Ihre Gesangsausbildung fing mit 17 Jahren an der Berliner
"Hochschule für Musik" bei der ungarischen
Gesangspädagogin und ehemals gefeierten Konzertsängerin Lula Mysz-Gmeiner1)
(1876 1948) an,
welche die Elevin auf Alt taxierte und den Unterricht entsprechend
ausrichtete. Zwei Jahre wurde der falsche Weg eingeschlagen, bis die
verständige Mutter einschritt. Elisabeth Schwarzkopf verließ unter Eklat die
Hochschule und suchte verzweifelt einen Lehrer. Es war der Bariton Karl Schmitt-Walter1),
der ihr den entscheidenden Hinweis auf Maria Ivogün2) gab, die
bedeutende deutsche Koloratursopranistin. Hier fand die Schwarzkopf endlich
die richtige Lehrerin, auch wenn sie selbst keine Koloratursopranistin
wurde
3); zusätzlich ließ sie sich
von dem Konzertpianisten Michael Raucheisen1)
(1889 1984) in Klavier, Harmonielehre und Kontrapunkt
ausbilden, vertiefte den Liedgesang bei dem Komponisten und Musikpädagogen Georg Vollerthun1)
(1876 1945).
Foto: Elisabeth Schwarzkopf anlässlich der Musikfestwochen in Luzern
Datum unbekannt (ca.1948 bis 1958)
Urheber: Max Albert Wyss2) (1908 1977)
Quelle: Stiftung Fotodokumentation
Kanton Luzern
von Wikipedia bzw.
Wikimedia Commons
(CC-BY-SA 2.5 Schweiz)
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Am 15. April 1938 1938 gab Elisabeth Schwarzkopf am "Deutschen Opernhaus" in Berlin-Charlottenburg
ihr Bühnendebüt als zweites Blumenmädchen in Wagners "Parsifal"1),
erregte bald auch mit kleineren Rollen wie dem l. Knaben in Mozarts "Die
Zauberflöte"1)
oder der Valencienne in Léhars "Die lustige Witwe"1)
Aufsehen. Mit bedeutenderen Partien wie dem Pagen Oscar in Verdis "Ein
Maskenball"1) stellten sich bald weitere Erfolge ein
und 1942 wurde Elisabeth Schwarzkopf von Dirigent Karl Böhm1)
(1894 1981) zusätzlich zu ihrem Berliner Engagement an die
"Wiener Staatsoper" engagiert,
wo sie mit der Zerbinetta in "Ariadne auf Naxos"1) von Richard Strauss
oder als Rosina in Rossinis "Der Barbier von
Sevilla"1) Publikum und Kritiker gleichermaßen überzeugte.
Nach Ende des 2. Weltkrieges trat sie weiterhin in Wien auf und
schnell avancierte die Sängerin zu einer der gefragtesten Sopranistinnen auch auf der
internationalen "Bühne" nicht zuletzt wegen ihres Wechsels
vom Koloraturfach in das schwerere lyrische Fach. 1947 begeisterte sie
während eines Gastspiels mit dem Ensemble der Wiener Staatsoper in London als
vornehme Donna Elvira
in Mozarts "Don Giovanni"1), im gleichen Jahr wurde sie von Herbert von Karajan
zu den Salzburger Festspielen eingeladen. Hier feierte Elisabeth Schwarzkopf bis Mitte der
1960er Jahre als
Mozart-Interpretin Triumphe, sei es als Donna Elvira, als Susanna bzw. Gräfin in "Figaros Hochzeit",
als Pamina in "Die Zauberflöte" oder als Fiordiligi in "Così fan tutte"1); sie
glänzte als Marzelline in Beethovens "Fidelio"1)
ebenso wie als Alice Ford in Verdis "Falstaff"1) oder als
Feldmarschallin Fürstin Werdenberg in "Der
Rosenkavalier"1) von Richard Strauss.
