Milva im Februar 2009; Urheber: Wikimedia-User Sailko; Lizenz: CC BY-SA 3.0; Quelle: Wikimedia Commons Die Chanson-Ikone Milva wurde am 17. Juli 1939 als Maria Ilva Biolcati in dem kleinen Städtchen Goro1) bei Ferrara1) (Emilia-Romagna) in eine nicht grade begüterte Familie hineingeboren. Mit 16 Jahren verlor ihr Vater durch einen Unfall seine berufliche Existenz und auch die Tochter musste zum Lebensunterhalt der Familie beitragen. Sie tingelte als Sängerin durch Vorstadtkneipen, mit zwanzig Jahren nahm sie neben mehr als 7.500 Konkurrenten an einem Gesangswettbewerb bei der italienischen Fernsehgesellschaft RAI1) teil und ging daraus als Siegerin hervor. Anschließend ließ sie sich in Gesang und Tanz unterrichten, ein erster Plattenvertrag schloss sich an.
Dann ging es Schlag auf Schlag: Durch ihre Teilnahme 1961 am "Festival von San Remo"1), wo sie zusammen mit Gino Latilla1) und dem Lied "Il mare nel cassetto" den dritten Platz errang, wurde Milva in ganz Italien bekannt, ein Jahr später wählte sie die italienische Kritikervereinigung zur "Sängerin des Jahres" – der Beginn einer einzigartigen internationalen Karriere für die Sängerin mit dem üppigen rote Haarschopf, der fortan zu ihrem Marken- und Erkennungszeichen wurde. Zwischen 1961 und 2007 nahm sie insgesamt fünfzehn Mal am "Sanremo-Festival" teil. Dort war 1962 "Tango italiano" mit dem 2. Platz ihr größter Erfolg; sie hielt damit den Rekord mit den meisten Teilnahmen ohne Sieg. Milva tauchte als Dauergast in den Hitparaden auf, die italienischen Schlagerfans machten sie zu ihrem Idol und wie kaum für eine andere italienische Sängerin stellte sich ein grandioser Erfolg ein; unter anderem geriet "Tango Italiano" zum Millionenseller. Dann lernte Milva den italienischen Opernregisseur Giorgio Strehler1) (1921 – 1997) kennen, arbeitete mit ihm ab 1966 eng an dessen "Piccolo Teatro"1) in Mailand zusammen und machte eine Wandlung mit, wie vorher keine andere Sängerin.

Milva im Februar 2009
Urheber: Wikimedia-User Sailko; Lizenz: CC BY-SA 3.0
Quelle: Wikimedia Commons

Mit anspruchsvollen Chansons in italienischer, französischer und deutscher Sprache begeisterte die rothaarige Schönheit ein weltweites Publikum, ihre leidenschaftliche Interpretation vor allem der Texte von Bertolt Brecht1) ließen die Kritiker aufhorchen. Seit Anfang der 1970er Jahre hatte Milva Brecht für sich entdeckt, 1973 beispielsweise sang sie in Giorgio Strehlers berühmten Inszenierung von "Die Dreigroschenoper"1) die Spelunken-Jenny, im gleichen Jahr gastierte sie mit ihrem Brecht-Programm beim "Edinburgh Festival"1). Unvergessen bleibt auch seit der Premiere am 7. November 1980 die Hauptrolle der Anna I und Anna II in "Die sieben Todsünden der Kleinbürger"1) von Bertolt Brecht (Libretto) und Kurt Weill1) (Musik) an der "Deutschen Oper"1) in Berlin in einer Inszenierung von Mario Pistoni (1932 – 1992) → milva-gala.de. Tourneen rund um den Globus festigten Milvas Ruf als ausgezeichnete Brecht-Interpretin.  
1976 erhielt Milva den "Preis der deutschen Schallplattenkritik"1) für "Milva canta Brecht", ein Jahr später kam dann ihr erstes deutschsprachiges Album "Auf den Flügeln bunter Träume" auf den Markt, diesmal mit Liedern unter anderem von Friedrich Hollaender1), Peter Kreuder1) und Robert Stolz1). Ende der 1970er folgte das vielbeachtete Album wie "Von Tag zu Tag" mit Chansons von Mikis Theodorakis1) bzw. Texten von Thomas Woitkewitsch1), mit sozialkritischen Titeln wie "Zusammenleben" oder "Die Macht der Gewohnheit" trug sie zum Wandel des damaligen Frauenbildes bei.
Viele ihrer Titel wurden in Deutschland zu Millionen-Hits und sind heute Klassiker, so beispielweise "Freiheit in meiner Sprache" (Ennio Morricone1), Thomas Woitkewitsch) oder "Typisch Mann (Niemals verlorst du die Kontrolle)" aus dem 1979 veröffentlichten Album "Was ich denke", legendär ist inzwischen ihr "Hurra, wir leben noch" (Klaus Doldinger1), Thomas Woitkewitsch) aus dem Album "Unverkennbar" (1983); für "Was ich denke" erhielt Milva 1980 eine zweite "Goldene Schallplatte"1). Die temperamentvolle Diva mit der unverwechselbaren dramatischen Altstimme und dem rauchig-dunklen Timbre veröffentlichte im Verlaufe der Jahre unzählige weitere, weltweit erfolgreiche Alben mit unterschiedlichster Thematik, die sich hier nicht alle aufzählen lassen → Auswahl Diskografie bei Wikipedia.

