Der Name des einstigen Stummfilm-Stars Ressel Orla ist heute wohl nur noch Filmhistorikern ein Begriff, das mag auch daran liegen, dass sie aufgrund ihres frühen Todes den Tonfilm nicht mehr erobern konnte.
Ressel Orla vor 1930 auf einer Fotografie von Nicola Perscheid (1864–1930); Quelle: Wikimedia Commons; Lizenz: gemeinfrei

Geboren wurde Ressel Orla am 18. Mai 1889 in Bozen1) (Südtirol) mit dem bürgerlichen Namen Therese Ochs. 1907 begann die damals 18-Jährige ihre Karriere am "Metropolt-Theater"1) in Hannover1), weitere Engagements führten die dunkelhaarige attraktive junge Frau dort an das "Deutsche Theater" und an die "Schauburg"1). Anschließend wechselte sie bis April 1911 nach Düsseldorf1) sowie im Mai 1912 ins niedersächsische Bad Nenndorf1) nahe Hannover. Kurz darauf kam Ressel Orla nach Berlin, wo die auch als Sängerin talentierte junge Frau am populären "Residenztheater"1) im Fach der "Salondame" und als "Lustspiel-Diva" erste Aufmerksamkeit erregte. Hier wurde sie von dem Drehbuchautor und Regisseur Walter Turszinsky1) (1874 – 1915) für das noch junge Medium Film entdeckt. Erste Erfahrungen vor der Kamera hatte Ressel Orla bereits in Rudolf Del Zopps kurzem, stummen Streifen "Radium" (1913) sammeln können, mit der von Turszinsky gemeinsam mit Jacques Burg1) geschriebenen heiteren Geschichte "Die Firma heiratet"1) (1914) sowie der Fortsetzung "Der Stolz der Firma"1) (1914) bewies sie unter der Regie von Carl Wilhelm1) an der Seite von Protagonist Ernst Lubitsch1) ihr komödiantisches Talent.
  
Ressel Orla vor 1930 auf einer Fotografie
von Nicola Perscheid1) (1864 – 1930)
Quelle: Wikimedia Commons;
Angaben zur Lizenz (gemeinfrei) siehe hier

Vor allem der berühmt gewordene Ernst Lubitsch verhalf Ressel Orla zu einer steilen Leinwandkarriere, mit ihm als Regisseur und Partner drehte sie das heute als verschollen geltende Lustspiel "Blindekuh"1) (1915) und konnte sich so vor allem in Komödien, aber auch Melodramen in der Stummfilm-Szene etablieren, arbeitete nun ausschließlich für den Film.
Es folgten prägnante Rollen in Produktionen wie "Ein Wiedersehen in Feindesland"1) (1915), "Der Krieg brachte Frieden"1) (1915), "Der Onkel aus Amerika"1) (1915), "Musketier Kaczmarek"1) (1915), "Der Sekretär der Königin"1) (1916) oder "Hoffmanns Erzählungen"1) (1916) nach Motiven der gleichnamigen Oper1) von Jacques Offenbach1), die wiederum auf einigen Novellen von  E. T. A. Hoffmann1) beruhte und wo sie sich neben Erich Kaiser-Titz (der ältere E. T. A. Hoffmann) bzw. Kurt  Wolowski1) (der junge Hoffmann) als Antonia, Tochter des Rat Crespel (Ernst Ludwig1)), zeigte. Streifen mit so reißerischen Titeln wie "Die Faust des Schicksals"1)  (1917), "Marionetten des Hasses"  (1918) oder "Das Todestelephon" (1919) lockten das Publikum in die Lichtspielhäuser, mit der Story "Die Sünde" (1918), gedreht von (Regie) und mit Alwin Neuß als Partner, startete die "Decla-Film-Gesellschaft"1) (Produzent Erich Pommer1)) eine eigens auf die Hauptdarstellerin ausgelegte "Ressel Orla"-Reihe, in der sie sich nun auf das "hochdramatische" Fach konzentrierte.

