mariusz Kubik (www.mariuszkubik.pl)
Lizenz: CC-BY-SA
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Jan Kiepura war neben Richard Tauber
(1891 – 1941) und Joseph Schmidt
(1904 – 1942) nicht nur einer der populärsten Tenöre der
1930er Jahre, er gehörte auch zu den erfolgreichsten singenden
Schauspielern des europäischen Films seiner Generation. Er war der Liebling der Götter,
trotz seines schwierigen Lebens mit Widerstand und Emigration. Der
strahlende Tenor wurde zum Inbegriff des strahlenden Kino-Helden, der auf
der Leinwand und im richtigen Leben gern auf Terrassen trat und seine
unwiderstehlich-gutgelaunten Botschaften von Lebenslust und Liebesglück
verkündete.5)
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