Die Schauspielerin Margit Barnay ist, wie zahlreiche
andere Darstellerinnen der Stummfilm-Ära, heutzutage weitgehend in
Vergessenheit geraten. Dies mag die unterschiedlichsten Ursachen haben:
Einerseits spielte sie Hauptrollen in Produktionen, die zwar an den
Kinokassen erfolgreich, aber filmhistorisch gesehen als eher unbedeutend
einzustufen sind, andererseits haben viele Streifen die Jahrzehnte nicht
überdauert bzw. gelten als verschollen. Zudem ist dieses Genre der breiten
Öffentlichkeit kaum noch bekannt, wird nur selten (beispielsweise im
Fernsehen) berücksichtigt und somit nur noch im Rahmen einschlägiger
Festivals u.Ä. für Liebhaber der Stummfilm-Szene präsentiert.
Doch zurück zu Margit Barnay, die am 5. April 1896 in Berlin als
Margot Jana Rosenstock geboren wurde und in einem angesehenen bzw.
künstlerisch geprägten Elternhaus aufwuchs. Der Vater Siegfried Rosenstock (1857 1922) gehörte als
Rechtsanwalt zur gehobenen Berliner Gesellschaft, Mutter Charlotte
(1872 ?) war eine bekannte Sängerin und Malerin, die unter ihrem Geburtsnamen bzw.
als Lolo Barnay Erfolge feierte. Deren Vater Ludwig Barnay1)
(1842 1924) wiederum erwarb sich einen Ruf als herausragender Heldendarsteller (unter
anderem am Hoftheater
in Meiningen1)), war später Theaterleiter des
"Königlichen Schauspielhauses"1) in Berlin
(seit 1906) sowie des "Hoftheaters"1) in Hannover (19081912). Auch
Ludwig Barnays erste Ehefrau, Marie Kreuzer1) (1839 1904), Tochter
des bekannten Tenors Heinrich Kreuzer1) (1819 1900) von der "Wiener Hofoper"1)
machte sich als Opernsängerin bzw. Sopranistin einen Namen. Mit diesem
familiären Hintergrund schien der Weg für eine Karriere am Theater
vorgezeichnet, doch die junge Margot entschied sich anfangs anders,
studierte zunächst Malerei und Musik. Durch den Regisseur und Drehbuchautor
Siegfried Dessauer1) (1874 1945) schlug
sie dann schließlich doch eine Laufbahn als Schauspielerin ein. Dessauer konnte sie
als Hauptdarstellerin für sein zweiteiliges Sittendrama "Kinder der Liebe" (1918/19) gewinnen,
"Die elegische Schönheit der Debütantin fällt auf: Sie ist sehr schlank und schmal, weist einen außergewöhnlich hellen Teint auf,
der kontrastiert wird von schwarzem bis tizianrotem Haar und großen Augen."
notiert CineGraph2).
Margit Barnay um 1929 auf einer Künstlerkarte,
aufgenommen im Fotoatelier "Becker & Maass", Berlin
(Otto Becker (18491892)/Heinrich Maass (18601930))
Quelle: Wikimedia
Commons;
Angaben zur Lizenz (gemeinfrei)
siehe hier
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Damit startete die attraktive, dunkelhaarige junge Frau unter dem Künstlernamen Margit Barnay für rund zehn Jahre
eine steile Karriere im Stummfilm, avancierte ohne jeglichen Schauspielunterricht vornehmlich in den Melodramen und
Tragödien sowie kriminalistischen Abenteuern jener
Zeit zum Leinwandstar. Als Friedrich Wilhelm Murnau1) sein heute als
verschollen geltendes, spukhaft-romantisches Frühwerk "Der Knabe in Blau"1) (1919) inszenierte, fand
er in Margit Barnay die ideale Besetzung für eine
junge, schöne Schauspielerin, die in selbstloser Liebe dem verarmten
Adeligen Thomas von Weerth (Ernst Hofmann) wieder zu neuem Glück verhilft.
"Barnays Schönheit ebenso magnetisch wie verletzlich entspricht in idealer Weise der
von Murnau gesuchten mystischen Ästhetik und erschafft die Atmosphäre einer luxuriösen Melancholie."2) Auch
in Murnaus heute nur fragmentarisch erhalten gebliebenem Drama "Satanas"1) (1919) erregte
sie in der ersten Episode "Der Tyrann"1) als
Phahi, Ehefrau
des Pharaos Amenhotep (Fritz Kortner), Aufsehen, die von Lucifer
(Conrad Veidt) zum Ehebruch verführt bzw. hierfür vom Pharao zum Tode verurteilt
wird.