Das Bayreuther Festspielpublikum erlebte sie beispielsweise 1951 als grandiose Eva in Wagners "Die Meistersingern von Nürnberg"1) und als
Rheintochter Woglinde in "Der
Ring der Nibelungen"1) einer ihrer wenigen
Ausflüge in das Wagnersche Fach. Am Londoner "Covent
Garden" feierte sie ebenso Triumphe wie an der Mailänder
"Scala", 1953 gab sie erstmals in den USA ein Konzert in New York,
weitere Gastspiele führten sie nach Chicago oder an die Oper von San Francisco, wo
sie beispielsweise 1955 als junge Marie in Smetanas
"Die Verkaufte Braut"1) brillierte.
Am 13. Oktober 1964 gab die Schwarzkopf mit der "Marschallin" im
"Rosenkavalier" ihr umjubeltes Debüt an der New Yorker "Metropolitan
Opera" und begeisterte auch dort zwei Jahre lang die Musikliebhaber. Zu
ihrem weiteren herausragenden Repertoire zählt beispielsweise die "Marguérite"
(Margarete) in Gounods "Faust"1), die
"Fatime" in
Carl Maria von Webers Singspiel "Abu Hassan"1),
die "Giulietta" in Jacques Offenbachs "Hoffmanns Erzählungen"1)
oder die weiblichen Titelpartien in Carl Orffs "Die Kluge"
und Claude Debussys
"Pelléas et Mélisande"1).
In Puccini-Opern
gestaltete sie die Sklavin Liù in "Turandot"1) ebenso
eindrucksvoll wie die Midinette Mimi in "La Bohème"1) oder die
"Madame Butterfly"1).
Auch als herausragende Oratorieninterpretin wie beispielsweise mit Bachs
"Matthäus-Passion"1), Händels "Messiah"1) oder Beethovens
"Missa Solemnis"1) wurde Elisabeth Schwarzkopf weltberühmt, ebenso wie
mit dem Kunstlied, beispielsweise mit Werken von Franz Schubert, Robert Schumann
oder Gustav Mahler,
vor allem aber mit Liedern von Hugo Wolf; zahllose Tonträger zeugen von der enormen
sängerischen Dominanz sowie dem umfangreichen Repertoire der Elisabeth Schwarzkopf,
zu dem auch Operettentitel von Strauß und Léhar gehörten. Darüber hinaus machte sie sich
auch als Opernregisseurin einen Namen: 1981 inszenierte sie an der Oper von Brüssel den
"Rosenkavalier" von Richard Strauss.
Der sogenannte Durchbruch Elisabeth Schwarzkopfs kann auf das Jahr 1947
festgelegt werden. (
) Nur wenige Wochen später kam es zu jenem berühmt
gewordenen Gesamtgastspiel der Wiener Staatsoper in London, unter anderem mit
"Don Giovanni", bei dem Schwarzkopf die "Elvira" sang und der in England
im Exil lebende Richard Tauber als
"Don Ottavio" in sein altes Ensemble zurückkehrte, wenige Monate vor seinem Tod.
Nun war der Weg frei für eine der bemerkenswertesten Karrieren der Nachkriegszeit,
die dennoch einige Merkwürdigkeiten aufweist. Der Wechsel ins lyrische Fach war erfolgreich vollzogen,
aber Schwarzkopf band sich nun nicht, wie es logisch gewesen wäre, an die Wiener Staatsoper
oder ein vergleichbares Haus, sondern baute mit Hilfe Legges eine ungemein kluge Karriere auf,
die auf drei Säulen basierte: den wohldosierten Opernauftritten an den exklusivsten Plätzen der Welt,
vor allem bei den Salzburger Festspielen, der Präsenz durch die in ihrer Zeit und darüber
hinaus besten Plattenaufnahmen, zufällig produziert durch den Ehemann
Legge, und einer regen Konzert- und Liederabendtätigkeit, in der
ebenfalls nicht zufällig das Schaffen Wolfs bald einen entscheidenden Platz einnehmen sollte.
