|
Sonja Ziemann (Sonja Alice Selma Toni Ziemann) wurde am 8. Februar 1926
in Eichwalde1) bei Berlin als Tochter eines Steuerberaters geboren. Schon
im Alter von zehn Jahren begann sie ein Tanzstudium bei Tatjana Gsovsky1)
(1901 1993) in Berlin,
brach mit vierzehn Jahren die Schule ab und erhielt nur ein Jahr später nach
Abschluss der Ballettausbildung ein Engagement am berühmten Berliner "Plaza". Als Soubrette und Revuestar
machte Sonja Ziemann in Operetten und Revuen Furore, nach dem Krieg dann im Kabarett und an
Theatern, hatte Bühnenengagements in Zürich, München und Köln.
Seit Anfang der 1940er Jahre spielte sie nach einer soliden Ausbildung an
der Ufa-Schauspielschule auch kleine Rollen in zahlreichen Filmen, ihr
Leinwanddebüt hatte sie 1942 an der Seite von Paul Kemp und Margit Debar in
der volkstümlichen Komödie "Ein Windstoß"1) gegeben, wenig
später war sie als eine der vier jungen Bräute in dem anspruchsvollen Familienfilm
"Die Jungfern vom Bischofsberg"2) nach dem Lustspiel von Gerhart Hauptmann1)
zu sehen. Die Ziemann zählte zunächst zu
den begabten, aber unauffälligen Nachwuchsdarstellerinnen, deren
tänzerisches und musikalisches Talent in Nebenrollen genutzt
wurde, erst im deutschen Unterhaltungsfilm
der Adenauer-Ära traf ihr durch Natürlichkeit und Impulsivität geprägter Typus
des Durchschnittsmädchens genau den Geschmack des auf problemlose Kinounterhaltung
ausgerichteten Publikums.
Sonja Ziemann mit Opernsänger Otto Falvay in der Operette "Die Kinokönigin"
von Jean Gilbert1)
1948 am Berliner "Metropol-Theater"1)
Regie: Max Marfeld
Quelle: Deutsche
Fotothek, (file: df_pk_0000707_023)
© SLUB Dresden/Deutsche Fotothek/Abraham Pisarek
Urheber: Abraham
Pisarek1) (19011983); Datierung: 12.1948
Quelle: www.deutschefotothek.de;
Genehmigung zur Veröffentlichung: 30.03.2017 |
Mit "Schwarzwaldmädel"1) (1950)
und "Grün ist die Heide"1) (1951)
avancierte die Ziemann schlagartig
zum Star und Idol des deutschen Unterhaltungskinos die Streifen selbst zum Inbegriff
des Heimatfilm-Genres. Die von Hans Deppe1) gedrehte
Romanze "Schwarzwaldmädel" war der erste deutsche Farbfilm nach
dem Krieg der erste deutsche Heimatfilm der 1950er Jahre überhaupt.
Er entstand nach der gleichnamigen Operette1) von
August Neidhardt1)
(Libretto) und Leon Jessel1)
(Musik) und löste einen Boom in diesem Genre aus. Sonja Ziemann
agierte als adrettes "Schwarzwaldmädel" Bärbele,
die für ihre Tante beim Domkapellmeister Römer (Paul Hörbiger) als
Haushälterin aushilft; Rudolf Prack
(1905 1981) mimte den Maler Hans Hauser,
der sich auf einem Ball in die hübsche junge Frau verliebt und
ihr ins heimatliche Postkartendorf St. Christoph folgt. Bevor er
die Schöne als die Seine in die Arme schließen darf,
muss er es noch mit mehreren Nebenbuhlern aufnehmen. Der Film geriet zum
Kassenschlager, rund 16 Millionen Zuschauer stürmten das Kino, um für
anderthalb Stunden in die heile Welt auf der Leinwand einzutauchen und die
Sorgen der Nachkriegszeit zu vergessen. Ein noch größerer Erfolg (mehr als 19 Millionen Zuschauer) wurde der
ein Jahr später gezeigte, ebenfalls von Hans Deppe inszenierte Streifen "Grün ist die Heide" nach
Motiven von Hermann Löns1): Hier tauschte Rudolf Prack
den Malerkittel gegen den grünen Rock, streifte als schmucker Förster Walter Rainer durch
die Lüneburger Heide und erspähte das liebenswerte Mädel
Helga Lüdersen, in das er sich Hals über Kopf
verliebte. Nach allerlei Wirrungen Helgas Vater (Hans Stüwe) ist ein
gesuchter Wilddieb war das Happyend auch hier natürlich vorprogrammiert. "Grün ist die Heide"
kam als gelungene Mischung aus Liebesfilm, Krimi und musikalischer Komödie
daher, angesiedelt in einem idyllischen Naturambiente, und gilt bis heute als
"der" klassische Heimatfilm überhaupt. Kein geringerer als
Ufa-Legende Willy Fritsch
(1901 1973) sorgte als Amtsrichter mit diversen Gesangseinlagen
für die notwendige musikalische Untermalung, für die heitere Komponente
waren mit ihren (eher klamaukhaften) Einlagen die drei "Trottel vom Dienst" Hannes
(Hans Richter),
Jünnes (Ludwig Schmitz) und
Nachtigall (Kurt Reimann1))
zuständig.
|
|
Spätestens jetzt hatten sich Sonja Ziemann und Rudolf Prack als "Traumpaar" der
1950er Jahre etabliert, drehten noch Filme wie "Die Diebin von Bagdad"1) (1952), "Die Privatsekretärin"2) (1953),
"Dany, bitte schreiben Sie"1) (1956) oder "Kaiserball"1) (1956).
