Es erscheint schon ein wenig paradox, dass sich ein Opernsänger
mehrere Jahre lang intensiv im Stummfilm engagierte. Für den am
3. April 1886 in Kopenhagen1) (Dänemark) geborenen Tenor bzw.
Bariton Paul Hansen (auch Poul Hansen) war dies jedoch offensichtlich kein Widerspruch,
zwischen 1917 und 1924 tauchte er in etlichen in Deutschland gedrehten
Produktionen auf.
Hansen, ursprünglich als Ziseleur (für Kupfer) ausgebildet, studierte
in Kopenhagen Gesang bei dem Königlichen Kammersänger und Bariton Albert Høeberg (1879 1949) sowie dem Tenor Hermann Spiro, dem nach Kopenhagen
ausgewanderten Bruder des deutsch-amerikanischen Malers und Grafikers Eugene Spiro1).
Er begann seine Karriere als Tenor
an der Kopenhagener "Königlichen Oper"1) und debütierte 1908
mit der Figur des Sverkel in der romantischen Oper "Liden
Kirsten" ("Klein Kirsten") seines
Landsmanns Johan
Peter Emilius Hartmann1) (1805 1900). Nach fünf Jahren kehrte
Hansen Kopenhagen den
Rücken und ging 1913 an das ein Jahr zuvor in der damals noch
eigenständigen Stadt Charlottenburg (heute: Berlin-Charlottenburg1))
neu gegründete "Deutsche Opernhaus" (heute: "Deutsche
Oper Berlin"1)). In Berlin vertiefte er zugleich seine gesanglichen
Studien unter anderem bei zwei berühmten Sopranistinnen, der
legendären Lilli Lehmann und der
Wiener Kammersängerin Luise Reuss-Belce1).
Foto: Paul Hansen vor 1930 auf einer Fotografie
von Nicola Perscheid1) (1864 1930)
Quelle: Wikimedia Commons;
Angaben zur Lizenz (gemeinfrei) siehe
hier
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1919 wechselte Hansen ins Baritonfach, trat seit 1921 aber auch wieder
als Tenor in Erscheinung, nun jedoch überwiegend in Operetten. Im Laufe seiner Karriere brillierte Hansen mit vielen
großen Rollen, sein Repertoire war breit gefächert umfasste mehr als 150 Partien. Als
junger Heldentenor
feierte er Triumphe mit den klassischen Wagner1)-Interpretationen, etwa dem "Lohengrin"1),
"Tannhäuser"1),
"Parsifal"1)
und dem Ritter Walther von Stolzing in "Die
Meistersinger"1), auch als Don José in
"Carmen"1)
von Georges Bizet1) oder als Jäger Konrad in der romantischen Oper "Hans
Heiling"1) von Heinrich Marschner1) konnte er Erfolge verbuchen. Als Bariton gestaltete er unter anderem die Titelfigur in
"Rigoletto"1)
von Giuseppe Verdi1).
1917 wurde Hansen von Regisseur Karl Otto Krause1) bzw. der Berliner "Deutsche Lichtspiel-Opern Gesellschaft"
(DELOG-Film) engagiert, die für ihre innovativen Singfilme nach dem "Beck'schen
Patent" bekannt wurde. Es handelte sich dabei um eine
Stummfilm-Livemusik-Kombination: Die Sänger und Sängerinnen sowie ihre
Begleitung (Klavier oder Orchester) agierten live im Kino; eine konvex
eingespiegelte Aufnahme des Dirigenten am unteren Bildrand sorgte für
die Synchronisation von Bild und Musik; gelegentlich erschien auch ein
Metronom1) auf dem Film.2).
Paul Hansen als "Parsifal", fotografiert von Wilhelm Willinger1) (1879 1943)
Quelle: cyranos.ch;
Angaben zur Lizenz (gemeinfrei)
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Sein Leinwanddebüt gab der Sänger mit dem Part des jungen Bauern Turiddu in der
kurzen Filmversion "Cavalleria Rusticana" (1917) nach der gleichnamigen
Oper1) von Pietro
Mascagni1) (Musik), ein Jahr später folgte
"Der Freischütz" (1918) nach der gleichnamigen
Oper1) von Carl Maria von Weber1), wo er neben Sopranistin Meta Seinemeyer1) (Agathe)
als Jägerbursche Max auftrat; in beiden Streifen wurde der Dirigent Georg Enders
(1898 1954) in das Bild einkopiert.
