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Jacques Brel wurde am 8. April 1929 als jüngstes Kind von Romain Brel (1883 1964) und dessen
13 Jahre jüngeren Ehefrau Elisabeth (1896 1964) in der Gemeinde Schaarbeek
bei Brüssel geboren; ein Zwillingspaar starb 1922 kurz nach der Geburt, der ältere Bruder Pierre
erblickte 1923 das Licht der Welt. Der Vater, ein französischsprachiger Flame,
betrieb zusammen mit seinem, Schwager die Kartonagenfabrik "Vanneste & Brel"
mit rund 1.200 Arbeitern
und Angestellten und so schien der weitere Lebensweg des jungen Jacques
vorherbestimmt. Nach dem Besuch einer Privatschule sowie einer entsprechender
Ausbildung in Saint-Louis
trat er in das väterlichen Unternehmen ein und heiratete am 1. Juni 1950
die zwei Jahre ältere
Therèse Michielsen, genannt "Miche". Anfang Juni 1953 jedoch gab er
diese bürgerliche Biederkeit auf, verließ mit Unterstützung seiner
Familie für ein Jahr Brüssel und ging nach Paris seine
Ehefrau sowie seine zwei Töchter Chantal (1951 1999) und France (geb. 1953)
blieben zunächst in Brüssel; Tochter Isabelle wurde 1958 geboren.
Schon 1948 hatte Brel begonnen, Chansons zu schreiben und wollte sich
nun ausschließlich seiner großen Liebe, der Musik, widmen.
Er trat mit seinen Liedern zunächst relativ unbeachtet von der
Öffentlichkeit in Bistros und Avantgardelokalen
sowie dem "Theatre des Trois-Baudets"
auf, spielte auch einige Schallplatten ein und schrieb Songtexte für andere
Interpreten. Er tourte in der Provinz und in Nordafrika,
darunter 1955 mit dem Jazzklarinettisten Sidney Bechet1) (1897 1959).
Erst 1958 gelang Brel, der den Sozialisten nahe stand, mit seinen Liedern
bei einem Konzert im Pariser "Olympia" der Durchbruch und seither gehörte
der Künstler zur Weltklasse der Chansonsänger.
Jacques Brel im Februar 1963
Rechteinhaber: Nationaal
Archief (Den Haag, Rijksfotoarchief; Bestandsnummer: 914-8398)
Urheber/Fotograf: Joop van Bilsen / Anefo; Quelle: Wikimedia
Commons;
Lizenz: www.gahetna.nl/over-ons/open-data
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Mit seinen intellektuell
anspruchsvollen und gefühlvollen Chansons, die er sowohl in französisch
als auch in niederländisch darbot, begeisterte er sein Publikum in den
folgenden Jahren bei unzähligen Gastspielen in der ganzen Welt; zwischen
Konzerten in Belgien und Frankreich trat er unter anderem in Kanada, Tokio und
der UdSSR auf, füllte in London die "Albert Hall" und in New York
die "Carnegie-Hall", avancierte zum "Aushängeschilds der
frankophonen Kultur" wie Wikipedia notiert.
1960 wurden bereits 150.000 Singles und 50.000 Langspielplatten
verkauft und mit Titeln wie "Ne me quitte pas"1) (1959),
"La valse a mille
temps" (1959), "Les Flamandes" (1959),
"Le plat pays"1) (1962)
oder "Amsterdam"1) (1964) hatte er
sich der Belgier in die erste Riege der französischen
Chansons-Interpreten gesungen.
Über seine Art zu singen schrieb damals der "Spiegel": "Emphatisch
und ungestüm wie ein singendes Tier hat sich der Belgier Brel seinem
Publikum dargeboten. Brel grimassierte und fuchtelte, wenn
er vors Publikum trat, und er sang dabei mit pathetischem Elan,
mal frivol und salopp, mal larmoyant, oft verhalten, meist aggressiv
und bisweilen auch mit sehr viel Geschmack fürs Makabre von seinem
flämisch-flachen Land, vom Amsterdamer Hafen, von den Armen, den Kumpels, der Verlassenheit und
der nächsten Liebe, von Marieke, Clara, Titine und
Mathilde
".
Jacques Brel am 21. März 1962 im TV-Programm "Domino"
Rechteinhaber: Nationaal
Archief (Den Haag, Rijksfotoarchief; Bestandsnummer: 913-6743)
Urheber/Fotograf: Jac. de Nijs / Anefo; Quelle: Wikimedia
Commons;
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Im Herbst 1966 gab Brel bekannt, dass er künftig keine
umfangreichen Tourneen mehr absolvieren wolle, verabschiedete sich 1967 nach dem Musical
"L'homme de la mancha", wo er die Titelrolle des Don Quijote
gespielt hatte, von der Bühne und widmete sich verstärkt dem Film.
In der nachfolgenden Zeit trat er in 10 Kinoproduktionen in Erscheinung.