Ressel Orla vor 1929
Urheber: Alexander Binder1) (1888 – 1929)
Quelle: www.cyranos.ch;
Angaben zur Lizenz (gemeinfrei) siehe hier

Ressel Orla vor 1929; Urheber: Alexander Binder (1888–1929); Quelle: www.cyranos.ch; Lizenz: gemeinfrei
Die Berliner "Lichtbild-Bühne"1) (Bd. 11, Nr. 28, 13.07.1918, S. 72) meinte begeistert: "Ressel Orla erscheint als die rassige Frau, die ihr Temperament zu zügeln weiß, das aber im gegebenen Moment emporlodert und alles um sich beherrscht. Hier entflammt das Feuer der Begeisterung, das begeistert. Hinzu kommt, daß Ressel Orla auch alle äußeren Vorzüge mitbringt, die dazu gehören, schon beim ersten Erscheinen Sympathie zu erwecken. Ja, es scheint nicht ausgeschlossen, daß sich diese Sympathie gegenüber einem solchen Vollbluttalent erhält, selbst dann, wenn der darzustellende Charakter an sich wenig sympathisch ist. In "Die Sünde" hat Ressel Orla zuerst das junge Ding zu spielen, das unter der Macht der Verhältnisse, um den sterbenden Vater zu retten, Modell wird. Als sie dann später allein steht in der Welt, steigt sie auf zu leidlosem Glück, aus dem die Vergangenheit sie stößt. Da aber erwacht in ihr der Stolz des Weibes, dem nur das Recht auf das eigene Ich gilt. In diesen Szenen voller Glut und Leidenschaft war Ressel Orla von hinreißender, elementarer Gewalt."3)
  
Mit Fritz Langs1) ebenfalls als verschollen geltenden Drama "Halbblut"1) (1918) bzw. der Figur des hinterhältig-verführerischen "Halbbluts" Juanita avancierte Ressel Orla als Partnerin von Carl de Vogt
(1885 – 1970) endgültig zum Star. "Der Kinematograph"1) (Düsseldorf, Bd. 13, Nr. 640/41) schrieb am 23. April 1919 unter anderem: "Das "Marmorhaus"1) führt einen neuen Film aus der "Ressel Orla"-Serie 1918/19 auf. Es ist die Geschichte zweier Männer und einer Frau "Halbblut" und illustriert die Folgen, die die Heirat mit einer Halbblütigen haben kann. "Ein Halbblut kann man zu seiner Geliebten machen, aber man heiratet es nicht!" sagt ein Freund zu dem jungen Ehegatten. Sie, eine in Mexiko aufgegriffene Opiumdirne, vernimmt diese Worte und beschließt, sich für diese Beleidigung zu rächen. Die Rache bildet dann den Inhalt der Tragödie. In den Hauptrollen sind Ressel Orla und Carl de Vogt, Carl Gebhard-Schröder und Paul Morgan beschäftigt. Ressel Orla, der Decla-Star, steht natürlich mit einer überaus dankbaren "Titelrolle" im Mittelpunkt des Interesses."3)
Ressel Orla vor 1930 auf einer Fotografie von Nicola Perscheid (1864–1930); Quelle: Wikimedia Commons; Lizenz: gemeinfrei Mit Regisseur Fritz Lang sowie Carl de Vogt als Filmpartner drehte Ressel Orla wenig später das zweiteilige Abenteuer "Die Spinnen"1) (1919: "Der goldene See"/"Das Brillantenschiff") und erschien als gefährliche Millionärin Lio Sha, Anführerin des Geheimbundes "Die Spinnen". Hier notierte "Der Kinematograph" (Düsseldorf, Bd. 13, Nr. 666) am 8. Oktober 1919: "Karl de Vogt vom Berliner Schauspielhaus verkörperte ausgezeichnet den Abenteurertyp des Kay Haag. Er ist in allen Künsten bewandert, reitet wie ein Cowboy, schwimmt, klettert mit großer Kühnheit und Gewandtheit und fingiert sogar einen Absturz mit dem Fallschirm aus dem Korb eines Luftballons, den er zuvor tollkühn am Seil erklettert hat, als der Ballon bereits im Aufstieg begriffen ist. Ihm ebenbürtig in Spiel und Gewandtheit ist Ressel Orla, sowohl als elegante amerikanische Sportlady und Millionärin, wie als gewagte Abenteuerin und Oberhaupt der "Spinnen", jenes Geheimbundes, der der Serie den Namen gibt. Lil Dagover war, bekleidet und unbekleidet, eine reizende Sonnenpriesterin. Georg John gab, originell in Spiel und Maske, den Dr. Telphas. Auch alle anderen Mitwirkenden sind lobend zu erwähnen. Prächtig waren die Typen der beiden alten Inkapriester, besonders der eine, ein wahres Adlergesicht, im Profil wie gemeißelt."3); mehr Kritiken aus jener Zeit bei filmhistoriker.de
 
