Der Schauspieler, Regisseur, Intendant und Bühnenautor Erich Ziegel erlangte zwar in erster Linie nachhaltigen Ruhm als Theaterdirektor bzw. prägte in den 1920er Jahren das geistige Leben der Hansestadt Hamburg, wirkte aber auch, vor allem in den 1930er und 1940er Jahren, in etlichen Kinoproduktionen mit.
Geboren wurde Ziegel am 26. August 1876 im damals zum Deutsches Kaiserreich1) gehörenden Schwerin an der Warthe1) (heute: Skwierzyna, Polen). Seine Karriere begann nach einer abgebrochenen Buchhändler-Lehre 1894 am "Herzoglichen Hoftheater"1) in Meiningen1). Hier sammelte er mit vielen kleinen Rollen Bühnenerfahrung, ging dann nach Lübeck1) sowie nach Breslau1), wo er zwischen 1906 und 1909 ein Literarisches Sommertheater leitete. Nach weiteren Stationen, unter anderem in Berlin, kam Ziegel Anfang der 1910er Jahre nach München an die "Münchner Kammerspiele"1), die am 11. Oktober 1912 im "Münchner Lustspielhaus" an der Augustenstraße1) ihre Arbeit aufgenommen hatten. Zunächst als Schauspieler aktiv, übernahm Ziegel dann 1913 von Gründungsdirektor Dr. Eugen Robert1) zunächst die kommissarische Leitung, war dann bis 1916 künstlerischer Direktor des privat betriebenen Theaters. Wegen der missglückten Premiere des Lustspiels "Der lächelnde Knabe" von Max Dreyer1) , aber auch "wegen intriganter Machenschaften, seiner Beziehung zur Schauspielerin Ida Roland1) und ökonomischer Ungeschicklichkeit"2) hatte der Aufsichtsrat der "Münchner Theatergesellschaft", Betreiberin des Hauses, Eugen Robert abgesetzt worden und diesen mit Hausverbot belegt.

Erich Ziegel 1907 (oder früher)
Urheber: Unbekannter Fotograf der Epoche; Quelle: Wikimedia Commons
aus "Berliner Leben", Zeitschrift für Schönheit und Kunst (Ausgabe 10, S. 156, 1907)
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Erich Ziegel 1907 (oder früher); Urheber: Unbekannter Fotograf der Epoche; Quelle: Wikimedia Commons aus "Berliner Leben", Zeitschrift für Schönheit und Kunst (Ausgabe 10, S. 156, 1907)
Nach einem schwierigen Anfang – Eugen Robert versuchte weiterhin wieder als Direktor eingesetzt zu werden –, steigerte Ziegel die Produktionsgeschwindigkeit, so dass nahezu alle 14 Tage eine Premiere gefeiert werden konnte. Zwischen dem 6. September 1913 und dem 29. Juli 1914 lassen sich 29 Premieren verzeichnen. Bei 15 davon führte er Regie, in 12 wirkte er als Schauspieler mit. Trotz dieses Pensums blieb der ganz große Erfolg aus.3)
Ziegels ganz große Leistung bestand jedoch darin, dass er Otto Falckenberg1) als Oberspielleiter und Dramaturg an sein Haus band, der dann ab 1917 bis 1944 Direktor und künstlerischer Leiter der Bühne wurde. Von München ging Erich Ziegel als Regisseur nach Hamburg an das "Thalia Theater"1), gründete dann 1918 die "Hamburger Kammerspiele"1), die er rasch zu einem der wichtigsten und bedeutendsten avantgardistischen deutschsprachigen Theater der 1920er Jahre machte. Unter Ziegels Leitung entwickelten sich die "Hamburger Kammerspiele" zum Inbegriff des modernen, expressionistischen Theaters, an dem Werke von Arthur Schnitzler1), Frank Wedekind1), Bertolt Brecht1) oder Hans Henny Jahnn1) erfolgreich aufgeführt wurden. Zudem war die Bühne ein Sammelbecken junger von Ziegel geförderter Talente, etliche Schauspieler/-innen und Regisseure begannen durch ihn oder bei ihm ihre Karrieren. So sind unter anderem Axel von Ambesser, Josef Dahmen, Erich Engel1), Rudolf Fernau Ernst Fritz Fürbringer, Gustaf Gründgens, Wolfgang Heinz1), Ruth Hellberg, Werner Hinz, Paul Kemp, Fritz Kortner, Victor de Kowa, Ferdinand Marian, Hubert von Meyerinck, Hans Nielsen, Leo Reuss1), Hans Hermann Schaufuß, Albrecht Schönhals, Carl-Heinz Schroth, Ellen Schwanneke1), Hans Stiebner1) und Gusti Wolf zu nennen.
Zwischen 1926 und 1928 leitete Ziegel zusätzlich das "Deutsche Schauspielhaus"1) und von 1932 bis 1934 das "Thalia Theater"1). Danach emigrierte er seiner jüdischen Ehefrau, der Schauspielerin Mirjam Horwitz1) (1882 – 1967), zuliebe nach Wien und arbeitete dort als Regisseur und Schauspieler am Theater "Die Insel"1). Da er jedoch mit der österreichischen Mentalität nicht zurecht kam, scheiterten seine Wiener Aktivitäten. So war es ein Glücksfall, dass Gustaf Gründgens ihn als Schauspieler, Regisseur und Dramaturg nach Berlin an das "Preußische Staatstheater"1) holte und Ziegel so seine Ehefrau, die seit 1934 mit einem Berufsverbot belegt war, nicht zuletzt durch die Hilfe Gründgens vor dem Zugriff der Nationalsozialisten schützen konnte. Erst nach Kriegsende konnte sie wieder künstlerisch tätig sein, gestaltete als Schauspielerin unter anderem die Figur der Mutter Wolffen in der Diebeskomödie "Der Biberpelz"1) von Gerhart Hauptmann1), arbeitete als Regisseurin an dem am 13. Oktober 1951 von Friedrich Schütter, Wolfgang Borchert1) und einigen Gleichgesinnten in Hamburg gegründeten "Jungen Theater", das später (1973) zu Ehren von Ernst Deutsch in "Ernst Deutsch Theater"1) umbenannt wurde.

