Filmografie / Hörspiel
Jürgen Reuter wurde am 29. Januar 1941 in Berlin geboren und wuchs seit Kriegsende im Osten der geteilten Stadt auf. Nach der Schule absolvierte er eine Lehre als Kraftfahrzeug-Elektriker und arbeitete mehrere Jahre in diesem Beruf bzw. im "VEB Reparaturwerk Berlin" (RWB) in Friedrichsfelde. Da er sich schon immer für das Theater begeistert hatte, wechselte er als Bühnenarbeiter an die Berliner "Volksbühne", entschied sich dann endgültig für eine künstlerische Laufbahn. Reuter studierte ab 1964 drei Jahre lang an der "Staatlichen Schauspielschule Berlin" (heute "Hochschule für Schauspielkunst "Ernst Busch" Berlin"1)), zu seinen Kommilitonen gehörten Christian Grashof, Uwe Kockisch und Horst Krause. Bei namhaften Pädagogen und Theatermachern wie Rudolf Penka2), Friedo Solter1) oder Doris Thalmer erwarb sich der angehende Schauspieler sein darstellerisches Rüstzeug, eine pantomimische Ausbildung erhielt er von Eberhard Kube. Als Abschlussinszenierung führte der Jahrgang 1967 am "Berliner Arbeiter-Theater"1) (bat) das Stück "Mond von links" von Wladimir Bill-Belozerkowski auf. Unter der Regie von Rudolf Penka spielte Reuter und Elke Brosch die Hauptrollen, die Aufführung wurde mit dem Kritikerpreis der "Berliner Zeitung" für junge Schauspieler ausgezeichnet.
Ein erstes Engagement erhielt er anschließend am "Landestheater Halle", dessen Ensemble Reuter bis 1974 angehörte. Er wusste sowohl in Klassikern als auch Stücken der Moderne zu überzeugen, unter anderem sah man ihn in Schillers "Die Räuber"1) (Regie: Horst Schönemann1)) und in "Haut oder Hemd" von Erik Neutsch1) (Regie: Ulrich Thein), er gestaltete den Vater Wibeau in Horst Schönemanns Dramatisierung von Ulrich Plenzdorfs Roman "Die neuen Leiden des jungen W."1) oder die Titelrolle in Peter Kupkes1) Inszenierung von "Der Hofmeister"1), einer Tragikomödie von Jakob Michael Reinhold Lenz in der Bearbeitung von Bertolt Brecht1). "Dabei sind dem jungen, anspruchsvollen Künstler der gesellschaftspolitische Aspekt der Geschichten und ihrer Figuren sowie die Wirkung des gesamten Ensembles wichtig." konnte man auf der ehemaligen Website defa-sternstunden.de lesen, die Redakteurin und Theaterkritikerin der DDR-Wochenzeitung "Sonntag"1) Ingrid Seyfarth schrieb 1974 über Reuter: "Er gehört zu jenen Unbequemen, die immer wieder eigene, sich einmal als richtig erwiesene Arbeitsmethoden in Frage stellen – und auch die der anderen. (…) Er interessiert sich und fühlt sich mitverantwortlich für die Entwicklung des Theaters und besonders des Schauspielensembles, in dem er lebt und arbeitet."3)
 