Neben ihrem einzigartigen Ruf als Sängerin machte sich "La Rossa" auch einen Namen als Schauspielerin. Unter anderem zeigte sie sich aks Adriana in der Liebeskomödie "La bellezza di Ippolita"2) (1962, "Die schöne Ippolita") an der Seite von Gina Lollobrigida, mit Silvana Mangano drehte sie das Drama "D'amore si muore" (1972), mit Michel Serrault1) und Michel Piccoli stand sie unter der Regie von Jacques Rouffio1) für die kriminalistische Komödie "Mon beau-frère a tué ma soeur"3) (1986, "Mein Schwager hat meine Schwester getötet") vor der Kamera, der 1986 bei den "Internationalen Filmfestspielen Berlin"1) im Wettbewerb lief. In dem Thriller "Prisonnières"4) (1988, "Gefangene") sah man sie als Lucie Germon an der Seite von Annie Girardot, Dieter Funk besetzte sie in als Irene dem Drama "Amaurose"4) (1991) unter anderem zusammen mit Günter Lamprecht und Otto Sander und auch in der vierteiligen historischen TV-Chronik "Liebesau – die andere Heimat"1) (2001) war sie mit der kleinen Rolle der Frau Agniollini im ersten Teil zu sehen. Als Moderatorin trat Milva Anfang der 1980er Jahre in ihrem Heimatland Italien auf und präsentierte für die "RAI" die Samstagabendsendung "Al Paradise", für welche ihr ein Jahr später die "Goldene Rose" beim Festival "Rose d'Or"1) von Montreux1) verliehen wurde.

Seit Anfang Februar 2005 befand sich Milva mit einem zweieinhalbstündigen "Best-of"-Programm auf einer Abschiedstournee mit dem Programm "Alle meine Lieder von Liebe", das sie bis Ende März durch 22 Städte in Deutschland und der Schweiz führte, und in dem sie wieder einmal die ganze Bandbreite ihres Könnens zeigte. Im Repertoire befanden sich neben den überwiegend legendären Klassikern auch Lieder aus ihrer CD "Milva canta Marini" (2004) nach Gedichten der Italienerin Alda Merini1) (komponiert von Giovanni Nuti). Nicht nur das Publikum, auch die Kritiker waren begeistert von Milvas Ausstrahlung und Dominanz, mit der sie alle in ihren Bann zog. So schrieb unter anderem die "Kölnische Rundschau"1): "Drei Federboas, vier herrliche Kostüme, vier Sprachen und eine einzelne Rose. Mehr benötigte die überzeugende Sängerin in ihrer durchweg ehrlichen Show nicht, um einen oftmals ergreifenden und anspruchsvollen Abend zu inszenieren, der beim Hörer ein übergreifendes Gefühl hinterlassen konnte." Und die "Süddeutsche Zeitung"1) notierte unter anderem "Am Ende gibt es stehende Ovationen für eine Künstlerin, deren gewaltige Stimme, gepaart mit perfekt inszeniertem Auftreten, den Glanz vergangener Zeiten zum Leben erweckt – Zeiten, in denen weibliche Stars noch Göttinnen waren."
So ganz wolle sich Milva jedoch nicht zurückziehen, wie sie in einem Interview sagte, so werde sie auch künftig noch in Fernsehshows auftreten, auch vereinzelte Konzerte seien geplant. So trat sie am 2. August 2008 zusammen mit der Operndiva Montserrat Caballé1) (1933 – 2018 ) und  dem Musical-Star Angelika Milster1) auf dem Theaterplatz in Dresden im Rahmen eines Freiluftkonzertes mit dem bezeichnenden Programmtitel "Diva Maxima" auf. Ein Erlebnis der besonderen Art war sicherlich auch ihre Hauptrolle in dem Stück "Der Besuch der alten Dame"1) von Friedrich Dürrenmatt1) bei den "Festspiele Reichenau"1) im Sommer 2009. Es war die erste große Sprechrolle der italienischen Sängerin Milva. Noch dazu in einer ihr fremden Sprache. Doch das Rollendebüt bei den "Festspielen Reichenau" ist Programm! Wenn Milva die rachsüchtige Multimilliardärin Claire Zachanassian in Friedrich Dürrenmatts "tragischer Komödie" "Der Besuch der alten Dame" spricht und spielt, wenn sie für eine Milliarde von der Kleinstadt Güllen die Tötung ihres Geliebten Alfred Ill wünscht, dann passt die Exotik der gedehnten Aussprache, die langsam ausgekosteten Phoneme zur Aura dieser Rachegöttin und ihrer unheimlichen Künstlichkeit. schrieb unter anderem das "Deutschlandradio". Ihr letztes Album veröffentlichte Milva 2010 unter dem Titel "Non conosco nessun Patrizio" ("Milva canta Battiato") mit Songs von Franco Battiato1). Im September des gleichen Jahres ließ sie die Presse wissen, dass sie sich aus gesundheitlichen Gründen als Live-Sängerin nach 52 Jahren von der Show-Bühne zurückziehen wolle.5) Hin und wieder erfreut sie ihr Publikum doch noch auf der Bühne oder bei Fernsehauftritten, wie beispielsweise am 3. März 2012 in der populären Unterhaltungs-Show "Musikantenstadl"1). 2011 nahm sie zusammen mit Stephan Sulke1) das 1984 von Sulke geschriebene Lied "Das muss doch gehn" im Duett auf; diese neue Version erschien 2011 auf Sulkes Album "Enten hätt' ich züchten sollen…"
 
