Die Stummfilmdarstellerin und Filmproduzentin Carmen Cartellieri erblickte am 28. Juni 1891 als Franziska Ottilia Cartellieri und Tochter eines Ingenieurs im mährischen Proßnitz1) (heute: Prostějov, Tschechien) das Licht der Welt, damals zur k. u. k. Doppelmonarchie Österreich-Ungarn1) gehörend. "Angesichts der Tatsache, dass italienische Stummfilmschauspielerinnen wie Francesca Bertini oder Lyda Borelli zu jener Zeit als Inbegriff gefeierter Leinwanddiven galten, behauptete sie viele Jahre lang, um ihre eigene Biografie interessanter zu gestalten, in Mailand1) geboren zu sein." notiert Wikipedia.
Porträt der Carmen Cartellieri 1919; Foto mit freundlicher Genehmigung der Österreichischen Nationalbibliothek (ÖNB); Urheber: Atelier D'Ora-Benda (Madame d'Ora, 1881–1963); Quelle/Copyright ÖNB/Wien, Bildarchiv (Inventarnummer 204377-D) Sie verbrachte ihre Kindheit und Jugend unter anderem in Innsbruck1), seit der Heirat der damals erst 16-Jährigen mit dem vielseitig talentierten Adligen Emanuel Ziffer Edler von Teschenbruck1) (1888 – 1968) – er war unter anderem Chemiker, Maler, Ingenieur, Erfinder, Ministerialrat im Eisenbahnministerium und kurzzeitig Filmregisseur – lebte die junge Frau mit Ehemann und der Anfang 1910 geborenen Tochter Ruth bis 1918 in der ungarischen Provinz, betätigte sich ausschließlich als Hausfrau. Im letzten Kriegsjahr 1918 stieß Cartellieri, ohne über irgendeine schauspielerische Erfahrung zu verfügen, in Budapest zum Film. Der Südtiroler Regisseur Cornelius Hintner1), (1875 – 1922), den sie per Zufall kennengelernt hatte, wurde von Anbeginn ihr Förderer. Zunächst spielte sie in dessen ungarischen Inszenierungen, wechselte aber Ende 1919 infolge der politischen Umwälzungen im nachrevolutionären Ungarn mit ihrem Ehemann und Hintner nach Wien. Dort ermöglichte Hintner ihr noch im selben Jahr, unter dem Pseudonym "Carmen Teschen", in dem Streifen "Anjula, das Zigeunermädchen" (1919) ihr österreichisches Leinwanddebüt.

Porträt der Carmen Cartellieri 1919
Foto mit freundlicher Genehmigung der Österreichischen Nationalbibliothek1) (ÖNB)
Urheber: Atelier D'Ora-Benda (Madame d'Ora1), 1881–1963)
Quelle/© ÖNB/Wien, Bildarchiv (Inventarnummer 204377-D)

Im Februar 1920 gründete Carmen Cartellieri zudem mit der "Cartellierifilm Ges.m.b.H." ihre eigene Produktionsfirma, in der auch ihr Mentor Hintner und ihr Ehemann tätig waren. Deren erster Film war der von Hintner in Szene gesetzte, überaus erfolgreiche, kolportagehafte Krimi um eine über Leichen gehende "Femme fatale" mit dem reißerischen Titel "Die Würghand"1) (1920). viennale.at notiert unter anderem: "Die Würghand" war der Film, mit dem die Cartellieri ihren Ruf als "Femme ­fatale" begründete: Eine schöne, skrupellose Frau, inmitten eines mysteriösen Familiengeheimnisses, konfrontiert mit Morden und übernatürlichen Todesfällen, Regisseur Cornelius Hintner erweitert die Theatralik der Geschichte durch den Einsatz von Spezialeffekten und unter Einbeziehung der Naturkulisse des Semmeringgebietes. → siehe auch den Artikel bei trugbilder.blogspot.de. Hintner drehte ganz auf seine Hauptdarstellerin zugeschnittene Hochgebirgsdramen wie "Das Drama in den Dolomiten" (1920), "Der weiße Tod" (1921) und "Die Sportlady" (1921), welches den Untertitel "Ein tragisches Spiel von Liebe und Börse" trug. Der letzte Film von Hintner, der für seine bevorzugten Protagonistin Cartellieri auch die Werbeplakate entworfen und gemalt hatte, war der Streifen "Töte sie!" (1922).

