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Die Stummfilmdarstellerin Hilde Jennings gehört wie etliche
ihrer Kolleginnen zu den heute vergessenen Schauspielerinnen jener
Ära. Geboren wurde sie am 21. Dezember 1906 als
Elisabeth Hildegard Rogge in Bad Freienwalde1) (Mark
Brandenburg), erhielt als junges Mädchen Ballettunterricht. Ihre
Karriere begann als Tänzerin bei einer russischen Balletttruppe, mit der sie auf
Tourneen nach Italien, Spanien und Marokko ging. Nach einem
zweijährigen Aufenthalt im Ausland kehrte sie nach Deutschland
zurück und nahm ein Engagement als Tänzerin an der Berliner
"Staatsoper"1) an.
Foto: Hilde Jennings etwa um 1928
Urheber: Alexander Binder1) (1888 1929)
Quelle: Wikipedia,
Ross-Karte Nr. 3013/1 (Ausschnitt);
Angaben zur (gemeinfrei) Lizenz siehe
hier |
Eine erste Erfahrung vor der Kamera machte sie in dem von Hans Werckmeister1)
in Szene gesetzten, ganz auf Lotte Neumann zugeschnittenen stummen Streifen
"Die Brigantin von New York" (1924) und trat dort in ihrem Metier
als Tänzerin in Erscheinung. In den folgenden Jahren wurde sie in einer
Reihe von Produktionen besetzt und konnte sich nun auch als Schauspielerin
etablieren. Sie selbst ließ ihr Publikum später wissen: "Am liebsten spiele ich lustige
und sportliche Rollen. Die anregende Arbeit beim Film, die immer
Neues gibt, und die mich vor die Aufgabe stellt, immer neue Menschen zu
spielen, liebe ich am meisten beim Film. Die Mannigfaltigkeit der Ausdrucksmöglichkeiten meine ich, die der Tanz in
dieser reichen Auswahl nicht zu bieten vermag. Mein Wunsch ist, einmal eine ganz lustige und doch
packende Hauptrolle zu spielen, vielleicht in der Art von Mary Pickford."*)
Doch dieser Wunsch ging für Hilde Jennings nicht in Erfüllung, sie blieb
auf mehr oder weniger tragenden Nebenrollen beschränkt. Größte
Aufmerksamkeit erlangte sie mit der Figur der jungen Prostituierten Clarissa
in Bruno Rahns1) Drama "Dirnentragödie"1) (1927) an der Seite von Stummfilm-Legende
Asta Nielsen
und auch die
weiteren Streifen waren überwiegend melodramatischer oder kriminalistischer
Natur. So mimte sie in der deutsch-britischen Co-Produktion "Der Geisterzug"1) (1927)
die Peggy Murdock, die wie andere Reisende auf einem gottverlassenen
Grenzbahnhof festsitzt. Géza von Bolváry1)
drehte diese Geschichte nach
dem spannenden Bühnenstück "The Ghost Train" des Briten Arnold Ridley
(1896 1984). Auch das von Wilhelm Thiele1)
inszenierte Melodram "Orientexpress"1) (1927) setzte ganz auf Spannung,
hier präsentierte sich Hilde Jennings als
die junge Lisbeth, die wie die Protagonisten Lil Dagover und
Heinrich George
zu den Reisenden im "Orient-Express"1)
gehörte. Sie stand unter anderem auf der Besetzungsliste
von Richard Oswalds1)
Adaption "Die Rothausgasse"1) (1928)
nach dem Roman "Der heilige Skarabäus" von Else Jerusalem1) oder
mimte die Zofe der Gräfin Romani (Ruth Weyer) in
dem von Georg Jacoby1)
nach dem Roman "Vendetta!, or The Story Of One Forgotten" von Marie Corelli1) realisierten Krimi "Indizienbeweis" (1928). Eine ihrer wenigen
Komödien war Max Neufelds1)
Stummfilm "Das weiße Paradies"2) (1929),
wo sie als Fabrikantentöchterchen Inge neben dem attraktiven Skilehrer Kurt Bergen
(Fred Döderlein) glänzen
konnte → Übersicht Stummfilme.
