Die Schauspielerin Hermine Sterler wurde am 20. März 1894 in Cannstatt1) (Bad Cannstatt; seit 1905 Stadtbezirk von Stuttgart1)) geboren; laut Kay Wenige1)*) war ihr Geburtsname Minna Stern, laut "Handbuch des deutschsprachigen Exiltheaters 1933 – 1945"**) erblickte sie als Hermine Sternberg das Licht der Welt. Wie sie zur Schauspielerei kam, ließ sie später ihr Publikum wissen: "Eigentlich ist an meinem Schauspielerberuf mein Vater schuld, denn als Kind von drei Jahren lispelte ich sehr stark und bekam lange Zeit hindurch Sprachunterricht von einer Schauspielerin. Und ich glaube, daß von daher die Infektion kommt, die dann in reiferen Jahren ganz von mir Besitz ergriffen hat und mich zur Bühne führte. Das heißt, zuerst wollte ich nach dem Besuch des Gymnasiums studieren. Man erlaubte es mir jedoch nicht; die häuslichen Anschauungen über ein strenges Familienleben standen damit nicht im Einklang. Dann wollte ich Pianistin werden: dieselbe Ablehnung. Inzwischen kam der Krieg, und als ich mich als Krankenschwester melden wollte, bekam ich zum dritten Male die Enge der Familienbande schmerzhaft zu spüren. Aber alle diese Enttäuschungen hatten in mir einen gesunden Trotz entwickelt, und ich sagte mir – nun gerade! Ich brannte richtiggehend von zu Hause durch und landete in der "Reinhardt-Schule." Ja, und nachher habe ich die übliche Schauspielerlaufbahn gehabt. Etwas Provinz, nachher Berlin."***)
 
Unter dem Künstlernamen Hermine Sterler startete sie ihre Bühnenkarriere zur Spielzeit 1918/19 am "Residenz-Theater"1) in Hannover1), nur wenig später zog es sie in die Metropole Berlin. Hier erhielt sie ein Engagement an dem von Max Reinhardt1) (1873 – 1943) geführten "Kleinen Theater"1) (1919–1921) sowie an dem Anfang Oktober 1921 neu eröffneten "Theater am Kurfürstendamm"1) (1921/22). Weitere Stationen waren in den Jahren 1922 bis 1925 unter anderem Reinhardts "Deutsche Theater"1) sowie die "Volksbühne"1) am Bülowplatz (heute: Rosa-Luxemburg-Platz), wo sie beispielsweise in der Uraufführung (26.05.1924) des epischen Dramas "Fahnen" von Alfons Paquet1) in einer Inszenierung von Erwin Piscator1) als Salondame in Erscheinung trat. Das Stück "erzählt eine Episode aus dem proletarischen Befreiungskampf des 19. Jahrhunderts und thematisiert den Kampf der Chicagoer Arbeiter um den Achtstundentag".2)
Hermine Sterler spielte am "Theater in der Königgrätzer Straße"1), so unter anderem die Ehefrau des Protagonisten in Georg Kaisers1) Komödie "Zweimal Oliver" (05.09.1926; Regie: Victor Barnowsky1)), am "Theater des Westens"1) (1927/28) und erneut am "Kleinen Theater" (1928/29). Zwischen 1931 und 1933 fand sie vor allem am "Rose-Theater"1) eine Wirkungsstätte, wo sie beispielsweise in dem Stück "Herzdame" (1932) von Rudolf Presber1) Erfolge feierte; parallel dazu trat sie 1932/33 am "Schauspielhaus Zürich"1) auf.
 