Verschiedene Auszeichnungen belegen die Popularität bzw. künstlerische Leistung der italienischen Sängerin, bereits 1976 erhielt sie wie erwähnt den "Preis der deutschen Schallplattenkritik"1), 1990 überreicht man ihr die "Goldene Stimmgabel". 1998 wurde sie in Frankreich zum "Offizier des Ordre des Arts et des Lettres"1) ernannt, in Deutschland erhielt sie 2006 das "Bundesverdienstkreuz 1. Klasse"1) für "ihren lobenswerten Beitrag zum deutsch- italienischen Kulturaustausch". Weitere Ehrungen waren unter anderem der "Verdienstorden der italienischen Republik"1) (02.06.2007, "Commendatore dell'Ordine al Merito della Repubblica Italiana") sowie am 11. September 2009 der französische Verdienstorden "Légion d’honneur"1).
 
Die international gefeierte Künstlerin starb am  23. April 2021 nach langer Krankheit im Alter von 81 Jahren in Mailand1), wo sie zuletzt mit ihrer Vertrauten und Sekretärin Edith mitten im Zentrum gelebt hatte. Italiens Kulturminister Dario Franceschini würdigte die Sängerin als "eine große Italienerin, eine Künstlerin, die aus ihrem Heimatland auf die internationale Bühne aufgestiegen ist". Ihre Stimme habe "intensive Emotionen" bei ganzen Generationen geweckt. (Quelle: tagesschau.de) Nach einer Trauerfeier im Mailänder "Piccolo Teatro Strehler"1) fand sie ihre letzte Ruhe auf dem Friedhof der Gemeinde Blevio1) am Comer See1) → Foto der Grabstelle bei knerger.de.
Milva war von 1961 bis 1969 mit dem Fernsehregisseur Maurizio Corgnati1) (1917 – 1992) verheiratet; aus der Verbindung ging die 1963 geborene Tochter Martina Corgnati hervor, die sich später einen Namen als Kunstkritikerin machte. Ihre anschließende zweite große Liebe und langjährige Beziehung zu dem Schauspieler Mario Piave (1940 – 1979) endete unglücklich, zwischen 1986 und 1996 lebte sie mit dem Schauspieler Luigi Pistilli1) (1929 – 1996) zusammen, der zunehmend unter Depressionen litt und im April 1996 kurz nach der Trennung von Milva Selbstmord beging. Zuletzt war die Künstlerin mit dem Wissenschaftler bzw. Germanistik-Professor Roberto Bertozzi liiert, von dem sie sich Medienberichten zufolge im Sommer 2003 trennte.
 
Ein ausführliches Portrait sowie viele weitere Informationen zu Milva findet man unter www.milva-gala.de,
die offizielle Homepage (auch in deutscher Sprache) ist unter www.milvalarossa.it zu erreichen.
Siehe auch Wikipedia, www.fembio.org sowie den Artikel bei "Deutsche Welle
Filmografie bei der Internet Movie Database
Fremde Links: 1) Wikipedia (deutsch), 2) wunschliste.de, 3) Wikipedia (englisch), 4) filmdienst.de
Quelle: 5) tagesschau.sf.tv (Seite nicht mehr abrufbar)
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