Der am 6. August 1882 als Kurt Lilienthal in Berlin geborene Künstler Kurt Lilien war als Sänger, Revue-Artist, Schauspieler und Kabarettist sehr vielseitig. Seine Karriere begann der 20-Jährige im Jahre 1903 am Berliner "Intimen Theater", 1904 wechselte er an das "Stadttheater Wesel"1). Die nachfolgenden Jahre wirkte der "stattliche Mann mit dem markanten, breiten Mund"*) bei den Theaterunternehmen von Hermann Haller1), so bei dessen "Haller-Ensemble" (1905–1907) und am "Neuen Operettentheater" (1908) in Leipzig, zwischen 1909 und 1920 trat er – unterbrochen durch den 1. Weltkrieg – in Hamburg am "Carl-Schultze-Theater"1) als Operettensänger und Possendarsteller auf. Dann kehrte er in die Metropole Berlin zurück, spielte unter anderem 1922/23 am ebenfalls (bis 1923) von Haller geleiteten "Theater am Nollendorfplatz"1). So richtig populär wurde Lilien, der sich inzwischen vor allem als Komiker einen Namen gemacht hatte, zwischen 1923 und 1929 mit seinen Auftritten im "Admiralspalast"1), wo er in etlichen, legendär gewordenen "Haller-Revuen" Erfolge feierte. Als Haller mit der Revue "Drunter und drüber", für die Walter Kollo1) die Musik komponiert hatte und aus dem die Berlin-Hymne "Solang noch Untern Linden die alten Bäume blühn, kann nichts uns überwinden, Berlin bleibt doch Berlin" stammt, das zum Revuetheater umgebaute "Theater im Admiralspalast" am 7. September 1923 eröffnete, gehörte Lilien mit der Figur des Generaldirektors Max Schliephake zum Ensemble, den er auch in "Noch und Noch" (1924/25) und teilweise in "Achtung! Welle 505" (1925/26) mimte. Er stellte einen zum Fabrikdirektor aufgestiegenen Portier dar, der wie im Rausch durch die verschiedenen Szenen der Revue schwankte.

Kurt Lilien auf einer Künstlerkarte der "Ramses"-Filmbilder-Reihe (Album 3)
herausgegeben von der ehemaligen, von Georg Anton Jasmatz1) (1846–1929)
gegründeten Dresdener "Zigarettenfabrik Jasmatzi"1)
Quelle: Deutsche Fotothek, (file: df_pos-2009-d_0000014_022); 
©/Rechteinhaber SLUB Dresden/Deutsche Fotothek; Unbekannter Fotograf
Quelle: www.deutschefotothek.de; Genehmigung zur Veröffentlichung: 30.03.2017

Kurt Lilien auf einer Künstlerkarte der "Ramses"-Filmbilder-Reihe herausgegeben von der ehemaligen, von Georg Anton Jasmatz1) (1846–1929) gegründeten Dresdener "Zigarettenfabrik Jasmatzi"; Quelle: Deutsche Fotothek, (file: df_pos-2009-d_0000014_022); Copyright/Rechteinhaber SLUB Dresden/Deutsche Fotothek; Unbekannter Fotograf; Quelle: www.deutschefotothek.de; Genehmigung zur Veröffentlichung: 30.03.2017
 Weitere Revuen, in denen Lilien glänzen konnte, hießen "An und Aus" (1926/27), "Wann und Wo?" (1927/28) und zuletzt "Schön und Schick" (1928/29) → grammophon-platten.de; zu seinen "Mitstreitern" in diesen Revuen zählten neben den berühmten "Tiller-Girls"1) beispielsweise Max Ehrlich, Paul Morgan, Trude Hesterberg, Harry Lamberts-Paulsen und Alice Hechy.