Sie und Legge hatten sehr bald erkannt,
dass ihre Stimme kostbar, aber wenig belastbar war das Volumen war auch für
einen lyrischen Sopran nicht sehr groß und hätte einem normalen Opernbetrieb nicht lange
standgehalten Experimente mit der
"Butterfly" und ähnlichen Rollen hatten diese Grenzen schnell aufgezeigt,
das Wagner-Fach kam ebenfalls nicht in Frage, die
"Eva" in Bayreuth 1951 blieb der einzige Ausflug in dieses
Feld, so verkleinerte sich das Repertoire für die Bühne sehr schnell auf
im Grunde fünf Rollen: Fiordiligi in "Così fan tutte", Elvira in "Don Giovanni",
die Gräfin im "Figaro" und die Marschallin im
"Rosenkavalier", am Rande lag noch die Alice in Verdis "Falstaff".1)
Am 31. Dezember 1971 nahm Elisabeth Schwarzkopf mit der "Marschallin"
am Brüsseler "Théâtre Royal de la Monnaie" ihren
Abschied von der Opernbühne, drei Jahre später beendete sie offiziell auch
ihre Konzertreisen; ihren letzten Liederabend gab sie am 17. März 1979 in Zürich, wo sie
seit dem Tod ihres Mannes lebte, und war seither als Musikpädagogin und
Förderin des sängerischen Nachwuchses tätig.
Seit 1951 hatte die Künstlerin London zu
ihrer zweiten Heimat gemacht, am 19. Oktober 1953 den berühmten Plattenproduzenten und
"Klassikpapst" Walter Legge1) (1906 1979) im britischen Epsom geheiratet.
Er war es, der mit seiner Frau 1947 die ersten Plattenaufnahmen gemacht und
ihr einen Exklusivertrag mit der Plattenfirma "EMI" gegeben hatte; in seinen
Erinnerungen "Gehörtes Ungehörtes Memoiren"4) ist folgendes nachzulesen: Nachdem sie in ihrem eigenen
Repertoire gezeigt hatte, was sie mit einer Vielzahl von Arien aus Oper und
Oratorium machen konnte, begann ich, mit ihr an einem sehr schwierigen Lied
zu arbeiten, Hugo Wolfs "Wer rief dich denn?", Takt für Takt, Wort
für Wort, Schattierung für Schattierung. Das Lied verlangt wechselnde
Emotionen oft auf einer einzigen Silbe, einer Note gar: es war der Beginn
einer Arbeit, wie wir sie fortan für die nächsten 29 Jahre betreiben
sollten. Ich merkte nur zu rasch, dass ich in der Sängerin, mit diesem
unerbittlichen Perfektionismus einen ebenbürtigen Partner gefunden hatte.
Nach eineinhalb Stunden sagte der neben mir sitzende Herbert von Karajan:
"Ich gehe jetzt. Kreuzige das Mädchen nicht. Ich habe dir schon vor
Wochen gesagt, dass sie vielleicht die beste Sängerin Europas ist.".
Walter Legge erlag am 22. März 1979 mit 73 Jahren im
französischen Saint-Jean-Cap-Ferrat den Folgen eines
Herzanfalls.
Während ihrer international glanzvollen Karriere erhielt Elisabeth Schwarzkopf,
deren Stimme als eine der schönsten des 20. Jahrhunderts bezeichnet wird und
die vor allem mit ihren Mozart- und Strauss-Interpretationen höchste
Maßstäbe setzte, zahlreiche Ehrungen und Auszeichnungen: Unter
anderem wurde sie 1974 mit dem "Großen Verdienstkreuz des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland"
geehrt, seit 1983 war sie Ehrenmitglied der Wiener Staatsoper und trug
den Titel "Kammersängerin", 1990 wurde sie von der
Württembergischen Landesregierung zur Professorin ernannt, 1992 adelte die
britische Königin Elizabeth II. sie zur "Dame of the British Empire".
Aus der Hand des schwedischen Königs Gustav VI. Adolf nahm sie
1964 den Orden "Litteris et artibus" entgegen,
die Salzburger "Mozart-Gesellschaft" verlieh ihr bereits 1950 die
"Lilli Lehmann-Medaille" um nur einiges zu
nennen; siehe auch die Übersicht (Auszug) der Ehrungen
bei Wikipedia.
Die Künstlerin veröffentlichte gemeinsam mit ihrem Mann Walter Legge das
Erinnerungsbuch "On and Off the Record: A Memoir of Walter Legge",
welches 1982 unter dem Titel "Gehörtes Ungehörtes Memoiren""
auch in deutscher Sprache erschien und zu dem Herbert von Karajan das Vorwort
schrieb; bereits 1957 hatten Roger Hauert, Bernard Gavoty und Arnold H. Eichmann
die Biografie "Elisabeth Schwarzkopf" auf den Markt gebracht.