Carmen Cartellieri 1919 in Stola, mit Haarband in den Haaren
Foto mit freundlicher Genehmigung der Österreichischen Nationalbibliothek1) (ÖNB)
Urheber: Atelier D'Ora-Benda (Madame d'Ora1), 1881–1963); Datierung: 07.10.1919
Quelle/© ÖNB/Wien, Bildarchiv (Inventarnummer 204192-D)

Carmen Cartellieri 1919 in Stola, mit Haarband in den Haaren; Foto mit freundlicher Genehmigung der Österreichischen Nationalbibliothek (ÖNB); Urheber: Atelier D'Ora-Benda (Madame d'Ora, 1881–1963), Datierung: 07.10.1919; Quelle/Copyright ÖNB/Wien, Bildarchiv (Inventarnummer 204192-D)
Am 7. November 1922 starb Hintner während eines Kuraufenthaltes im niederösterreichischen Semmering1) überraschend mit nur 47 Jahren, Carmen Cartellieri verlor damit ihren engsten Förderer, was einen Einschnitt in ihrer Filmkarriere bedeutete. Zudem musste sie 1922 inflationsbedingt1) bzw. wegen finanzieller Schwierigkeiten ihre Filmfirma aufgeben und nahm anschließend Verpflichtungen bei anderen Firmen an, wie beispielsweise bei der renommierten Wiener "Vita-Film"1).
Insgesamt fünf Filme der "Cartellierifilm" bzw. mit Cartellieri, die sich überwiegend in Dramen und Melodramen und eher selten in Lustspielen zeigte, als Protagonistin entstanden unter der Regie ihres Ehemannes Mano Ziffer-Teschenbruck, so "Carmen lernt Skifahren" (1920), "Die Menschen nennen es Liebe" (1922), "Die Sünde der Inge Lars" (1922), "Parema – das Wesen aus der Sternenwelt" (1922) und "Die gelbe Gefahr" (1922). Ihre von Zeitgenossen gerühmte Attraktivität brachte ihr zeitgleich zwischen 1921 und 1923 mehrere Preise und Ehrungen ein, so den Titel "Schönste Wiener Schauspielerin" oder den "Wiener Modepreis".
Carmen Cartellieri 1919 mit Zweispitz und Halskrause, eine Puppen haltend; Foto mit freundlicher Genehmigung der Österreichischen Nationalbibliothek (ÖNB); Urheber: Atelier D'Ora-Benda (Madame d'Ora, 1881–1963), Datierung: 07.10.1919; Quelle/Copyright ÖNB/Wien, Bildarchiv (Inventarnummer 204191-D) Nach tragenden Rollen, unter anderem in dem Drama "Was ist Liebe…?"2) (1924) musste sich Carmen Cartellieri vermehrt mit weniger herausgehobenen Aufgaben zufrieden geben, spielte jedoch in einigen bemerkenswerten Filmen jener Jahre prägnante Nebenrollen und durfte neben heiteren und unbekümmerten Figuren auch immer wieder dramatische und zwiespältige Charaktere verkörpern. So trat sie beispielsweise in dem von Robert Wiene1) inszenierten, expressionistischen Klassiker "Orlac's Hände"1) (1924) neben Conrad Veidt in der Titelrolle des gefeierten Konzertpianisten Paul Orlac als Regine, Dienstmädchen von Pauls Ehefrau Yvonne (Alexandra Sorina1)) Erscheinung, gab als Annina die Begleiterin des Intriganten Valzacchi (Friedrich Fehér) in der ebenfalls von Wiene in Szene gesetzten stummen Adaption "Der Rosenkavalier"1) (1925) nach der gleichnamigen Oper1) von Richard Strauss1) (Musik) und Hugo von Hofmannsthal1) (Libretto) mit Michael Bohnen als Ochs von Lerchenau und Huguette Duflos1) als Marschallin.
  
  
Carmen Cartellieri 1919 mit Zweispitz und Halskrause, eine Puppen haltend
Foto mit freundlicher Genehmigung der Österreichischen Nationalbibliothek1) (ÖNB)
Urheber: Atelier D'Ora-Benda (Madame d'Ora1), 1881–1963); Datierung: 07.10.1919
Quelle/© ÖNB/Wien, Bildarchiv (Inventarnummer 204191-D)
Man sah sie beispielsweise als Prima Ballerina Madame Spalanzoni in Max Neufelds1) Dreieckskomödie "Der Balletterzherzog"1) (1926) und dem Untertitel "Ein Wiener Spiel von Tanz und Liebe" an der Seite von Richard Waldemar als der Ballettmeister, Werner Pittschau als Graf Paul Paladin, Adjutant des Erzherzogs Sixtus (Albert Paulig), und Dina Gralla als Ballettelevin Gabi/Eliza oder in der von Robert Wohlmuth1) inszenierten Geschichte "Infanterist Wamperls dreijähriges Pech"1) (1927), die auch unter dem Titel "Amor im Pechkessel" gezeigt wurde. Einmal mehr für Max Neufeld stand sie als Kassiererin Anna in dessen Meisterwerk "Die Strecke"2) (1927) vor der Kamera, stellte die als intrigant bezeichnete Gräfin Marie Louise von Larisch-Wallersee1) in Rolf Raffés1) "Mayerling"-Drama "Das Schicksal derer von Habsburg"1) (1928) dar, welches den Untertitel "Die Tragödie eines Kaiserreiches" trug – Alfons Fryland verkörperte den Kronprinz Rudolf1) (1858 – 1889) und einzigen Sohn des österreichischen Kaiserpaares (Erna Morena/Fritz Spira), der mit seiner Geliebten Mary Vetsera1) (1871 – 1899), gespielt von Leni Riefenstahl, auf Schloss Mayerling1) in der Nacht zum 30. Januar 1889 den Freitod wählte.