Dem Film wandte sich Erich Ziegel schon kurz Ende der 1910er Jahre zu und drehte einige Streifen bei der Hamburger "Vera-Filmwerke GmbH"1), doch erst mit Aufkommen des Tonfilms intensivierte er seine Arbeit vor der Kamera und spielte ab Mitte der 1930er Jahre mehr oder weniger prägnante Nebenrollen in verschiedenen Kinoproduktionen. So besetzte ihn Paul Wegener als General Martow in dem ganz auf Pola Negri zugeschnittenen Drama "Moskau – Shanghai"1) (1936), für Reinhold Schünzel gab er den Hofmarschall in dem nach der musikalischen Bühnenkomödie "Die Hofloge" von Karl Farkas1) realisierten Lustspiel "Land der Liebe"1) (1937) und erneut für Paul Wegener den Justizrat Reger in der Hochstapler-Geschichte "Unter Ausschluß der Öffentlichkeit1) (1937) mit Olga Tschechowa und Iván Petrovich in den Hauptrollen. Man sah Ziegel als Dr. Hoyer in dem Zarah Leander-Kassenschlager "Zu neuen Ufern" (1937), als Musiklehrer Friedrich Friedrichsen in der Komödie "Daphne und der Diplomat"4) (1937) mit Karin Hardt und Karl Schönböck, oder als Justizrat in der Adaption "Der Maulkorb"1) (1938) nach dem gleichnamigen Roman1) von Heinrich Spoerl1) mit Ralph Arthur Roberts als Staatsanwalt Herbert von Traskow. Als Professor Vandermühl tauchte er in dem Krimi "Der Fall Deruga"4) (1939) nach dem gleichnamigen Roman1) von Ricarda Huch1) neben Protagonist Willy Birgel auf, als Professor Hickleberry in dem Abenteuer "Kautschuk"1) (1938) mit René Deltgen als Henry Wickham1), an der Seite von Gustaf Gründgens (Pantomime Jean-Gaspard Debureau1)) mimte er den Fürst Sulluc in der mit großem Aufwand betriebenen operettenhaften Inszenierung "Tanz auf dem Vulkan"1) (1938). In dem von Herbert Selpin1) nach dem Roman "Sergeant Berry und der Zufall" von Robert Arden1) mit Hans Albers in Szene gesetzten, kriminalistischen Abenteuer "Sergeant Berry"1) (1938) präsentierte sich Ziergel als Konsul Erasmus Smith, ein weiterer Krimi war die Produktion "Männer müssen so sein"1) (1939), wo er den Vater der jungen Beatrice Rasmussen (Hertha Feiler) darstellte, der mit dem Berufswunsch seiner Tochter, Tänzerin zu werfen, nicht einverstanden ist. Einmal mehr einen Professor gab er in dem Melodram "Umwege zum Glück"4) (1939), als Standesbeamter kam er in der amüsanten Geschichte "Kornblumenblau"5) (1939) daher und als Preußischer Finanzminister Carl von Bodelschwingh1) in Wolfgang Liebeneiners1) Biopic "Bismarck"1) (1940) mit Paul Hartmann als Otto von Bismarck1). Weitere Leinwandauftritte hatte Ziegel beispielsweise als Juwelier Bergh in der Krimikomödie "Jenny und der Herr im Frack"1) (1941) mit Gusti Huber und Johannes Heesters, als Sanitätsrat Petersen in dem Melodram "Damals"1) (1943) mit Zarah Leander und als Inspektor a. D. in dem NS-Propagandastreifen "Die Degenhardts"1) (1944) mit Heinrich George in der Hauptrolle des Vaters Karl Degenhardt.
  
