Fritz Spira erblickte am 1. August 1877 als Jakob Spira und Sohn eines Antiquitätenhändlers in Wien1), der Hauptstadt der ehemaligen Habsburgermonarchie1), das Licht der Welt. Gegen den Willen der Eltern besuchte er ab 1894 zwei Jahre lang die "k.k. Akademie für Musik und darstellende Kunst"1) und studierte Musik und Gesang, da er sich ursprünglich auf die Laufbahn eines Operettensängers konzentriert hatte.
1897 trat er dann ein erstes Engagement am "Königlich Städtischen Theater" von Olmütz1) (heute: Olomouc, Tschechien1)) als jugendlicher Liebhaber an, nach einem kurzen Intermezzo am "Stadttheater" in Troppau1) (heute: Opava, Tschechien) kam er 1899 an das Stadttheater von Breslau1) (heute: Wrocław, Polen). Hier gestaltete er vor allem die klassischen Liebhaberrollen, etwa den Leander in der Tragödie "Des Meeres und der Liebe Wellen"2) von Franz Grillparzer1), den Ferdinand in dem Goethe-Trauerspiel "Egmont"1) oder den Mortimer in dem Schiller-Drama "Maria Stuart"1). Nach nur einer Spielzeit wechselte Spira an das Wiener "Theater in der Josefstadt"1), um dann 1901 nach Berlin zu gehen. Hier wirkte er an diversen Bühnen, spielte unter anderem am "Residenz-Theater"1) (1902/03) und an den "Reinhardt-Bühnen"1) von Max Reinhardt1), wo er beispielsweise am "Kleinen Theater"1) mit dem Part des jungen Schumachers Aljoschka in der deutschen Erstaufführung (23.01.1903) des Schauspiels "Nachtasyl"1) von Maxim Gorki1) zu überzeugen wusste. 1904 trat er am "Neuen Theater" (heute "Theater am Schiffbauerdamm"1)) auf, im darauffolgenden Jahr am "Lustspielhaus"1), später an der "Komischen Oper"1) (1923) oder am "Theater in der Königgrätzer Straße" (heute "Hebbel-Theater"1)) – hier interpretierte Spira unter der Regie von Leo Mittler1) im Januar 1926 grandios den Gewürzkrämer Zangler in der Nestroy-Posse "Einen Jux will e sich machen"1) – schließlich 1930 bis 1933 am "Metropol-Theater"1) sowie an den von Alfred1) und Fritz Rotter1) betriebenen "Rotter-Bühnen". Eine letzte bedeutende Bühnenrolle gestaltete er am 25. Dezember 1933 in der Uraufführung des romantischen Singspiels "Die lockende Flamme" von Eduard Künneke1) am Berliner "Theater des Westens"1)www.klassika.info.

Der Schauspieler Fritz Spira etwa 1911
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Fritz Spira etwa 1911; Urheber: Unbekannt; Quelle: Wikimedia Commons; Lizenz: gemeinfrei
Zwischen seinen vielfältigen Berliner Engagements wirkte Spira auch anderen renommierten Bühnen, so in Hamburg am "Deutschen Schauspielhaus"1) (1906) und am "Residenz-Theater" (1908/09) in Frankfurt am Main1), wo er unter anderem als Moritz Stiefel in dem Drama "Frühlings Erwachen"1) von Frank Wedekind1) und als Osvald in dem Theaterstück "Gespenster"1) von Henrik Ibsen1) brillierte. Man sah ihn zudem am Berliner "Trianon-Theater"1) (1913/14), nach seiner fast vierjährigen Teilnahme als Soldat am 1. Weltkrieg trat er kurzzeitig auch ein Engagement am "Kaiser-Franz-Joseph-Theater" ("Stadttheater Berndorf"1)) im niederösterreichischen Berndorf1) an.
War Spiras Rollenfach anfangs das des jugendlichen Verehrers und Liebhabers, dann des Bonvivants und Charmeurs gewesen, profilierte er sich vor allem seit den 1920er Jahren als seriöser Charakterdarsteller bzw. Pčre noble. "Spira erzielte durch seinen österreichischen Sprachton, sein elegantes Auftreten und sein charmantes, wienerisches Wesen auf der Bühne große Wirkung und war auch als Operettensänger erfolgreich."*)
 