Mit Beginn des Tonfilms war die Leinwandkarriere von Hilde Jennings so gut
wie beendet. Zusammen mit ihrem Ehemann, dem Regisseur und Drehbuchautor Michail Dubson1) (1899 1961), der sie
auch mit der weiblichen
Hauptrolle seinem Stummfilm "Zwei Brüder" (1929) an der
Seite von Carl Auen
und Jack Mylong-Münz betraut hatte, ging
sie 1930 in dessen sowjetische Heimat und wirkte noch in einigen russischsprachigen
Produktionen mit, zuletzt unter der Co-Regie Dubsons in dem Drama
"Bolshie krylya" (1937). Als Dubson infolge der "Stalinschen
Säuberungen"1) Ende der
1930er Jahre verhaftet wurde, musste Hilde Jennings die UdSSR1) wieder verlassen. Mit der Ausweisung
verlor sich
die Spur der Schauspielerin, ein genaues Todesdatum ist unbekannt.**) Wikimedia
notiert: "Laut Auskunft der Menschenrechtsorganisation "Memorial"1)
wurde sie am 24. Juni 1941 wegen Spionageverdachts festgenommen und auf
Beschluss der Troika1)
des NKWD1)
(Innenministerium der UdSSR) vom 8. April 1942 für schuldig befunden
und zu 5 Jahren Verbannung in Nordkasachstan1)
verurteilt. Im Juni 1942 kam sie in das Dorf Chulaktau in der Region Dshambul1)
der Kasachischen
Sozialistischen Sowjetrepublik1). Nach
ihrer Freilassung 1955 lebte sie in Prschewalsk (Karakol1))
in Kirgisistan1)."
Dort verstarb Hilde Jennings Ende der 1970er Jahre.
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Quellen (unter anderem*)):
Wikipedia,
cyranos.ch
sowie
Kay Weniger: Es wird im Leben dir mehr genommen als gegeben
**)
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*) Hilde Jennings.
In: Dr. Hermann Treuner (Hrsg.): Filmkünstler Wir über uns
selbst (Sybillen Verlag, Berlin, 1928)
**) Kay Weniger: Es wird im Leben dir mehr genommen
als gegeben
Lexikon der aus Deutschland und Österreich emigrierten
Filmschaffenden 1933 bis 1945. Eine Gesamtübersicht. (ACABUS Verlag,
Hamburg 2011, S. 264)
Fremde Links: 1) Wikipedia, 2) film.at
Lizenz Foto Hilde Jennings (Urheber: Alexander Binder:
Diese Bild- oder Mediendatei ist gemeinfrei, weil ihre urheberrechtliche
Schutzfrist abgelaufen ist. Dies gilt für die Europäische Union, die
Vereinigten Staaten, Australien und alle weiteren Staaten mit einer
gesetzlichen Schutzfrist von 70 Jahren nach dem Tod des Urhebers.
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Filme
Stummfilme / Tonfilme
Filmografie bei der Internet Movie Database
sowie filmportal.de
(Fremde Links: filmportal.de, Wikipedia; R = Regie) |
Stummfilme
- 1924: Die Brigantin von New York
(R: Hans
Werckmeister; mit Lotte
Neumann; als Tänzerin)
- 1925: O alte Burschenherrlichkeit
(R/Drehbuch: Eugen
Rex (auch Darsteller), Helene Lackner; als ?)
- 1926: Die
Tugendprobe. Eine lustige Begebenheit von der Waterkant (R:
Heinrich
Lisson; als ?)
- 1926: Die Kleine und ihr Kavalier
(R: Richard
Löwenbein; mit Maly
Delschaft; als Lieschen, Tochter von Mutter Spieseke,
der Wirtin "Zum Spanferkel" (Lydia
Potechina))
- 1926: Wenn Menschen irren.
Frauen auf Irrwegen (R: Otz
Tollen; als ?)
- 1927: Die Frauen von Folies Bergère
(R: Max
Obal; u. a. mit Joséphine
Baker; Mitwirkung im Vor- und Nachspiel)
- 1927: Arme kleine Colombine
(R: Franz
Seitz Sr.; als Ännchen, Tochter von Holzschnitzer Peter Lann
(Paul
Rehkopf))
- 1927: Dirnentragödie
(R: Bruno
Rahn; mit Asta
Nielsen als die alternden Prostituierte Auguste, Werner
Pittschau als
Student Felix; als die junge Prostituierte Clarissa) → filmportal.de
- 1927: Der Sträflingskavalier
(R: Rudolf Meinhardt-Jünger; als
?)