Hansens nachfolgende Arbeiten vor der Kamera hatten mit seinem eigentlichen
Metier eher weniger zu tun, er zeigte sich nun in einer Reihe von stummen
Abenteuern, Melodramen und Komödien. Von Fritz Bernhardt3) wurde er in der Geschichte um
das Meissner Porzellan1) "Weißes Gold" (1918) als Alchimist Johann
Friedrich Böttger1) besetzt, der als Erfinder des europäischen Porzellans gilt.
In der von Georg Jacoby1)
in Szene gesetzten Tragödie "Kreuzigt sie!"1) (1919)
mimte er den Konzertpianisten Pieter von der Straaten, der die
unglücklich verheiratete Maria (Pola Negri) verführt, war
unter der Regie von Georg Victor Mendel1) auch in der
rührseligen Verfilmung "Reichsgräfin Gisela" (1919)
nach dem gleichnamigen
Roman1) der damaligen Bestseller-Autorin E. Marlitt1) zu sehen.
Paul Hansen als Jägerrbursche Max in "Der Freischütz",
fotografiert von Wilhelm Willinger1) (1879 1943)
Angaben zur Lizenz (gemeinfrei)
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In der von Joe
May1) produzierten (auch Regie Teile 2/3/8) achtteiligen Sensations- und Abenteuerreihe "Die Herrin der Welt"1) (1920)
mit May-Ehefrau Mia May
in der Titelrolle der Maud sowie unter anderem Sängerkollege
Michael Bohnen (Konsul Madsen) wirkte er in drei Episoden als Ingenieur Allan Stanley
mit, der sich zusammen mit der von ihm geretteten Maud und dem Ophirschatz
ein sorgenfreies neues Leben erhofft. "In diesem Film steckt
unbestreitbar eine gewisse Größe, die einmal in der starken und gut
entwickelten Handlung, zum andern (und vor allem) in der hervorragenden
Regie und dem Aufgebot umfassender technischer, dekorativer und menschlicher
Behelfe begründet liegt. Mia May, Bohnen und Paul Hansen (Stanley) tragen
die Handlung zur Höhe." notierte damals der "Berliner
Börsen-Courier"1) (Nr. 17, 11.01.1920). Auch in einem weiteren
mehrteiligen Abenteuer, Karl Gerhardts1)
"Die Jagd nach dem Tode"1) (1920/21),
zeigte sich Paul Hansen
neben den Protagonisten Lil Dagover und
Nils Chrisander
mit einer prägnanten Rolle, mimte den als Sekretär Bobby Jones, der schließlich mit der ehemaligen Geliebten (Renée Pélar)
des hinterhältigen Rawlinson (Robert Scholz) sein Glück findet.
An der Seite von Joe May-Tochter Eva May tauchte Hansen in dessen
heiteren Geschichte "Junge Mama"4) (1921) mit dem Untertitel "5 lustige Akte"
auf und bildete gemeinsam mit Harry Bender die
Detektei "Lux & Co.". Als Kapitän Flederwisch
gehörte er in drei der heute als verschollen
geltenden, insgesamt 25 "Nobody"-Kurzfilmen1)
zur Besetzung, gedreht von Josef Stein1) nach dem Fortsetzungsroman "Detektiv Nobody's
Erlebnisse und Reiseabenteuer. Nach seinen Tagebüchern bearbeitet" des
deutschen Kolportageschriftstellers Robert Kraft1) mit dem Artisten Sylvester Schäffer jun.1) (1885 1949) als
"Nobody" nach dem Kolportageroman "Detektiv Nobody's Erlebnisse und
Reiseabenteuer. Nach seinen Tagebüchern bearbeitet" von Robert Kraft1).
Mit "Tiefland"4) (1922) entstand
von Regisseur Adolf Edgar Licho1) ein Stummfilm, in dem Hansen
nach fünf Jahren wieder einmal in einer Opernverfilmung auftrat. Er
verkörperte in diesem Drama nach dem Bühnenstück "Terra
baixa" von Àngel Guimerà1) bzw.
dem Libretto von Rudolph Lothar1)
zu der Oper "Tiefland"1)
von Eugen d'Albert1) den im Dienste des reichen,
gewalttätigen Gutsbesitzers Sebastiano (Michael Bohnen) stehenden Hirten
Pedro; Sebastianos schöne Geliebte Marta, die schließlich ihr Glück mit
Pedro findet, wurde von Lil Dagover dargestellt.