Erfahrungen vor der Kamera machte Reuter erstmals mit dem DEFA-Streifen "Ein Lord am Alexanderplatz"1) (1967), Beachtung fand er als Freiheitskämpfer Friedrich Friesen1) in der Filmfassung von Hedda Zinners1) Theaterstück "Lützower"1) (1972) über das Freikorps von Adolf von Lützow1) während der Befreiungskriege1), auch wenn die Kritiker die mangelhafte Umsetzung des Bühnenstoffs kritisierten. Die Arbeiten für das Kino nahmen eine eher untergeordnete Rolle ein, vielmehr reüssierte Reuter beim Fernsehen zu einem populären Darsteller, der mit zahlreichen, anspruchsvollen Hauptrollen vor allem Literaturadaptionen sowie Historienfilme prägte. Seit 1974 gehörte der gut aussehende Mime fest zum Schauspielensemble des "Deutschen Fernsehfunks"1) (DFF), wo er bereits seit Ende der 1960er Jahre sporadisch Aufgaben in verschiedenen Produktionen übernommen hatte.
1975 wurde "Steckbrief eines Unerwünschten"4) nach Reportagen des bundesdeutschen Enthüllungs-Journalisten und Schriftstellers Günter Wallraff1) bzw. dessen investigativer Methoden ausgestrahlt. Die Episoden entstanden als Kurzspielfilme – dazwischen eingestreut Interview-Passagen mit Wallraff, in denen er erklärte, unter welchen Bedingungen seine Recherchen zustande kamen. Reuter mimte in "Fürstmönch Emmeram und sein Knecht W.", "Der Melitta-Report" und "Mahlzeit, Herr Direktor" über Wallraffs Einsatz als Pförtner beim Kölner Versicherungskonzern "Gerling" den Undercover-Journalisten Wallraff alias Ivo Wrede alias Hans Müller alias Friedrich-Wilhelm Gies. Im darauffolgenden Jahr machte der wandlungsfähige Reuter als Mörder bzw. Schriftsteller Anton Seiler in "Der Mörder"4) (1976) nach der Novelle "Die Ursache" von Leonhard Frank1) von sich reden, hochgelobt wurde seine Verkörperung des Karl Marx1) in der 11-teiligen szenischen Dokumentation "Marx und Engels – Stationen ihres Lebens"4) (1978–1980) über den Philosophen und Protagonisten der Arbeiterbewegung Karl Marx und dessen von Jan Spitzer1) gespielten Freund Friedrich Engels1)
Jürgen Jürgen in "Clausewitz – Lebensbild eines preußischen Generals"; seit 2016 ist diese legendäre Produktion auf DVD im Handel erhältlich. Szenenfoto  mit freundlicher Genehmigung von "Studio Hamburg Enterprises GmbH"; Quelle: presse.studio-hamburg-enterprises.de Ebenfalls bemerkenswert war Reuters Darstellung des preußischen Heeresreformers Carl von Clausewitz1) in dem Biopic "Clausewitz – Lebensbild eines preußischen Generals"4) (1980), einer weiteren Person der Zeitgeschichte verlieh er in dem Dreiteiler über die Novemberrevolution 1918/191) mit dem Titel "Aufbruch – Verrat – Hoffnung"4) (1983) Profil und zeigte sich als Karl Liebknecht1) an der Seite von Petra Kelling als Rosa Luxemburg1). Zuvor hatte er als Astronom Dr.  Friedrich Archenhold1) in den Fernsehspiel "Berliner Firmament"4) (1983) über den Schriftsteller und Wissenschaftspublizisten Bruno H. Bürgel1) überzeugt. Eine sicherlich nicht einfache Aufgabe war die Rolle des Adolf Hitler1) in dem Zweiteiler "Ernst Thälmann"4) (1986) über den KPD-Vorsitzenden Ernst Thälmann1) (Helmut Schellhardt1)) gewesen, den er in täuschend echter Maske mimte, in der Produktion "Die letzten Tage des Georg W."4 (1986), die in Zusammenarbeit mit dem kubanischen Fernsehen entstand und das Lebensende des Dichters Georg Weerth1) auf der Karibikinsel thematisierte, präsentierte sich Reuter einmal mehr glaubwürdig mit der Titelrolle.

Jürgen Reuter in in "Clausewitz – Lebensbild eines preußischen Generals"
Seit 2016 ist diese legendäre Produktion auf DVD im Handel erhältlich.
 
Szenenfoto  mit freundlicher Genehmigung von "Studio Hamburg Enterprises GmbH
Quelle: presse.studio-hamburg-enterprises.de