Darüber hinaus trat der schwergewichtige Charakterkomiker in verschiedenen Operetten in Erscheinung, beispielsweise als Joachim XIII., regierender Fürst von Flausenthurn, in "Ein Walzertraum"1) von Oscar Straus1), als Sohn Horst in "Der fidele Bauer"1) von Leo Fall1) und als Njegus, Kanzlist bei der pontevedrinischen Gesandtschaft, in "Die lustige Witwe"1) von Franz Lehar1). Mit Beginn der 1930er Jahre spielte Lilien an der Boulevardbühne "Theater in der Behrenstraße"1) (1930/31), an der "Komischen Oper"1) (1931–1933) – unter anderem in der Weltpremiere (16.10.1931) von Ralph Benatzkys1) musikalischem Lustspiel "Zur gold'nen Liebe"1) – und im Sommer 1933 am "Rose-Theater"1). Seine letzte bedeutende Rolle hatte er in der Uraufführung (23.11.1932) von Eduard Künnekes1) Operette "Glückliche Reise"1) im "Theater am Kurfürstendamm"1).
 
Bereits zu Stummfilmzeiten stand Kurt Lilien vor der Kamera und gab als Rennfahrer Jensen sein Debüt in Paul Ottos Verfilmung von Frank Wedekinds1) Tragödie "Der Erdgeist"1), die unter dem Titel "Erdgift"1) Ende 1919 bzw. Anfang 1920 mit Grit Hegesa in der Hauptrolle in die Lichtspielhäuser gelangte. Danach waren seine Leinwandauftritte eher sporadisch, seine letzten Stummfilme drehte er unter der Regie von Richard Oswald1), der ihn in dem nach der Posse von Julius Freund1) gedrehten Schwank "Eine tolle Nacht"1) (1926) als "Palisadenkarl" besetzte, und mit Willi Wolff1), der den Revue-Streifen "Die schönsten Beine von Berlin"1) (1927) mit seiner Ehefrau Ellen Richter in der weiblichen Hauptrolle in Szene gesetzt hatte. "Prickelnde Revue-Atmosphäre beschworen Auftritte der Tanztruppen "Charell Boys", "Dodge Sisters" und "Original Lawrence Tiller Girls" herauf, für bodenständigen "comic relief"1) sorgten bekannte Berliner Komiker wie Henry Bender, Kurt Gerron und Kurt Lilien." notiert Wikipedia → Übersicht Stummfilme.
Mit Beginn der Tonfilm-Ära intensivierte Kurt Lilien seine Arbeit für den Film und zeigte sich in den wenigen Jahren, die ihm noch vergönnt waren, in mehr als 40 Produktionen mit mehr oder weniger prägnanten Chargenrollen – mitunter als unsympathischer Spießer oder Neureicher – auf der Leinwand.
Seine erste Tonfilmrolle war die des Landstreichers bzw. Zeugen Kulicke in Gustav Ucickys1) ersten Verfilmung "Hokuspokus"1) (1930) nach der Komödie von Curt Goetz an der Seite von Willy Fritsch und Lilian Harvey. Als Amadeus, Schwiegervater von Dr. Gerhard (Harry Frank1)), tauchte er in der amüsanten Geschichte "Lumpenball"1) (1930) auf, präsentierte sich in dem Berliner Schwank "Bockbierfest"2) (1930) oder in der ganz auf Dolly Haas zugeschnittenen Komödie "Dolly macht Karriere"1) (1930). Man sah ihn unter anderem als Requisiteur Danton in der musikalischen Komödie "Baby" (1932) neben Anny Ondra, als Besitzer eines Wachsfigurenkabinetts in der Militärkomödie "Drei von der Kavallerie"2) mit Paul Hörbiger, Fritz Kampers und Paul Heidemann in den Hauptrollen, als Milchhändler Laberkow in dem abenteuerlichen Krimi "Jonny stiehlt Europa"1) (1932) von und mit Harry Piel, als Nachtportier in dem Abenteuer "Manolescu, der Fürst der Diebe"1) (1933) mit Iván Petrovich als Georges Manolescu1) und als Hausdiener Emil in der heiteren Story "Gruß und Kuß – Veronika"2) (1933) mit Franziska Gaal – zugleich sein letzter Auftritt in einem abendfüllenden Unterhaltungsfilm → Übersicht Tonfilme.
Vereinzelt soll er auch für die Synchronisation gearbeitet und in der ersten deutschsprachigen Fassung des Disney-Klassikers "Schneewittchen und die sieben Zwerge"1) (1937, "Snow White and the Seven Dwarfs") dem von Pinto Colvig1) gesprochenen Zwerg Brummbär (Grumpy) und dem Zwerg Hatschi (Sneezy = Billy Gilbert1)) seine Stimme geliehen haben → trickfilmstimmen.de.