Die Liste der Regisseure, für die Margit Barnay vor der Kamera stand, liest sich wie
das "Who is Who" des deutschen Stummfilms, zu nennen sind neben
Dessauer und Murnau etwa Franz Hofer1)
(u.a. 1920: Ferréol. Ein Kampf zwischen Liebe und Pflicht/1921: Begierde. Das Abenteuer der Katja Nastjenko3)),
Rudolf Walther-Fein1)
(u.a. 1922: Nur eine Nacht / Bigamie), Bruno Eichgrün
(1922: Frauen, die die Ehe brechen), Jaap Speyer1)
(1923: Der Frauenkönig)
oder Filmpionier Max Mack1) (1923: Das schöne Mädel). Mit
Urban Gad1),
Ex-Ehemann der Stummfilm-Legende Asta Nielsen, drehte
sie an der Seite von Protagonist Hans Mierendorff als Archäologe Prof. Olaf Bruhn bzw.
Globetrotter Erik Olthov das kriminalistisch angehauchte
Doppelgänger-Drama "Ich bin Du
"3) (1921) mit dem
Untertitel "Ein seltsam-tragisches Geschehnis in 5 Akten" → Filmkritik bzw. Inhalt bei filmportal.de
aus Lichtbild-Bühne, Nr. 5, 29.1.1921. Dimitri Buchowetzki1)
besetzte sie als Partnerin von Publikumsliebling Max Landa in dem Streifen
"Das Experiment des Prof. Mithrany" (1921), für Trude Santen (1891 1962) war sie unter anderem "Die schwarze
Paula" (1922), für den Holländer Theo Frenkel1) die Gräfin Alexandra Andronowitsch
in der deutsch-niederländischen Produktion "Alexandra" (1922).
Margit Barnay etwa 1924 auf einer Künstlerkarte,
aufgenommen im Fotoatelier "Becker & Maass", Berlin
(Otto Becker (18491892)/Heinrich Maass (18601930))
Quelle: Wikimedia
Commons;
Angaben zur Lizenz (gemeinfrei)
siehe hier
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"Nahezu sämtlichen Barnay-Filmen ist gemein, dass es sich um "Frauenfilme" handelt, in denen eine Frau im Mittelpunkt
des schicksalhaften Geschehens steht, (
). Männer dienen lediglich als Katalysator, sind Objekt
des Begehrens, aber nicht die handelnde Kraft. Nicht verwunderlich ist daher, dass das weibliche Publikum
mit Vorliebe in Barnay-Filme strömt."2)
Erst gegen Ende ihrer filmischen Laufbahn war Margit Barnay in Filmen
anderen Genres zu sehen, so trat sie beispielsweise als Baronin Wallburg in
dem Kinderfilm "Der Sieg der Jugend"4) (1927) in Erscheinung, eine von
Fred Sauer1) gedrehte
modernisierte Version
des Märchens "Hänsel und Gretel"1). Mit der Komödie "Benno Stehkragen" (1927; Regie: Trude Santen)
nach dem Roman von Karl Ettlinger1) verabschiedete
sich Margit Barnay nach rund 50, heute bekannten Filmproduktionen von ihrem
Publikum → Übersicht Filmografie.
Seit Mitte Oktober 1918 war die Mimin mit dem Architekten bzw. späteren
Regierungsbaumeister Dipl.-Ing. Hans Schmidt-Werden verheiratet, nach der
Geburt der gemeinsamen Tochter Sybil Barbara Astrid im Jahre 1924 zog sich
Margit Barnay mehr und mehr vom Filmgeschäft zurück. Über den
weiteren Lebensweg schreibt CineGraph: "Nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten1)
wird Barnay im rassischen Verfolgungswahn als "3/4-Jüdin und Mischling I. Grades" (Personalakte Hans Schmidt-Werden,
"Bundesarchiv Berlin") klassifiziert und als
"nichtarisch"1) nicht in die
"Reichsfilmkammer"1)
aufgenommen". Ihr Ehemann steht zu seiner Frau und wird
deshalb aus der "Reichskammer der bildenden Künste" ausgeschlossen, da ihm durch die Aufrechterhaltung der Ehe mit einer
"jüdischen Ehefrau" "die zur Ausübung seines Berufes als Architekt erforderliche
Zuverlässigkeit" abgesprochen wird. Als die NS-Regierung gegen Ende des Krieges dringend Architekten sucht, die
zur Beseitigung der Bombenschäden beitragen sollen, erhält Schmidt-Werden eine Sondergenehmigung und darf
in Berlin-Schöneberg1) tätig sein. Da diese Arbeit als kriegswichtig eingestuft wird, bleibt Barnay als Angehörige
von einer Deportation verschont."2)
Nach Ende des 2. Weltkrieges betätigte sich Margit Barnay laut
"CineGraph"
unter ihrem Ehenamen in Berlin eine Zeit lang als Redakteurin beim Sender RIAS1). Sie starb am 11. Januar 1974 im Alter von 77 Jahren
im Berliner Ortsteil Zehlendorf1).