Hans Steinhoffs1) lange verschollen geglaubtes Ehedrama "Inge Larsen"1) (1923)
mit Henny Porten als Titelheldin konnte
vom "Filmarchiv
des Bundesarchivs"1) und der
"University
of the West of England"1) in Bristol1)
sowie teilweiser Unterstützung des "UK Arts and Humanities Research
Board" aufwändig restauriert und am 11. September 2007 dem interessierten Publikum vorgestellt werden:
Die einfache Fischerstochter
Inge Larsen verliebt sich in den Baron Kerr (Paul Otto), der während eines
Sturms im Hause ihrer Eltern Zuflucht gesucht hat. Sie verlässt das
Elternhaus und ihren Verlobten Jan Olsen (Paul Hansen), heiratet den Baron
und wird nun mit einer für sie unbekannten Welt konfrontiert. Kerr erkennt,
dass seine Frau für die "feine Gesellschaft" nicht gemacht ist
und betrügt sie. Nach der Scheidung kehrt Inge Larsen in die Arme ihres
alten Jugendfreundes Jan Olsen zurück.
In weiteren Rollen sah man unter anderem Ressel Orla als Kerrs intrigante
Geliebte Evelyne und Hans Albers als gelangweilten Attaché. Auch in seinem letzten Stummfilm, Georg Wilhelm
Pabsts1) Melodram "Gräfin Donelli"1) (1924)
stand Hansen mit Henny Porten vor der Kamera, verabschiedete sich mit
der Rolle des Grafen Donelli, der den Freitod wählt, als Filmschauspieler
von seinem Publikum → Übersicht Filmografie.
Zwischen 1925 und 1930 war Hansen am "Reußischen
Theater"1) in Gera1) (Thüringen)
tätig, wo er als Spielleiter und Stellvertreter des Intendanten Walter Bruno Iltz1) fungierte,
als Sänger trat er nur noch gelegentlich in
Erscheinung. "Von 1930 bis 1932 wirkte Paul Hansen als
Direktionsstellvertreter, Regisseur und Schauspieler am "Theater der Stadt Münster"1)
unter der Intendanz Alfred
Bernaus1), ehe er anschließend auf
Gastspielreise ging. Die "Machtergreifung"1)
durch die Nationalsozialisten ließ Hansen Deutschland den Rücken zukehren,
und der Däne kehrte in seine Heimat, nach Kopenhagen, zurück. Hier
beendete er weitgehend seine Bühnenlaufbahn und begann als Musikpädagoge
zu arbeiten, einen Beruf, den er später in Helsinki1)
fortführte. Die finnische Hauptstadt wurde Hansens letzte
Lebensstation." notiert Wikipedia.
Der vor allem als Sänger gefeierte Paul Hansen starb am 11. November 1967 im Alter von 81 Jahren
in Helsinki.
Verheiratet war der heute weitgehend vergessene Künstler mit der um 1885
geborenen Altistin bzw. Mezzo-Sopranistin Emma Vilmar-Hansen, die in Hansens ersten filmischen Arbeit
"Cavalleria Rusticana" (1917) noch vor der Eheschließung als Emma Vilmar obwohl rund sechs Jahre
jünger als Hansen die Rolle von
Turiddus und somit Hansens Mutter Lucia übernommen hatte.
Paul Hansen in der Rolle des Ritters Walther von Stolzing in der
Wagner-Oper "Die
Meistersinger von Nürnberg"1),
fotografiert von Nicola Perscheid1) (1864 1930)
Quelle: Wikimedia Commons;
Angaben zur Lizenz (gemeinfrei) siehe
hier
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Stummfilme
Filmografie bei der Internet Movie Database,
filmportal.de
sowie
frühe Stummfilme bei "The
German Early Cinema Database"
(Fremde Links: Wikipedia, filmportal.de, Murnau Stiftung,
cyranos.ch; R
= Regie)
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- 1917/18: Produktionen der "Jakob Beck-Film KG", Berlin
- 1918: Weißes Gold (über die Erfindung des Meissner
Porzellans;
R: Fritz
Bernhardt, Georg Victor Mendel;
als Johann
Friedrich Böttger: Julius Roether als Sachsenkönig
August der Starke)
→ Early Cinema Database,
IMDb
- 1919: Kreuzigt sie!