- 1927: Der Geisterzug / Ghost Train
(Produktion: Deutschland/Großbritannien; (nach dem dem Bühnenstück
"The Ghost Train" (1923) von Arnold Ridley (18961984); R: Geza
von Bolvary; als Peggy Murdock)
→ filmportal.de,
film.at
- 1927: Orientexpress
(R: Wilhelm
Thiele; als die Reisende Lisbeth) → filmportal.de
- 1928: Moral
(nach der Komödie von Ludwig
Thoma; R: Willi
Wolff, mit dessen Gattin Ellen
Richter als Tänzerin
Ninon de Hauteville; als Elfie, Tochter von Rentier
Beermann, Präsident des Sittlichkeitsvereins (Jakob
Tiedtke))
→ filmportal.de,
projekt-gutenberg.org
- 1928: Die letzte Galavorstellung des Zirkus Wolfson
(R; Domenico
Gambino; als das Mädchen, Pantomimin)
- 1928: Diebe 10 000 Mark Belohnung
(R: Edmund
Heuberger, Domenico Gambino (auch Darsteller),
als Gattin des Grafen von Berg (Carl
Auen))
- 1929: Version Tschechoslowakei: Aféra v grandhotelu (Co-Regie: Theodor Pistek (18851960; auch Darsteller);
Kurzinfo: Aus dem Grand Hotel "Atlantic" verschwindet viel Geld und Schmuck. Für denjenigen, der den Dieb
erwischt, hat der Geschäftsführer (Theodor Pistek)
eine Belohnung von 10.000 Mark ausgesetzt. Der Verdacht
fällt auf ein gräfliches Paar.) → IMDb
- 1928: Die Rothausgasse
(nach dem Roman "Der heilige Skarabäus" von Else
Jerusalem; R: Richard
Oswald;
als Helenka) → filmportal.de
- 1928: Der erste Kuß
(R: Karel
Lamač; mit Werner
Pittschau als Walter Stolz, ein Musiker, Anny
Ondra als Anny Cord,
Tochter des Getreidekönigs
William Cord (Eugen
Burg); alas Annys Freundin Margit)
- 1928: Das deutsche Lied
(Dokumentarfilm mit Spielszenen; R: Karl Pindl; als Hilde Lenz)
- 1928: Indizienbeweis / Vendetta /
Circumstantial Evidence (nach dem Roman "Vendetta!, or The
Story Of One Forgotten"
von Marie
Corelli; R: Georg
Jacoby; als Zofe der Gräfin Romani (Ruth
Weyher)) → Wikipedia (englisch)
- 1929: Das weiße Paradies / Die weiße Nacht
(R: Max
Neufeld; als Inge, Tochter von Kommerzialrat Krüger (Hans
Marr);
Fred
Döderlein als Skilehrer Kurt Bergen) → film.at
- 1929: Sünde und Moral
(R: Erich
Kober; als Lotte, Tochter von Werkmeister Weber (Gerhard
Dammann))
- 1929: Zwei Brüder.
Rivalen der Liebe (R: Michael
Dubson; mit Carl
Auen als Eduard, Bruder von Michael (Jack
Mylong-Münz);
als Evelyne)
- 1930: Sei gegrüßt, Du mein schönes Sorrent / Der Mann, für
eine Nacht (Musikszenen nachvertont;
R: Romano Mengon (1886?); als ?)
→ IMDb
Tonfilme (Produktion: Sowjetunion)
- 1932: Dwe dorogi (R: Naum Loiter (18911966); als ?) → IMDb
- 1934: Wessenije dni (nach dem Theaterstück
"Enthusiasts" von Ye. Tarvid; R: Tatjana Lukaschewitsch (19051972),
Ruben Nikolajewitsch Simonow (auch Darsteller; 1890:1968); als
Berta) → IMDb
- 1937: Bolshie krylya (R: Michail
Iossifowitsch Dubson, Karl Gakkel (19061966); als ?) → IMDb
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