Doch auch mit anderen Partnern wie Adrian Hoven,
Paul Hubschmid,
Gunnar Möller,
Paul Klinger und
Claus Biederstaedt blieb
Sonja Ziemann zunächst dem Klischee des lieben Mädels verhaftet. Mit Paul Hubschmid beispielsweise
drehte sie das Melodram "Mit 17 beginnt das Leben"1) (1953, Regie Paul Martin), in Martins
Benatzky-Adaption "Meine Schwester und ich"1) (1954)
war sie die südamerikanische Prinzessin Christine, für die man einen geeigneten
Mann auf Adelsebene sucht und die sich in den bürgerlichen Ingenieur (Adrian Hoven)
verliebt, bei dem sie sich um ihn zu angeln als Schuhverkäuferin ausgibt.
Abbildung DVD-Cover mit freundlicher Genehmigung der heute
nicht mehr existierenden
"e-m-s new media AG"
|
Doch Sonja Ziemann wollte dem ihr aufgedrückten Heimatfilm-Image entfliehen
und wagte sowohl auf der Leinwand als auch auf der Theaterbühne erfolgreich den Sprung ins Charakterfach.
So zeigte sie sich 1955 an der Seite von Curd Jürgens und
Heidemarie Hatheyer
als Ursula, die in Erich Engels Bühnenadaption "Liebe ohne Illusion"1) ihre Schwester mit deren Mann betrügt. Sie spielte
auch die Studentin Agniezka in
Aleksander Fords zeitkritischem Film
"Der achte Wochentag"1) (1958) nach dem Roman des polnischen
Schriftstellers Marek Hłasko1) (1934 1969), den die Ziemann 1961
in zweiter Ehe heiratete.
Eine überzeugende
Rolle war auch die Hotelsekretärin Françoise Flamme, genannt
"Flämmchen", in Gottfried Reinhardts
Remake des Garbo-Films "Menschen im Hotel"1) (1959, mit
O.W. Fischer und
Michčle Morgan),
in nachhaltiger Erinnerung bleibt sie als Protagonistin in Helmut Käutners
Satire "Der Traum von Lieschen Müller"1) (1961). Weitere Filme, in
denen sich Sonja Ziemann mit dramatischen Frauenfiguren zeigte, waren Frank Wisbars
ergreifenden Kriegsfilme "Hunde, wollt ihr ewig leben"1) (1958)
und "Nacht fiel über Gotenhafen"1) (1959), in dem
spannenden Abenteuer "Abschied von den Wolken"1) (1959) sah man sie erneut als Partnerin
von O. W. Fischer, in dem Drama "
denn das Weib ist schwach"1) (1961)
zeigte sie sich an der Seite von Helmut Schmid. Sonja Ziemann
war auch international gefragt und erfolgreich, 1961 spielte
sie neben Richard Widmark,
Senta Berger
und Charles Regnier in Phil Karlsons
Spionagethriller "The Secret Ways"1)
(Geheime Wege), 1968 erlebte man sie in John Guillermins
hochkarätig besetzten Kriegsfilm "The Bridge at Remagen"1) (Die Brücke von
Remagen).
Filmplakat zu "Nacht fiel über Gotenhafen"
Urheber: Helmuth Ellgaard1) (19131980); Lizensiert durch Sohn Holger.Ellgaard
Lizenz: CC BY-SA 3.0;
Quelle: Familienarchiv Ellgaard
bzw. Wikimedia
Commons
|
|
Seit Mitte der 1960er Jahre konzentrierte sich Sonja Ziemann verstärkt auf
ihre Arbeit am Theater und stand nur noch selten vor der Kamera. Bereits 1962
hatte sie als Eliza Doolittle in dem Musical "My Fair Lady"1)
einen enormen Theatererfolg in München verbuchen können, in den
folgenden Jahren setzte sie trotz persönlicher Schicksalsschläge ihre
Bühnentätigkeit unvermindert fort und gehörte viele Jahre zu den
renommierten Darstellern der Theaterszene.
1973 beispielsweise ging sie zusammen mit Götz George
und dem Theaterstück
"Endstation Sehnsucht"1) von Tennessee Williams auf Europatournee. Vereinzelt übernahm
sie Aufgaben für das Fernsehen, so beispielsweise 1971 für Rolf Sydows
dreiteiligen Durbridge-Straßenfeger
"Das Messer" oder 1973 mit einer Gastrolle in der Episode
"Der Geigenspieler"3) aus der beliebten Krimiserie "Der Kommissar".