Im Nachkriegsfilm zeigte sich Ziegler erstmals in der österreichischen Produktion "Triumph der Liebe"1) (1947) wieder auf der Leinwand und spielte unter der Regie von Alfred Stöger1) in diesem Operetten-Lustspiel, dessen Drehbuch auf der antiken Komödie "Lysistrata"1) des Aristophanes1) beruhte, den griechischen Komödiendichter Aristophanes. Er stand als Rechtsanwalt Cipola für den Film "Das unsterbliche Antlitz"1) (1947) vor der Kamera, mit dem Geza von Cziffra1) basierend auf seinem Bühnenstück das Leben und Werk des von O. W. Fischer verkörperten deutschen Malers Anselm Feuerbach1) (1829 – 1880) bzw. dessen Liebe zu seinem Modell Nanna Risi1) (Marianne Schönauer1)) nachzeichnete. In den folgenden Produktionen hatte Ziegel nur noch winzige, meist ungenannte Auftritte, die Uraufführung am 11. Januar 1951 seiner letzten Arbeit für den Film, das Drama "Dämonische Liebe"1) von (Regie) und mit Kurt Meisel als Poupoulle alias der Satan sowie Paul Hörbiger (Pierre Darcy) und Margot Hielscher (Jacqueline), erlebte Ziegel nicht mehr → Übersicht Tonfilme.
  
Vereinzelt wirkte Ziegel als Sprecher in Hörspielen mit, bereits bei der von der Hamburger "Nordischen Rundfunk AG"1) (NORAG) ausgestrahlten Livesendung "2000 Jahre Parlament. Erster Tag. Cicero"6) (EA: 15.05.1928) von Hans Bodenstedt1) (auch Regie) und Leopold Lehmann war er als Cicero1) beteiligt. In dem Kurz-Hörspiel "Der fliegende Geheimrat"6) (EA:  07.10.1949) nach dem gleichnamigen Einakter7) von Curt Goetz sprach er unter der Regie von Fritz Schröder-Jahn1) den Geheimrat, in "Captain Brassbounds Bekehrung"6) nach der Komödie von George Bernard Shaw1) mit Herbert A. E. Böhme1) als Kapitän Brassbound den Sir Howard Hallam (EA: 25.07.1950, Regie: Otto Kurth1)); in diesen beiden Produktionen zählte auch Mirjam Horwitz zur Sprecher-Riege. Ebenfalls unter der Regie von Otto Kurth, der sich sein schauspielerisches Rüstzeug bei Erich Ziegel und Mirjam Horwitz erworben hatte und seine Bühnenkarriere an den "Hamburger Kammerspielen" unter der Intendanz Ziegels begann, entstand das Hörspiel "Prinz Friedrich von Homburg"6) (EA: 08.11.1950) nach dem gleichnamigen Drama1) von Heinrich von Kleist1), in dem Erich Ziegel ebenso wie unter anderem Mirjam Horwitz, Ernst Stahl-Nachbaur und Hans Quest zur Besetzung gehörte.
Als Autor veröffentlichte Ziegel unter anderem Anfang der 1940er Jahre den Roman "Mit dem Feuer spielen…", zusammen mit Julius Schaumberger (1858 – 1924) entstand 1906 die Komödie "Ein reiner Adelsmensch".
 
Erich Ziegel starb am 30. November 1950 im Alter von 74 Jahren in München; die letzte Ruhe fand er auf dem Hamburger "Friedhof Ohlsdorf"1) (Planquadrat P 7, 13), wo später auch seine am 26. September 1967 verstorbene Ehefrau Mirjam Horwitz beigesetzt wurde → Foto der Grabstelle bei knerger.de sowie Wikimedia Commons.
Heute erinnert im Hamburg Stadtteil Steilshoop1) der "Erich-Ziegel-Ring" an den legendären Künstler, dem Mitte März 1947 die "Ehrenmitgliedschaft des Hamburger Kulturrats" verliehen worden war.
Quelle (unter anderem): Wikipedia, cyranos.ch
Fremde Links: 1) Wikipedia,  4) filmportal.de, 5) Murnau Stiftung, 6) ARD Hörspieldatenbank, 7) felix-bloch-erben.de
2) Quelle: Artikel zu Eugen Robert in "100 Jahre Münchner Kammerspiele" von Elsa Büsing → 100mk.de
3) Quelle: Artikel zu Erich Ziegel in "100 Jahre Münchner Kammerspiele" von Elsa Büsing → 100mk.de
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(Fremde Links: filmportal.de, Wikipedia, Murnau Stiftung; R = Regie)
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