Beim Film war Hermine Sterler seit Anfang der 1920er Jahre aktiv, gab ihr Leinwanddebüt mit einem kleinen Part in dem von Franz Eckstein1) nach einem Drehbuch seiner Ehefrau Rosa Porten gedrehten stummen Streifen "Die Hexe" (1921). Beachtung fand sie mit der Figur der Frau des Amtsvorstehers Berger (Ernst Dernburg1)) in Urban Gads1) Adaption "Hanneles Himmelfahrt"1) (1922) nach der gleichnamigen Traumdichtung1) von Gerhart Hauptmann1) mit Margarete Schlegel in der Titelrolle, wurde in den kommenden Jahren in den Melodramen, Literaturverfilmungen aber auch heiteren Geschichten jener Ära mit prägnanten Nebenrollen besetzt. "Dort wie auf der Bühne füllte Hermine Sterler das Fach der Salondame aus; sie spielte kultivierte Damen von Stand und elegante Ehefrauen, frühzeitig auch Mütter." notiert Kay Weniger*). So mimte sie beispielsweise eine Herzogin in Heinz Goldbergs1) Künstlerportrait "Paganini"1) (1923) mit Conrad Veidt als "Teufelsgeiger" Nicolň Paganini1) und Eva May als dessen Geliebte Giulietta, eine ostpreußische Gutsbesitzerin in Wolfgang Neffs1) Drama "Volk in Not"1) mit dem Untertitel "Ein Heldenlied von Tannenberg" (1925), eine Baronin in Robert Lands1) Hermann Sudermann1)-Verfilmung "Frau Sorge"1) (1928) oder eine Konsulin in Rudolf Biebrachs Drama "Adam und Eva"1) (1928) mit Reinhold Schünzel als Blumenhändler/Gärtner Adam und Elza Temáry1) alsStubenmädchen Anna. In Conrad Wienes1) Biopic "Heut' spielt der Strauß"1) (1928), der Geschichte über die Beziehung des Walzerkönigs Johann Strauss Sohn1) (Imre Ráday1)) zu seinem Vater Johann Baptist Strauss1) (Alfred Abel) verkörperte sie dessen Ehefrau Anna (1801 –1870), die von ihrem Mann verlassen worden war und Sohn Johann alleine aufzog. Einmal mehr eine Ehefrau, die des Firmenpräsidenten Lebodier (Albert Paulig), gab sie auch in Johannes Guters1) Komödie "Die blaue Maus"1) (1928) mit Jenny Jugo als Fanchon Ravassol, genannt "die blaue Maus". Als Offiziers-Witwe präsentierte sie sich in dem von Jakob1) und Luise Fleck1) in Szene gesetzten Melodram "Das Recht auf Liebe" (1930) sowie als eine Mutter in dem von Heinz  Paul1) realisierten, mit Spielszenen durchsetzten Dokumentarfilm über die Schlacht an der Somme1) (1916) mit dem Titel  "Die Somme"1) (1930) und dem Untertitel "Das Grab der Millionen" – zugleich ihre letzte Arbeit für den Stummfilm → Übersicht Stummfilme.
Im Tonfilm blieb Hermine Sterler zunächst eine vielbeschäfigte Darstellerin, gab beispielsweise die Schwester des Staatsanwaltes Hallers (Fritz Kortner) in Robert Wienes nach dem Theaterstück von Paul Lindau1) gedrehten "Dr. Jekyll und Mr. Hyde"1)-Geschichte "Der Andere"1) (1930), die Gräfin Enna in dem Melodram "Zwei Menschen" (1930), von Erich Waschneck1) inszeniert nach dem Bauernroman-Bestseller von Richard Voß1) mit Gustav Fröhlich und Charlotte Susa in den Hauptrollen. Sie verkörperte die Zarin Alexandra1), Gemahlin des russischen Zaren Nikolaus II.1) (Paul Otto), in dem Portrait "Rasputin"1) (1932) mit Conrad Veidt als "Wunderheiler" Rasputin1) oder die Prinzessin Kinsky in Willi Forsts Remake "The Unfinished Symphony"1) (1934), der englischsprachigen Version von "Leise flehen meine Lieder"1) (1933) mit Hans Jaray1) als Komponist Franz Schubert1) und Márta Eggerth als Caroline Komtesse Esterházy. Ihr vorerst letzter Film in Europa war die Österreich-Ungarische bzw. von Hermann Kosterlitz1) (= Henry Koster) gedrehte Produktion "Kleine Mutti"1) (1935) mit Franziska Gaál in der Titelrolle.
 
Mit der so genannten "Machtergreifung"1) der Nationalsozialisten floh die Schauspielerin mit jüdischen Wurzeln 1933 aus Deutschland und konnte zunächst in Österreich bzw. an Wiener Bühnen ihre Karriere fortsetzen. Nach einer Rückkehr nach Berlin im Jahre 1936 bzw. einer kurzzeitigen Verhaftung emigrierte die als "nichtarisch" aus der "Reichstheaterkammer"1) (RTK) und "Reichsfilmkammer"1) (RFK) ausgeschlossene Hermine Sterler über Zürich und Le Havre mittels einer Schiffspassage in die USA, wo sie am 1. Dezember 1938 ankam. Sie knüpfte Kontakte zu dem ebenfalls aus Deutschland emigrierten Theaterregisseur Leopold Jessner1) und dem Schauspieler/Filmregisseur Wilhelm Dieterle, die das Exil-Theater "The Continental Players" ins Leben gerufen hatten. Das Hauptziel der Exil-Theatergruppe war es, neu angekommene europäische Künstlern dabei zu unterstützen, in Amerika schauspielerisch Fuß zu fassen bzw. Beschäftigungsmöglichkeiten zu schaffen.  Seit der Premiere am 24. April 1939 von Leopold Jessners englischsprachigen Inszenierung des Schiller-Schauspiels "Wilhelm Tell"1) am deutschsprachigen "El Capitan Theatre" in Hollywood stand sie nun auch wieder auf der Bühne. Mit eben diesem Stück ging sie im Juni desselben Jahres auf große USA-Tournee.*) An der Seite von Leo Reuss1) in der Titelrolle des Schweizer Freiheitskämpfers Wilhelm Tell1) gestalteten unter anderem Ernst Deutsch den Reichsvogt Hermann Gessler, Alexander Granach den Werner Stauffacher und Hermine Sterler dessen Gattin Gertrud. Die Produktion geriet jedoch finanziell zu einem Misserfolg, einerseits weil die Darsteller/innen die englische Sprache nicht vollkommen beherrschten, andererseits weil Jessners Interpretation des Dramas nicht den traditionellen Vorstellungen entsprach → Wikipedia (englisch).
 