(R: Georg
Jacoby; mit Pola
Negri in der weiblichen Hauptrolle; als Pianist Pieter van der
Straaten;
Harry
Liedtke als Graf Wengerade) → Murnau Stiftung
- 1919: Das Millionenmädel
(R:Alfred
Halm; mit Ossi
Oswalda; als Mauritius Natter, ein Musiker)
- 1919: Reichsgräfin Gisela (nach dem gleichnamigen
Roman von E.
Marlitt; R: Georg Victor Mendel;
als ?) → IMDb
- 1919: Wenn ein Mädchen hübsch ist
(nach der Vorlage von Bertha
Behrens alias Wilhelmine Heimburg; R: Erich Joseph;
mit Edith
Meller; als Moritz, Sohn von Frau Baldauf (Ilse
Wilke), Bruder von Karl (Fred
Immler))
- 1920: Die Herrin der Welt
(8 Teile; R: Joe
May (Teile 2/3/8); mit dessen Ehefrau Mia
May in der Titelrolle;
sowie R: Josef
Klein (Teile 1/4), Uwe
Jens Krafft: (Teile 4/5/6), Karl
Gerhardt: (Teil 7); als Ingenieur Allan Stanley/
Wenzel Brzezina) → filmhistoriker.de)
- 1920: Zigeunerblut
(u. a. nach der Oper "Carmen" von
Georges
Bizet; R: Karl
Otto Krause; als ?) → Wikipedia (englisch)
- 1920/21: Die Jagd nach dem Tode
(R: Karl
Gerhardt; mit Nils
Chrisander und Lil
Dagover in den Hauptrollen;
als Sekretär Bobby Jones)
- 1921: Der Spielmann.
Dramatisches Film=Singspiel in 6 Akten und 1 Nachspiel (Karl
Otto Krause; als ?)
- 1921: Junge Mama. 5 lustige Akte (R: Uwe
Jens Krafft; mit Eva
May; zusammen mit Henry
Bender als Detektive
des Detektivbüros "Lux & Co.")
- 1922: "Nobody"-Filmreihe
nach dem Fortsetzungsroman "Detektiv Nobody's Erlebnisse und
Reiseabenteuer.
Nach seinen Tagebüchern bearbeitet" des deutschen
Kolportageschriftstellers Robert
Kraft
(insgesamt 25 Einakter; mit Sylvester
Schäffer junior als Detektivs Nobody; R: Josef Stein;
als Kapitän Flederwisch)
- EA: 30.01.1922: Das Geheimnis der sieben Ringe 25: Episode: Professor Lucifer → IMDb
- EA: 23.02.1922: Die Dame in Grau → IMDb
- EA: 20. 06.1922: Die Flibustier (Co-Regie: Karl Gerhardt) → IMDb
- 1922: Tanja, die Frau an der Kette (R: Friedrich
Zelnik; mit dessen Ehefrau Lya
Mara; als ?) → IMDb
- 1922: Tiefland
(nach dem Bühnenstück "Terra baixa" von Àngel
Guimerà bzw. dem Libretto von Rudolph
Lothar zu
der Oper "Tiefland"
von Eugen
d'Albert; R: Adolf
Edgar Licho; mit Michael
Bohnen als Sebastiano, ein reicher
Grundbesitzer, Lil
Dagover als Martha; als Pedro, Hirte im Dienste Sebastianos)
- 1923: Inge Larsen
(R: Hans
Steinhoff; mit Henny
Porten in der Titelrolle der Inge Larsen, später Frau von
Baron Kerr (Paul
Otto); als Inges Jugendfreund, der Fischer Jan Olsen) → stummfilmkonzerte.de,
www.dhm.de
- 1924: Gräfin Donelli
(R: Georg
Wilhelm Pabst; mit Henny Porten in der Titelrolle der Mathilde Gräfin
Donelli;
als deren Gemahl Graf Donelli, dfer den Freitod wählte) → filmportal.de
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