Tochter Sybil Werden1)
(1924 2007) ergriff ebenfalls einen künstlerischen Beruf, ließ sich von
der international bekannten russischen Balletttänzerin, Choreografin und Ballettmeisterin
Tatjana Gsovsky1) ausbilden
und war zwischen 1946 und 1949 Solotänzerin
an der "Staatsoper
Berlin"1), ab 1950 an der "Bayerischen
Staatsoper"1) in München. Auch im Unterhaltungskino trat sie ab Anfang der 1950er Jahre verschiedentlich in Erscheinung, lernte bei dieser Gelegenheit den
damals noch recht unbekannten Schauspieler und später gefeierten Entertainer
Harald Juhnke
(1929 2005) kennen und lieben. Im Frühjahr 1952 heiratete das Paar, lebte
sich nach kurzer Zeit auseinander und ließ sich dann nach nur rund zehn
Jahren 1962 wieder scheiden. Aus der Verbindung stamm(t)en Tochter Barbara
(1953 1955) und Sohn Peer (geb. 1956), der heute als Arzt
bzw. Orthopäde in München tätig ist.
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Filme
Filmografie bei der Internet Movie Database,
filmportal.de
sowie
verschiedene Stummfilme bei "The
German Early Cinema Database"
(Fremde Links: filmportal.de, cyranos.ch, Wikipedia, Murnau
Stiftung; R = Regie)
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- 1919: Kinder der
Liebe: Teil 2 (R: Siegfried
Dessauer; als die Schwester, Walter
Wolffgram als der Bruder) → IMDb
- 1919: Der Knabe in Blau / Der Todessmaragd
(R: Friedrich
Wilhelm Murnau; als Lisa Sutroff, eine junge Schauspielerin)
→ filmportal.de
sowie
Szenenfotos bei Wikimedia Commons
- 1919: Samson, sein eigener Mörder
(von (Regie) und mit Muhsin Ertuğrul; als
?)
- 1920: Die Eidechse (R: Siegfried
Dessauer; mit Eduard Rothauser als Detektiv Fred Horst;
als ?)
- 1920: Satanas
(R: Friedrich Wilhelm Murnau; als Phahi, Ehefrau des Pharao
Amenhotep (Fritz
Kortner) in
der ersten Episode "Der
Tyrann")
→ filmhistoriker.de,
filmportal.de
(mit Fotos)
- 1920: Uriel Acosta
(nach dem Trauerspiel von Karl Gutzkow;
R: Ernst
Wendt; mit Bruno
Decarli als Uriel
Acosta;
als Judith, Tochter des Manasse Vanderstraten, ein reicher Handelsherr in Amsterdam
(Adolf
Klein)) → Early Cinema Database;
siehe auch projekt-gutenberg.org
zum Theaterstück
- 1920: Die Maske des Todes (nach einer Vorlage von Xavier
de Montépin; R: James
Bauer; mit Hans
Mierendorff als der
schurkische Verbrecher Baron Cäsar von Artrois; als Bianca, Tochter des
Herzogs von Anville (Adolf Klein), und spanische
Straßensängerin)
- 1920: Der Schädel der Pharaonentochter
(R: Otz
Tollen; mit Emil
Jannings als Pharao Osorco und Erna
Morena als
Prinzessin Amnertis in den Hauptrollen; als ?)
- 1920: Das Gesicht im Spiegel
(R: Willy Rothe, Paul Herbig; als ?)
- 19201921: Filme unter der Regie von Franz Hofer
- 1921: Ich bin Du
(R: Urban Gad;
mit Hans Mierendorff
in der Doppelrolle der berühmte Ägyptologe Professor Bruhn
und dessen Doppelgänger Erik Althov; als Astrid, Nichte des Wunderapothekers Jens Lind
(Fritz Richard))
→ Filmprogramm (mit Inhaltsangabe),
Filmkritik
- 1921: Die Dame im Koffer (R: Emil
Albes; als ?) → IMDb
- 1921: Der Schrein der Medici
(R: Paul Herbig; als ?)