Zuletzt erlebte die Schauspielerin 1996 ein TV-Comeback in einer Folge der populären
RTL-Reihe "Guten Morgen Mallorca"1)
sowie ein Jahr später in zwei Episoden der Sat.1-Serie "Park Hotel Stern"1)
→ Übersicht Filmografie.
Das Privatleben des Publikumslieblings Sonja Ziemann, die man zu Recht
als Ikone des deutschen Nachkriegsfilms bezeichnet, war von tragischen
Schicksalsschlägen gezeichnet. Ihre erste, 1953 geschlossene Ehe mit dem Wiesbadener Strumpffabrikanten Rudolf Hambach
scheiterte trotz eines gemeinsamen Sohnes bereits 1956. Die Verbindung
(Heirat 1961) mit dem Dichterrebellen,
Ausnahmeschriftsteller und Drehbuchautor Marek Hlasko1) wurde durch
dessen Tod endgültig getrennt: Der 1934 in
Warschau geborene Marek Hlasko, seit vielen Jahren alkohol- und tablettenabhängig, starb am 14. Juni 1969 in Wiesbaden an einer
Überdosis Schlaftabletten, nur sieben Monate später starb Sonja Ziemanns
Sohn Pierre aus erster Ehe mit nur 17 Jahren an einer Atemlähmung als Folge
einer Tumorerkrankung. Die Schauspielerin durchlitt eine tiefe Krise, die sie
nur mit Hilfe ihrer Familie sowie guter Freunde meisterte. In einem Gespräch
in der ARD-Talkshow "Beckmann"1) erzählte Sonja Ziemann im Mai 2006
von dieser schweren Zeit, "Weitermachen oder gar nicht mehr" war
die Frage, die sich die Ziemann damals stellte. Sie entschied sich für
"Weitermachen", auch wenn ihr dies drei Jahrzehnte lang nur durch
Einnahme von Tabletten gelang, wie sie in der Talkshow gestand.
Zu den guten Freunden, welche Sonja Ziehmann nach dem Tod ihres Sohnes Pierre
beistanden, gehörte der Schauspieler Charles Regnier
(1914 2001) und dessen Frau, die
Schauspielerin und Sängerin Pamela Wedekind1)
(1906 1986), Tochter des Dramatikers Frank Wedekind1)
(1864 1918).
Nach dem Tod von Pamela Wedekind am 9. April 1986 wurde aus der tiefen
Freundschaft zu Charles Regnier eine innige Liebesbeziehung. 1989 heiratete
das Paar, lebte unter anderem in Ambach1) am Starnberger See und ging immer wieder
gemeinsam auf Tournee, so zuletzt bis Mitte der 1990er Jahre mit dem Dialogstück "Adelaide"
von Robert Lamoureux1).
Seit dem Ableben von Charles Regnier, der am am 13. September 2001
im Alter von 87 Jahren an den Folgen eines Schlaganfalls starb,
lebte Sonja Ziemann lange Jahre zurückgezogen abwechselnd am Tegernsee1) und in
St. Moritz1) (Schweiz).
Wie sie 2006 in der Talkshow "Beckmann"1) das Publikum wissen ließ, zog sie ihre Kraft
aus dieser Liebe zu dem charismatischen Künstler "Er ist immer noch präsent."
Ihre Erinnerungen veröffentlichte der einstige Leinwandstar 1998 unter dem Titel "Ein Morgen gibt es immer";
in Briefform schildert sie ihrem toten Sohn darin nicht nur ihre turbulenten
Erlebnisse aus der Welt des Theaters und des Films, sondern auch den
schmerzhaften Prozess ihrer Selbstfindung nach harten Schicksalsschlägen.
Zurückblicken konnte sie auf verschiedene Auszeichnungen, bereits 1950 erhielt
sie einen "Bambi"1)
in der Kategorie "Schauspielerin National" für den Heimatfilm
"Schwarzwaldmädel" zum "Schauspieler National"
wurde ihr
Partner Rudolf Prack gekürt. Am 27. November 1990 überreichte man
Sonja Ziemann, wie etlichen anderen Publikumslieblingen oder
Persönlichkeiten, im Rahmen der "42.
Bambi-Verleihung"1) im Opernhaus in Leipzig
den so genannten "Mini-BAMBI". Das "Filmband in
Gold"1) für "langjähriges
und hervorragendes Wirken im deutschen Film" wurde ihr 1984 verliehen.
Sonja Ziemann starb am 17. Februar 2020, wie ihr Bruder der "Deutschen Presse-Agentur" bestätigte,
neun Tage nach ihrem 94. Geburtstag in einem Münchener
Seniorenstift, wo sie zuletzt gelebt hatte. Beigesetzt wurde sie auf dem Berliner
"Waldfriedhof
Zehlendorf"1) in der Grabstelle ihrer Eltern und ihres Sohnes → Foto der
Grabstelle bei knerger.de.
|