 
Nach der so genannten "Machtergreifung"1) der Nationalsozialisten am 30. Januar 1933 konnte Kurt Lilien ab Frühjahr 1933 wegen seiner jüdischen Herkunft in Deutschland nicht mehr arbeiten. Er floh in die Niederlande fand Beschäftigung in den Revuen des ebenfalls nach Amsterdam emigrierten Impresarios Rudolf Nelson1), wo er mit anderen Emigranten bzw. alten Kollegen aus besseren Berliner Tagen wie Max Ehrlich, Otto Wallburg oder Willy Rosen auf der Bühne stand und in den Sommermonaten auch an den Gastspielen in Scheveningen1) teilnahm. "Gelegentlich führten ihn Gastspiele ins westliche Ausland (so z.B. im April/Mai 1939 nach Paris ans "Vienne à Paris"). In der Revue von Karl Farkas1) "Wir fallen aus dem Rahmen" gelang ihm im Mai 1939 in Paris noch einmal ein schöner Erfolg."**)
Mit dem Einmarsch der deutschen Wehrmacht in den Niederlanden am 10. Mai 1940 war das Schicksal des jüdischen Künstler weitgehend besiegelt. Ab November 1941 bis Februar 1942 sowie im Mai/Juni 1942 hatte er zwar noch einige Auftritte im Kabarett "Het Joodsche Kleinkunst-Ensemble" an der "Joodsche Schouwburg" in Amsterdam, dessen Gebäude dann ab Juli 1942 von den deutschen Besatzern als Amsterdams zentraler Sammelpunkt für Juden vor ihrer Deportation in die Konzentrationslager bzw. das Lager Westerbork diente. Auch Kurt Lilien wurde in das "Durchgangslager Westerbork"1) deportiert, dann 1943 in das Vernichtungslager Sobibor1) nahe des Ortes Sobibór1) im südöstlichen Polen verschleppt. Hier wurde der 60-jährige Künstler kurz nach seiner Ankunft am 28. Mai 1943 von den Nazi-Schergen in den Gaskammern ermordet. Laut Handbuch des deutschsprachigen Exiltheaters 1933–1945***) war er verheiratet, näheres wird jedoch nicht ausgeführt.
Der als Kurt Lilienthal geborene Künstler war übrigens der Onkel des populären Schauspieler, Sängers und Moderators Gerry Wolff (1920 – 2005). Kurts Bruder Erich Lilienthal, ein Kinobetreiber, fungierte nach dem frühen Tod von Gerry Wolffs Eltern – er wurde mit elf Jahren Vollwaise – als Vormund seines Neffen. Mit Aufkommen des Rassenwahns des Hitler-Regimes gelang es Erich Lilienthal Gerry 1935 mit einem Kindertransport nach Großbritannien zu schicken und so vor den Nazi-Schergen zu schützen.
Quelle (unter anderem*) **)): Wikipedia, cyranos.ch sowie
Handbuch des deutschsprachigen Exiltheaters 1933-1945***)
Fotos bei virtual-history.com
*) Kay Weniger: "Zwischen Bühne und Baracke. Lexikon der verfolgten Theater-, Film- und Musikkünstler 1933 bis 1945" (Metropol, Berlin 2008, S. 226)
**) Kay Weniger: "Es wird im Leben dir mehr genommen als gegeben …' Lexikon der aus Deutschland und Österreich emigrierten Filmschaffenden 1933 bis 1945. Eine Gesamtübersicht" (ACABUS Verlag, 2011, S. 311 f)
***) Handbuch des deutschsprachigen Exiltheaters 1933–1945; Herausgeber: Frithjof Trapp, Werner Mittenzwei, Henning Rischbieter, Hansjörg Schneider; Band 2: Biographisches Lexikon der Theaterkünstler von Frithjof Trapp, Bärbel Schrader, Dieter Wenk, Ingrid Maaß (Teil 2, L–Z, S. 587 f; K G Saur, München 1999)
Fremde Links: 1) Wikipedia, 2) filmportal.de
Filme
Stummfilme / Tonfilme
Filmografie bei der Internet Movie Database sowie filmportal.de
(Fremde Links: Wikipedia, filmportal.de,  felix-bloch-erben.de, Murnau Stiftung, whoswho.de)
Stummfilme Tonfilme
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