Von Alan Jefferson, intimer Schwarzkopf-Kenner und langjähriger Freund von
Walter Legge, erschien 1996 in Großbritannien die Biografie "Elisabeth Schwarzkopf",
die später auch ins Deutsche übersetzt wurde. Der Autor beschreibt in dieser Biographie
die Herkunft der Künstlerin, ihre Anfängerjahre als Solistin am Deutschen Opernhaus Berlin,
ihre Zeit an der Wiener Staatsoper und bei den Salzburger Festspielen und ermöglicht
es so dem Leser, die Karriere der weltweit berühmten Diva
nachzuvollziehen.5); eine Rezension des
Journalisten und Buchautors Dieter David Scholz kann man hier
nachlesen.
In dieser umstrittenen Biografie griff Alan Jefferson auch Nazi-Vorwürfe gegen den Star
auf; Behauptungen britischer Zeitungen, sie sei ein begeistertes Parteimitglied gewesen, wies
die Künstlerin jedoch stets zurück. "Nur das, was für das Singen Bedeutung hatte, habe ich
getan", sagte sie in einem filmischen Selbstporträt. Einige Autoren hoben dabei hervor, dass
die Schwarzkopf bereits 1935 zu einer Führerin im Nationalsozialistischen Deutschen Studentenbund geworden war,
datierten ihren ersten Antrag auf Parteieintritt sogar auf das Jahr 1938, thematisierten außerdem ihre Gesangsauftritte
auf Parteiveranstaltungen oder während des Krieges vor Einheiten der Waffen-SS oder spekulierten über mögliche
enge Kontakte Schwarzkopfs zum Reichspropagandaministerium von Joseph Goebbels. (
) Auch ihre Kritiker
erkannten im Verhalten der Sängerin im Nationalsozialismus weniger einen Ausdruck ideologischer Affinität
zum NS-Regime als ein Indiz für Karrierismus. Die FAZ resümierte in ihrem Nachruf vom 4. August 2006:
"Dass sie die Fehltritte vertuscht hatte, auch, als die Sache ruchbar wurde, nicht freimütig eingestand,
wurde ihr von manchen mehr zum Vorwurf gemacht als die Nutznießerschaft am NS-Kultursystem
selber.6)
Elisabeth Schwarzkopf, die bis zuletzt zurückgezogen in ihrem Heim in
Österreich lebte, hat im Mozart- und
Strauss-Gesang Höchstes erreicht ich möchte das zuspitzen auf das Werk
Strauss', in dem sie modellhafte Interpretationen hinterlassen hat,
unerreicht sind ganz ohne Zweifel die "Vier letzten Lieder", die
sie im Jahr 1953 in London aufgenommen hat, von dem unterschätzten Otto Ackermann begleitet.3)
Die Ausnahme-Sopranistin, die mit Maria Callas
verglichen wurde und als eine der letzten großen Diven der Opernwelt galt,
starb am 3. August 2006 im Alter von 90 Jahren im österreichischen Schruns (Vorarlberg).
Den "ECHO Klassik"1) der
"Deutschen Phono-Akademie", der ihr am 22. Oktober
in München für ihr Lebenswerk verliehen werden sollte, konnte Elisabeth
Schwarzkopf somit nicht
mehr persönlich entgegennehmen.
Ihre letzte Ruhe fand sie in einem Familiengrab an der Seite ihrer Eltern und
ihres Mannes auf dem Friedhof in Zumikon → Foto der Grabstelle bei
Wikimedia
Commons.
DER SPIEGEL (32/2006) notierte unter anderem
anlässlich des Todes dieser
unvergessenen Künstlerin: "Schmeicheln, girren, drohen oder
nachdenklich erzählen konnte ihr Sopran wie kein anderer: Vor allem Vokale
dehnte und hauchte die Sängerin, bis die Sprache, bei aller Verständlichkeit,
restlos im Klang aufzugehen schien."
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