Als Filmschauspielerin konnte sie sich ebenfalls etablieren, nach eher unbedeutenden kleinen Aufgaben in zwei zu vernachlässigenden US-amerikanischen Produktionen holte Wilhelm Dieterle sie für ihre erste wichtige Rolle vor die Kamera und betraute sie mit der Figur des Fräulein Marquardt in seinem mit Edward G. Robinson als Mediziner und Forscher Dr. Paul Ehrlich1) gedrehten Biopic "Paul Ehrlich – Ein Leben für die Forschung"1) (1940, "Dr. Ehrlich's Magic Bullet"). Es folgten Auftritte in einer Reihe weiterer Streifen, in der "die Emigrantin in Kleinstrollen Deutsche und Europäerinnen aller Arten, vor allem während des 2. Weltkriegs in dezidiert antinazistischer Filmpropaganda"*) spielte. So mimte sie unter anderem die Ehefrau des von Gene Roth1) dargestellten Hitler-Pressechefs Ernst Hanfstaengl1) in John Farrows1), mit etlichen Exil-Schauspielern besetzten Anti-Nazifilm "The Hitler Gang"1) (1944), in dem der Werdegang Adolf Hitlers1) (gespielt von Robert Watson1)) vom böhmischen Gefreiten zum Reichskanzler des nationalsozialistischen Deutschen Reiches nachgezeichnet wurde.
Nach Kriegsende stand Hermine Sterler noch sporadisch mit kleineren Rollen vor der Kamera, zu erwähnen ist unter anderem Jean Negulescos1) Erfolgskomödie "Wie angelt man sich einen Millionär?"1) (1953, "How to Marry a Millionaire"), wo sie neben den Stars Betty Grable1), Marilyn Monroe und Lauren Bacall den Part der "Madame" übernommen hatte. Mitte der 1950er Jahre kehrte die seit dem 10. November 1944 die US-amerikanische Staatsbürgerschaft besitzende Schauspielerin erstmals nach Deutschland zurück und wirkte in Robert Siodmaks1), ganz auf O. W. Fischer zugeschnittenem Melodram "Mein Vater, der Schauspieler"1) (1956) mit. Nach den Dreharbeiten ging sie wieder in die USA, stand noch für das von Douglas Sirk1) mit Barbara Stanwyck und Fred MacMurray gedrehte Melodram "Es gibt immer ein Morgen"1) (1956, "There's Always Tomorrow") und die Komödie "Kelly and Me" (1957, Regie: Robert Z. Leonard1)) sowie mit Episodenrollen für zwei  TV-Serien (1956/1959) vor der Kamera. Einen letzten, winzigen Leinwandauftritt hatte sie als alte Frau, die in einen Bus einsteigt und damit unwissentlich in einen Spionagefall hineingezogen wird, in dem spannenden Hitchcock1)-Thriller "Der zerrissene Vorhang"1) (1966, "Torn Curtain") mit Paul Newman und Julie Andrews. Bereits Anfang der 1930er Jahre hatte sie mit Hitchcock zusammengearbeitet und in dem Krimi "Mary"1) (1931), der deutschsprachigen Version von "Mord – Sir John greift ein!"1) ("Murder!"), die Miss Miller gespielt → Übersicht Tonfilme.
 
Ihren Lebensabend verbrachte die einstige Charaktermimin Hermine Sterler in Deutschland und lebte zunächst in Berlin (West), dann in ihrer Baden-Württembergischen Heimat, wo sie am 25. Mai 1982 im Alter von 88 Jahren (vermutlich) in Stuttgart1) starb.
Quelle (unter anderem*) **) ***)): Wikipedia, cyranos.ch
Fotos bei virtual-history.com
*) Kay Weniger: Es wird im Leben dir mehr genommen als gegeben … Lexikon der aus Deutschland und Österreich emigrierten Filmschaffenden 1933 bis 1945. Eine Gesamtübersicht. (ACABUS Verlag, Hamburg 2011, S. 486)
**) Handbuch des deutschsprachigen Exiltheaters 1933 – 1945; Herausgeber: Frithjof Trapp, Werner Mittenzwei, Henning Rischbieter, Hansjörg Schneider; Band 2: Biographisches Lexikon der Theaterkünstler von Frithjof Trapp, Bärbel Schrader, Dieter Wenk, Ingrid Maaß (Teil 2, L-Z, S. 907/908; K G Saur, München 1999)
***) Hermine Sterler. In: Dr. Hermann Treuner (Hrsg.): Filmkünstler – Wir über uns selbst (Sybillen Verlag, Berlin, 1928)
Fremde Links: 1) Wikipedia
2) Quelle: www.literatur-archiv-nrw.de
Kinofilme
Stummfilme / Tonfilme:
In Deutschland, Österreich / in den USA
Filmografie bei der Internet Movie Database sowie filmportal.de
(Fremde Links: filmportal.de, Wikipedia, Murnau Stiftung, cyranos.ch; R = Regie)
Stummfilme Tonfilme
Um zur Seite der Publikumslieblinge zurückzukehren, bitte dieses Fenster schließen.
Home: www.steffi-line.de