So stand er 1967 in André Cayattes "Les risques du metier"
(Verleumdung/Berufsrisiko)
mit der Hauptrolle vor der Kamera, 1969 erlebte man in als Landarzt Benjamin
in Édouard Molinaros Literaturadaption "Mon
oncle Benjamin"1) (Der Mann im roten Rock), 1971 war er in
Jean Valères "Mont-Dragon" als Leutnant Georges Dormond zu sehen. Mit Lino Ventura zeigte er sich in Claude Lelouchs skurrilen
Geschichte "Die
Entführer lassen grüßen"1) (L'aventure, c'est
l'aventure), in nachhaltiger Erinnerung ist Brel erneut neben Lino Ventura als genervtem Profikiller in
Édouard Molinaros wunderbaren Komödie "Die
Filzlaus"1) (1973, L'emmerdeur) geblieben. Bei
der Kinoproduktion von "Franz"1) (1972),
einer Low-Budget-Produktion mit Brels Chanson-Kollegin Barbara1),
sowie "Le Far West" (1973)
führte er nach eigenem Drehbuch auch selbst Regie. Letztgenannter Film, Belgiens Beitrag zu den
"Internationalen Filmfestspielen von Cannes 1973" geriet zum
Misserfolg, "Die Geschichte einer Gruppe von Menschen, die im Wilden Westen
nach dem verlorenen Paradies ihrer Kindheit suchen, traf weder beim Publikum noch bei der Kritik auf Verständnis"
kann man bei Wikipedia lesen.
Brel hatte nun genug von der Filmerei und widmete sich unter anderem auf
den Marquesas Inseln nördlich von Tahiti dem Privatleben. Der Rückzug
aus dem Showgeschäft bzw. der Öffentlichkeit hing wohl in erster Linie mit seiner Erkrankung
zusammen: Die Ärzte hatten Lungenkrebs diagnostiziert und Brel wurde 1974
eine halbe Lunge entfernt. Danach brach er von Teneriffa aus mit einer Jacht
und unbekanntem Ziel über die Ozeane auf.
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1977 kam er, gezeichnet von seiner Krankheit, unerwartet nach Paris zurück und
nahm ein neues Album mit dem
Titel "Brel" auf, welches bereits nach wenigen Tagen 650.000 Mal und
bis heute mehr als 2 Millionen Mal verkauft wurde.
Bereits ein Jahr später starb Jacques Brel am 9. Oktober 1978 im Alter von
nur 49 Jahren in einer Klinik in Bobigny bei Paris an den Folgen seiner
Lungenkrebserkrankung bzw. an Herzversagen. Seine letzte Ruhestätte fand er auf dem "Cimetière
Calvaire" (oberhalb von Atuona) der im Pazifik gelegenen Insel Hiva Oa,
nur wenige Meter entfernt vom Grab des berühmten Malers Paul Gauguin1)
→ Foto der Grabstelle von Jacques Brel bei Wikimedia
Commons.
Zuletzt war die aus Guadeloupe stammende Schauspielerin Maddly Bamy1)
an seiner Seite, die er 1971 bei den Dreharbeiten zu "Die Entführer lassen grüßen"
kennen und lieben gelernt hatte.
Privat führte Brel ein Doppelleben: Seit 1960 lebte er in Paris mit der Pressesprecherin
eines Schallplattenkonzerns zusammen, die er 1970 verließ, um mit ihrer Freundin eine Beziehung
einzugehen. Dennoch blieb er weiterhin mit Miche verheiratet, die sich um geschäftliche Belange kümmerte, etwa Brels 1962 gegründete
"Éditions Pouchenel", die seine Lieder vermarktete. Regelmäßig besuchte
der Chansonnier seine Familie in Brüssel, wo er sich gegenüber den Kindern als
konservativer Familienvater zeigte, der kaum etwas von jener Zärtlichkeit zu transportieren vermochte, die in Chansons wie
"Un enfant" gerade gegenüber Kindern zu spüren ist.2)
Jacques Brel Ende Oktober 1971 im niederländischen Baarn
Rechteinhaber: Nationaal
Archief (Den Haag, Rijksfotoarchief; Bestandsnummer: 925-0800)
Urheber/Fotograf: Rob Mieremet / Anefo; Quelle: Wikimedia
Commons;
Lizenz: www.gahetna.nl/over-ons/open-data
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Der Sänger, Dichter und Komponist hinterließ Hunderte von unvergessenen
Liedern und seine Erscheinung auf der Bühne, seine mitreißende Begeisterung
bei der Interpretation und im Rhythmus seiner Lieder, seine zugleich zarte und
kräftige Wortwahl sind auch noch heute unvergessen.
1997 erschien im Bremer Achilla Verlag von Olivier Todd die
Biografie "Jacques Brel ein Leben".
Gemeinsam mit Charles Trenet1)
und Georges Brassens1)
nimmt er unter den Chansonniers, die ihre eigenen Lieder vortragen, eine
herausragende Stellung ein. Die Themen seiner Chansons decken ein weites
Spektrum von Liebesliedern bis zu scharfer Gesellschaftskritik ab. Seine
Auftritte waren gekennzeichnet durch einen expressiven, dramatischen Vortrag.
Zahlreiche andere Sänger interpretierten seine bekanntesten Chansons wie
"Ne me quitte pas", "Amsterdam", "Le plat pays" oder
"Madeleine" und übertrugen sie in andere Sprachen, so auch den
internationalen Hit "Seasons in the Sun"1).
Im deutschen Sprachraum sind besonders Michael Heltau3)
und Klaus Hoffmann1)
als Brel-Interpreten bekannt.2)
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