Zu einer der Höhepunkte in Reuters Fernsehschaffen zählt der Dreiteiler "Bebel und Bismarck"4) (1987) bzw. die Verkörperung des Sozialdemokraten August Bebel1) als Partner und Gegenspieler des von Wolfgang Dehler dargestellten Staatsmannes Otto von Bismarck1), auch mit dem Wissenschaftler Professor Ernst Abbe1), der der Firma "Carl Zeiss"1) mit seinen Erfindungen entscheidend zu Ruhm verhalf, ist Reuter durch die Familienchronik "Die gläserne Fackel"1) (1989) im Gedächtnis der Zuschauer geblieben.
Doch es waren nicht nur historische Stoffe, denen Reuter mit seinem Spiel zum Erfolg verhalf, mehrfach trat er in der Krimiserie "Der Staatsanwalt hat das Wort" sowie in dem Dauerbrenner "Polizeiruf 110"1) in Erscheinung, "sein wohl bekanntester Charakter ist hier der schmierige Ganove "Nolle" aus der Folge "Der Schweigsame"1) (1981), der mit herausforderndem Auftreten und mit frechem Berliner Mundwerk den Vorbestraften Udo Walter (Wilfried Pucher) erpresst und zu neuen verbrecherischen Handlungen zwingt. In guter Erinnerung bleibt außerdem sein Vater Zitterbacke neben Ute Lubosch1) als Mutter in der TV-Serie "Alfons Zitterbacke"4) (1986) nach Gerhard Holtz-Baumerts beliebten Kinderbüchern."3)
Vereinzelt betätigte sich Reuter zudem als Sprecher und wirkte in verschiedenen Hörspielproduktionen mit, eine Auswahl der in der ARD-Hörspieldatenbank aufgeführten Stücke findet man hier am Ende des Artikels.
 

Seit Juni 2012 ist diese legendäre Produktion "Bebel und Bismarck"
auf DVD im Handel erhältlich.
Abbildung DVD-Cover mit freundlicher Genehmigung
von "Studio Hamburg Enterprises GmbH
Quelle: presse.studio-hamburg-enterprises.de

Bebel und Bismarck: Abbildung DVD-Cover mit freundlicher Genehmigung von "Studio Hamburg Enterprises GmbH"; Quelle: presse.studio-hamburg-enterprises.de
Nach der so genannten "Wende" konnte sich Jürgen Reuter auch in der gesamtdeutschen TV-Landschaft behaupten, tauchte beispielsweise 1993 in der "Tatort"-Folge "Bauernopfer"1) als Hamburger Unterwelts-Boss Mieth auf. Endgültig bekannt wurde sein Gesicht den westdeutschen Zuschauern mit dem Quotenrenner bzw. der Serie "Der Landarzt"1), wo er zwischen 1993 und 2002 als Pastor Joachim Engel in den Staffeln 5 bis 11 auftrat, Nachfolger des pensionierten Pastor Eckholm alias Heinz Reincke. Dazwischen übernahm er Episodenrollen in populären Serien wie "Wolffs Revier", "Alarm für Cobra 11", "Doppelter Einsatz" und "Großstadtrevier" oder gehörte als Kriminaltechniker Fiebig zur Besetzung der "Polizeiruf 110"-Krimis "Heißkalte Liebe"1) (1997) und "Sumpf"1) (1999). Zuletzt sah man ihn 2007 mit einem kleineren Part in der Karibik-Romanze "Eine Liebe in Kuba"5) an der Seite von Frauenschwarm Erol Sander sowie in dem Zweiteiler "Die Frau vom Checkpoint Charlie"1) mit Veronica Ferres.
Danach zog sich Reuter vom Filmgeschäft zurück und verabschiedete sich in den Ruhestand, seither tritt der inzwischen über 75-Jährige kaum noch in der Öffentlichkeit in Erscheinung.
Quellen: "Lexikon der DDR-Stars"*), Wikipedia sowie
ehemalige Seite defa-sternstunden.de → Memento bei web.archive.org bzw.
filmstadt-quedlinburg.de (Seite nicht mehr online)
*) "Lexikon der DDR-Stars" von F.-B. Habel und Volker Wachter (Ausgabe 1999, S. 276/277)
Fremde Links: 1) Wikipedia, 2) berliner-schauspielschule.de, 4) fernsehenderddr.de, 5
3) Quelle: defa-sternstunden.de → Memento bei web.archive.org  bzw. filmstadt-quedlinburg.de (Seite nicht mehr online)
   
Filme
Kino / Fernsehen
Filmografie bei der Internet Movie Database sowie filmportal.de
(Fremde Links:  Wikipedia, filmportal.de, fernsehenderddr.de, fernsehserien.de, tittelbach.tv)
Kinofilme  (DEFA-Produktionen) Fernsehen (Auszug)
Hörspielproduktionen (Auszug)
(Link: ARD-Hörspieldatenbank (mit Datum der Erstausstrahlung), Wikipedia)
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