- 1921: Das Experiment des Prof. Mithrany (R: Dimitri
Buchowetzki; mit Max
Landa; als ?) → IMDb
- 1921: Die Fremde aus der Elstergasse (R: Alfred
Tostary; als ?) → IMDb
- 1921: Die Diamentenkonkurrenz (R: Trude Santen (18911962); als
?) → IMDb
- 1922: Die Tigerin
(Produktion: John
Hagenbeck; R: Ernst
Wendt; als ?)
- 1922: Der schlummernde Vulkan (R: James
Bauer; als ?) → IMDb
- 1922: Brigantenrache
(nach einer Novelle von Konrad
Telmann; R: Reinhard
Bruck; mit Asta
Nielsen und
Bruno
Decarli in den Hauptrollen; als Wirtstochter) → filmportal.de,
IMDb
- 1922: Die siebtente Nacht
(R: Arthur
Teuber; als Miß Maud, eine reiche Amerikanerin)
→ www.dhm.de
- 1922: Alexandra
(Produktion: Deutschland/Niederlande; R/Drehbuch: Theo
Frenkel (auch Darsteller);
als Gräfin Alexandra; Kurzinfo: Gräfin Alexandra Andronowitsch ist todkrank
und flieht vor ihrem brutalen
Gemahl Graf Maxim Andronowitsch (Robert
Scholz). Sie verliebt sich in den wohlhabenden, aber von Selbstmord
geplagten Edward Buchanan (Paul de
Groot; 18781940), der glaubt, dass er nur wegen seines Geldes von der
Gesellschaft anerkannt werde.)
→ IMDb
- 1922: Es kommt der Tag
(R: Karl
Otto Krause; als ?)
- 1922: Don Juan
(R: Albert
Heine, Robert
Land; mit Hans
Adalbert Schlettow als Don Juan; als Prinzessin)
- 1922: Bigamie (nach dem Drama "Der lebende Leichnam"
von Leo
Tolstoi; R: Rudolf
Walther-Fein; mit Alfred
Abel
als Fedja; als dessen Frau Lisawetha) → Wikipedia (englisch);
siehe auch Verfilmung 1929
sowie projekt-gutenberg.org
- 1922: Wem nie durch Liebe Leid geschah! (R: Heinz
Schall; als ?) → IMDb
- 1922: Filme mit Bruno
Eichgrün als Detektiv Nick Carter;
- 1922: Istanbul'da istirap (Produktion: Türkei; von (Regie) und
mit Muhsin Ertugrul; als
?) → IMDb
- 1922: Die Talfahrt des Severin
Hoyer (R: Otto
Linnekogel; als ?)
- 1922: Die schwarze Paula (R: Trude Santen (18911962); als
Paula)
- 1922: Der Liebesroman des Cesare Ubaldi (R: Heinz
Schall; als ?) → IMDb
- 1922: Das
Liebesnest, Teil 1
(R: Rudolf Walther-Fein; als
?) → IMDb
- 1923: Der Frauenkönig (R: Jaap
Speyer; als ?) → IMDb
- 1923: Ich hatt' einen Kameraden (R: Hans Felsing; als Dorothee)
→ IMDb
- 1923: Das schöne Mädel (nach dem Roman von Georg Hirschfeld;
R: Max Mack; als eine der Töchter der
Götts (Fritz Richard/Ilka Grüning);
Produktion: Hella
Moja (auch Rolle der anderen Tochter)) → IMDb
- 1923: Das Abenteuer von Sagossa
(R: Franz Seitz senior; als ?)
- 19231924: Filme von (Regie) Edmund Linke
- 1924: So ist das Leben
(R: Otto
Rippert; alös Sekretärin Eve Steven)
- 1926: In der Heimat, da gibt's ein Wiedersehn!
(von (Co-Regie: Leo
Mittler) und mit Reinhold
Schünzel als das
Berliner Original Gustav Knospe; als Herta)
- 1927: Der Sieg der Jugend
(R: Fred Sauer; als Baronin Wallburg) → filmportal.de
(Besetzung)
- 1927: Zwei unterm Himmelszelt
(R: Johannes
Guter; als Dorothea, Frau von Thomas Thurneisen (Jean
Angelo))
- 1927: Benno Stehkragen (nach dem Roman von Karl
Ettlinger; R: Trude Santen (18911962); als ?) → IMDb
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