Carmen Cartellieri 1919 in einem Kleid mit tiefem Ausschnitt, mit einem Tuch
Foto mit freundlicher Genehmigung der Österreichischen Nationalbibliothek1) (ÖNB)
Urheber: Atelier D'Ora-Benda (Madame d'Ora1), 1881–1963); Datierung: 07.10.1919
Quelle/© ÖNB/Wien, Bildarchiv (Inventarnummer 204195-D)

Carmen Cartellieri 1919 in einem Kleid mit tiefem Ausschnitt, mit einem Tuch; Foto mit freundlicher Genehmigung der Österreichischen Nationalbibliothek (ÖNB); Urheber: Atelier D'Ora-Benda (Madame d'Ora, 1881–1963), Datierung: 07.10.1919; Quelle/Copyright ÖNB/Wien, Bildarchiv (Inventarnummer 204195-D)
Zu Carmen Cartellieris letzten Arbeiten für den Film zählte das Biopic "Erzherzog Johann"2) (1928), Max Neufelds Hommage an den volksverbundenen Erzherzog Johann von Österreich1) mit Igo Sym in der Titelrolle des Erzherzogs Johann von Österreich1) → Übersicht Stummfilme.
"Neben ihrer Filmkarriere, die primär durch die Verkörperung negativ konnotierter Frauenfiguren wie der "Femme fatale" geprägt war, tat Cartellieri sich auch als Verfasserin von Texten zur Schauspielkunst im Stummfilm (1919, 1927) hervor, in denen sie die medienspezifischen Anforderungen an Stummfilmschauspieler und -schauspielerinnen erläuterte." vermerkt das "Österreichische Biographische Lexikon".
Mit Aufkommen des Tomfilms zog sich Carmen Cartellieri, die in den 1920er Jahren auch immer wieder auf der Bühne, unter anderem am "Ronacher"1) auftrat, vollkommen vom Filmgeschäft zurück und widmete sich ihrem Privatleben. Vermutlich lebte sie mit ihrem Ehemann eine Zeit lang in Basel, Ende der 1930er-Jahre übersiedelte die Familie aber wieder nach Wien.*)
  
Obwohl sie noch vor Leni Riefenstahl die ersten, frühen Bergfilme mit Spielfilmhandlung und sich selbst in der Hauptrolle realisierte, kennt heute kaum noch Jemand ihren Namen. Die einstige Stummfilmdiva Carmen Cartellieri starb am 17. Oktober 1953 verarmt und von der Öffentlichkeit kaum beachtet im Alter von 62 Jahren in Wien1).
"Posthum widmete das "Filmarchiv Austria"1) Cartellieri im Rahmen der "Viennale"1) zwei Retrospektiven (2000, 2017), die das beinahe vergessene Schaffen einer der meistbeschäftigten lokalen Filmschauspielerinnen der 1920er Jahre der Öffentlichkeit zugänglich machten."*) → stummfilm-magazin.de, filmarchiv.at. Außerdem erschien  in der Edition "Film Geschichte Österreich" von dem Filmhistoriker Armin Loacker eine erste, Cartellieri gewidmete Publikation → hhprinzler.de.
Quelle: Wikipedia, cyranos.ch, "Österreichische Biographische Lexikon"
Fotos bei filmstarpostcards.blogspot.com
Fremde Links: 1) Wikipedia, 2) stummfilm.at
*) Quelle: "Österreichische Biographische Lexikon"
     
Carmen Cartellieri 1919 mit Schleier; Foto mit freundlicher Genehmigung der Österreichischen Nationalbibliothek (ÖNB); Urheber: Atelier D'Ora-Benda (Madame d'Ora, 1881–1963), Datierung: 07.10.1919; Quelle/Copyright ÖNB/Wien, Bildarchiv (Inventarnummer 204193-D) Carmen Cartellieri mit Stola; Foto mit freundlicher Genehmigung der Österreichischen Nationalbibliothek (ÖNB); Urheber: Atelier D'Ora-Benda (Madame d'Ora, 1881–1963), Datierung: 07.10.1919; Quelle/Copyright ÖNB/Wien, Bildarchiv (Inventarnummer 204204-D)
Carmen Cartellieri 1919 mit Schleier
Inventarnummer 204193-D
Carmen Cartellieri 1919 mit Stola
Inventarnummer 204204-D
Fotos mit freundlicher Genehmigung der Österreichischen Nationalbibliothek1) (ÖNB)
Urheber: Atelier D'Ora-Benda (Madame d'Ora1), 1881–1963); Datierung: 07.10.1919
Quelle/© ÖNB/Wien, Bildarchiv
Filme (Auszug)
Filmografie bei der Internet Movie Database sowie filmportal.de
(Fremde Links: cyranos.ch, stummfilm.at, Wikipedia; R = Regie, P = Produktion))
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