Ressel Orla vor 1930 auf einer Fotografie
von Nicola Perscheid1) (1864 – 1930)
Quelle: Wikimedia Commons
Angaben zur Lizenz (gemeinfrei) siehe hier
Bis Ende der 1920er Jahre drehte Ressel Orla in rascher Folge etliche stumme Streifen, den Erfolg von "Die Spinnen" konnte sie jedoch nicht mehr wiederholen, tragende Parts hatte sie unter anderem in den Dramen "Hazard"2) (1921), "Das Mädchen, das wartet"2) (1921), "Die Lou vom Montmartre" (1921), "Lebenshunger" (1922) und "Frauen die den Weg verloren"4) (1926). Gegen Ende ihrer Karriere musste sie sich in Stummfilmen wie "Die Abenteuer eines Zehnmarkscheines"1) (1926) oder in dem mit Asta Nielsen gedrehten Melodram "Das gefährliche Alter" (1927) mit Nebenrollen zufrieden geben. Letztmalig trat sie als Stiefmutter der weiblichen Hauptdarstellerin (Grit Haid) in der Geschichte "Es war einmal ein treuer Husar" (1929) auf der Leinwand in Erscheinung → Übersicht Stummfilme.
Wegen einer längeren, schweren Krankheit, der sie schließlich erlag, konnte Ressel Orla keine weiteren schauspielerischen Verpflichtungen mehr annehmen. Sie starb, nahezu vergessen und verarmt, am 23. Juli 1931 – wenige Wochen vor ihrem 42. Geburtstag – in Berlin1); die letzte Ruhe fand sie auf dem "Wilmersdorfer Waldfriedhof Stahnsdorf"1) in  der Gemeinde Stahnsdorf1).
Der Berliner "Kinematograph" (Bd. 25, Nr. 169, 25.07.1931, S. 4.) schrieb anlässlich des Todes unter anderem: "Donnerstag starb, kaum vierzig Jahre alt, Ressel Orla, deren Name vor ein paar Jahren oft und berechtigt groß auf den Plakaten und auf der Lichtreklame unzähliger deutscher Filmtheater aufstrahlte. Sie verschwand eigentlich aus diesem oder jenem Grund genau so schnell wieder, wie sie aufgestiegen. Viele ihrer Freunde haben das bedauert, aber es ist nun einmal beim Film so, daß der große Stern von heute kometengleich am anderen Tage versinkt, um vorläufig nicht wieder aufzuleuchten. Ressel Orla hat aus ihrer großen Zeit noch manchen guten Freund behalten. Sie hätte sicherlich gerade in der Zeit des Tonfilms noch manche Chance gehabt. Denn sie kam vom Theater und soll eine ausgezeichnete Sängerin und Sprecherin gewesen sein."

Ressel Orla, fotografiert
von Wilhelm Willinger1) (1879 – 1943)
Quelle: kulturpool.at von theatermuseum.at
Inventarnummer: FS_PP239960alt
Lizenz: CC BY-NC-SA 4.0

Ressel Orla, fotografiert von Wilhelm Willinger (1879–1943); Quelle: kulturpool.at von theatermuseum.at; Inventarnummer: FS_PP239960alt; Lizenz: CC BY-NC-SA 4.0
Siehe auch Wikipedia, cyranos.ch sowie www.filmhistoriker.de;
Fotos bei filmstarpostcards.blogspot.com
Fremde Links: 1) Wikipedia, 2) Murnau-Stiftung, 4) filmportal.de
Quelle: 3) filmhistoriker.de
Lizenz Foto Ressel Orla (Urheber Nicola Perscheid, Alexander Binder): Diese Bild- oder Mediendatei ist gemeinfrei, weil ihre urheberrechtliche Schutzfrist abgelaufen ist. Dies gilt für die Europäische Union, die Vereinigten Staaten, Australien und alle weiteren Staaten mit einer gesetzlichen Schutzfrist von 70 Jahren nach dem Tod des Urhebers.
Stummfilme (Auszug)
Filmografie bei der Internet Movie Database, filmportal.de sowie
frühe Stummfilme bei "The German Early Cinema Database"
(Fremde Links: filmportal.de, Wikipedia, Murnau Stiftung, cyranos.ch; R = Regie)
Um zur Seite "Die stummen Stars"  zurückzukehren, bitte dieses Fenster schließen.
Home: www.steffi-line.de