Schon früh interessierte sich Spira für die aufstrebende Kinematographie1), gehörte zu den Pionieren des Stummfilms. Einen ersten Auftritt hatte er in dem kurzen Streifen "Pro Patria" (1910), es folgten Produktionen wie das Lustspiel "Die kleine Residenz"1) (1913) mit Hedda Vernon als Partnerin, das Drama "Ein Lebenslied"1) (1917) oder der von Rudolf Meinert1) nach dem Roman "Ferdinand Lassalle" von Alfred Schirokauer1) realisierte Biopic über den Philosophen, Juristen und Schriftsteller Ferdinand Lassalle1) (1825 – 1964) als "Des Volkstribunen Glück und Ende" untertitelte Stummfilm "Ferdinand Lassalle"1) (1918) mit Erich Kaiser-Titz in der Titelrolle. "Trotz respektabler Aufgaben – Spira spielte unter anderem den Baron in Rudolf Meinerts Adaption (1919) von Maxim Gorkis1) "Nachtasyl"1), den über Leben und Tod zweier Anarchisten zu entscheidenden US-Gouverneur Fuller1) in "Im Schatten des elektrischen Stuhls"1) und den Kaiser Franz Joseph I.1)  in "Die dritte Eskadron"1) – konnte sich der Schauspieler im Medium Film nie wirklich durchsetzen. Bald musste er sich mit Nebenrollen zufrieden geben." notiert Kay Weniger1)**)
Zu Spiras Leinwandrollen zählte der österreichische Heerführer
Generalfeldmarschall Gideon Ernst von Laudon1) in "Schicksalswende"1) (1923), dem vierten Teil von Arzén von Cserépys Historien-Vierteiler "Fridericus Rex"1), mit dem die wichtigsten Stationen im Leben des von Otto Gebühr dargestellten preußischen Königs Friedrich II.1) erzählt wurden. Mehrfach erhielt Spira Aufgaben von Regisseur Hans Steinhoff1), so als Graf von Wittenburg in der Adaption "Gräfin Mariza"1) (1925) nach der gleichnamige Operette1) von Emmerich Kálmán1) mit Vivian Gibson  in der Titelrolle und Harry Liedtke als Graf Tassilo/Török, als Wiener Geschäftsmann Berndörfer bzw. Vater von Lonerl (Anita Dorris) in der Komödie "Wien – Berlin"1) (1926) mit dem Untertitel "Ein Liebesspiel zwischen Spree und Donau" und als reicher Erbonkel Salomon Stern in der überwiegend in einem jüdischen Caféhaus spielenden, unter anderem mit Szöke Szakall und Siegfried Arno gedrehten, amüsanten Geschichte "Familientag im Hause Prellstein"1) (1927). Einmal mehr den Kaiser Franz Joseph I.1) gab er in Rolf Raffés1) Drama "Das Schicksal derer von Habsburg"1) (1928), welches den Untertitel "Die Tragödie eines Kaiserreiches" trug – Alfons Fryland verkörperte als Kronprinz Rudolf1) (1858 – 1889) den einzigen Sohn von Franz Joseph und dessen Gemalin Kaiserin Elisabeth1)  (Erna Morena), der mit seiner Geliebten Mary Vetsera1) (1871 – 1899), dargestellt von Leni Riefenstahl, auf Schloss Mayerling1) in  der Nacht zum 30. Januar 1889 den Freitod wählte. Zu Spiras letzten Arbeiten für den Stummfilm zählte, erneut unter der Regie von Hans Steinhoff, die als "Nur ein Gassenmädel" untertitelte, deutsch-britische Produktion "Nachtgestalten"1) (1929), gedreht nach dem Roman "The Alley Cat" von Gladys Alexandra Milton alias Anthony Carlyle mit Mabel Poulton1), Jack Trevor und Clifford McLaglen1) in den Hauptrollen → Übersicht Stummfilme.
  
Im frühen Tonfilm mimte Spira meist hochgestellte Militärs wie als Major in der tragischen Liebesgeschichte "Zwei Welten"1) (1930) bzw. der deutschen Version des britischen Streifens "Two Worlds", als Oberst in der leichten Komödie "Kasernenzauber" (1931) oder als General von Hessendorf, Onkel der mit Major von Koppel (Ralph Arthur Roberts) verheirateten Ilse (Maly Delschaft), in der Militärklamotte "Dienst ist Dienst"3) (1931). Die Arbeit des vielseitigen Künstlers vor der Kamera beschränkte sich jedoch überwiegend auf kleine bis kleinste Nebenrollen, beispielsweise als Polizist vor der Oper in dem nach dem Bühnenstück "Der Tokaier" von Hans Müller-Einigen1) mit Emil Jannings gedrehten Künstlermelodram "Liebling der Götter"1) (1930), als ein Aristokrat in dem Biopic "Rasputin"1) (1932) mit Conrad Veidt als der russische "Wunderheiler" Rasputin1) oder als Journalist Labinger in dem amüsanten Abenteuer "Jonny stiehlt Europa"1) (1932) von (Regie) und mit Harry Piel. Einen österreichischen Offizier mimte er in Carl Froelichs1) Historienfilm "Der Choral von Leuthen"1) (1933), einem weiteren "Fridericus-Rex-Film"1) mit Otto Gebühr als Preußenkönig Friedrich II.1), einen letzten, winzigen Auftritt in einer Kinoproduktion hatte Spira ala Bistro-Kellner unter der Regie von Hermann Kosterlitz1) in dem österreichischen Musik- und Liebesfilm "Tagebuch der Geliebten"1) (1935) mit Lili Darvas1) als Malerin Maria Bashkirtseff1) und Hans Jaray1) als deren Geliebter, der Schriftsteller Guy de Maupassant1) 
Erwähnenswert ist seine Mitwirkung in der ersten, abendfüllenden, von Martin Rikli1) (Dokumentarfilm-Szenen) und Rudolf Biebrach (Atelier) gedrehten Dokumentation der Ufa über Nordafrika, Cyrenaika1), Tripolitanien1) und Süd-Tunesien mit dem Titel "Am Rande der Sahara"3) (1930), hier trat Spira in der Rahmenhandlung (Spielhandlung) als Journalist Goltz in Erscheinung → Übersicht Tonfilme.
 
Mit der so genannten "Machtergreifung"1) der Nationalsozialisten am 30. Januar 1933 wurde das Leben in Deutschland für den Künstler mit jüdischen Wurzeln zusehend schwieriger bzw. gefährlicher. Seit dem 20. Dezember 1905 mit der nicht-jüdischen Theaterschauspielerin Lotte Andresen-Spira1) (1863 – 1943) verheiratet, wurde diese 1934 von den Nazis gezwungen, sich von ihrem Ehemann scheiden zu lassen. Wenig später verließ Fritz Spira das Deutsche Reich1) und ging in das polnisch-oberschlesische Bielitz1) (heute: Bielsko-Biała), wo er als Schauspieler und Oberspielleiter am deutschsprachigen Stadttheater wirkte. Von den braunen Machthabern 1935 aus der "Reichstheaterkammer"1) sowie der "Reichsfilmkammer"1) ausgeschlossen, kehrte er im selben Jahr in sein Geburtsland Österreich zurück, fand jedoch kaum noch eine Beschäftigung und war nahezu mittellos. Mit dem "Anschluss Österreichs"1) bzw. der De-facto-Annexion Österreichs durch das nationalsozialistische Deutsche Reich im März 1938 verschlimmerte sich die Situation für Spira zusehend, Versuche, ins Ausland zu fliehen scheiterten.
"Nachdem er schließlich ein Visum für Shanghai1) erhalten hatte, soll der Schauspieler bei der Passausgabe angemerkt haben, dass der für Juden einzustempelnde Buchstabe "J" fehle. Daraufhin wurde er augenblicklich verhaftet. Am 3. März 1941 wurde Spira im Rahmen einer sogenannten "Polen-Aktion" von seinem Wohnsitz im 1. Wiener Bezirk1), Wiesingerstraße 1/4/20, verschleppt und deportiert. Spiras Leben endete 1943 in dem kleinen, in Kroatien gelegenen Ort Ruma1) (Anm. heute Serbien1)"**) Wann genau Spira in dem in der Vojvodina1) liegenden "KZ Ruma" von den Nazi-Schergen ermordet wurde, ist unklar.

"Stolperstein"1) für Fritz Spira, der im Alter
von 61 Jahren dem Nazi-Terror zum Opfer fiel.
Standort: Behrenstraße 55–57 (Berlin-Mitte1))
Urheber: Wikipedia-User OTFW (Berlin)
Lizenz: CC BY-SA 3.0; Quelle: Wikimedia Commons

"Stolperstein" für Fritz Spira, Behrenstraße 55–57 (Berlin-Mitte); Urheber: Wikipedia-User OTFW (Berlin); Lizenz: CC BY-SA 3.0; Quelle: Wikimedia Commons
Am 17. Dezember 1943 – kurz nachdem sie erfahren hatte, dass ihr Ehemann in einem KZ ums Leben gekommen sei – starb Lotte Spira mit nur 60 Jahren. Sie hinterließ die beiden gemeinsamen Töchter Camilla Spira (1906 – 1997) und Steffie Spira (1908 – 1995), denen noch vor Ausbruch des 2. Weltkrieges die Flucht aus Nazi-Deutschland gelungen war. Steffie Spira emigrierte bereits 1933 in die Schweiz, zur Freilassung der bereits im Durchgangslager Westerbork1) (Niederlande) für den Transport in ein Vernichtungslager vorgemerkten Camilla Spira trug wesentlich die bewusste Falschaussage der Mutter bei, welche die Vaterschaft von Fritz Spira ableugnete; Bis zum Ende des Krieges lebte Camilla Spira mit ihrer Familie in Amsterdam. Beide Töchter traten in die Fußstapfen ihrer Eltern und avancierten zu angesehenen Schauspielerinnen.
Quelle (unter anderem*) **)): Wikipedia, cyranos.ch
*) D. Loibl: Spira Jacob Fritz. In: Österreichisches Biographisches Lexikon 1815–1950 (ÖBL). Band 13, Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (Wien 2007–2010), S. 31 f.) → Direktlink (PDF) auf S. 31, S. 32 oder www.biographien.ac.at
**) Kay Weniger: "Zwischen Bühne und Baracke. Lexikon der verfolgten Theater-, Film- und Musikkünstler 1933 bis 1945" (Metropol, Berlin 2008, S. 322/323)
Fremde Links: 1) Wikipedia, 2) franzgrillparzer.at, 3)  filmportal.de
Lizenz Foto Fritz Spira (Urheber: Unbekannt): Dieses Bild ist gemeinfrei, da das Urheberrecht abgelaufen ist und die Autoren anonym sind. Das gilt in der EU und solchen Ländern, in denen das Urheberrecht 70 Jahre nach anonymer Veröffentlichung erlischt.
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