Jean Marais (Jean Alfred Villain-Marais) wurde am 11. Dezember 1913 als Sohn eines Tierarztes in der französischen Hafenstadt Cherbourg (Manche) geboren. Er durchlebte eine turbulente Kindheit, wurde mehrfach der Schule verwiesen, anfangs von seiner Mutter abgelehnt und später von seinem Vater verstoßen. Jean Marais war erst fünf Jahre alt, als seine Eltern sich trennten, gemeinsam mit seinem Bruder Henri wurde er von seiner Mutter, seiner Tante und seiner Großmutter in einem großen Haus in Le Vésinet bei Paris aufgezogen.
Als Heranwachsender entwickelte er eine tiefe Zuneigung zu seiner Mutter, die er trotz ihrer Strenge verehrte. Schon früh wollte Marais Schauspieler werden, obwohl er bei seiner Familie für diesen Wunsch keine Unterstützung fand. Nach einer Lehre als Porträtfotograf arbeitete er zunächst als Retuscheur in Paris, die Aufnahmeprüfung am Konservatorium, er wollte bildende Kunst studieren, schaffte er nicht. 1936 nahm er Unterricht an der Schauspielschule von Charles Dullin1) und erhielt erste kleinere Bühnenrollen in Paris. Zwischen 1933 und 1936 arbeitete er mit Marcel L'Herbier1) zusammen, der ihm kleinere Aufgaben in Filmproduktionen verschaffte, der große Durchbruch als Leinwanddarsteller gelang Marais jedoch zunächst nicht.
1937 wurde der legendäre französische Dichter Jean Cocteau1) (1889 – 1963) auf den attraktiven jungen Schauspieler aufmerksam und gab ihm Hauptrollen in seinen Theaterstücken. Die Freundschaft und Liebe zwischen dem Dichter und seinem Mimen währte ein Vierteljahrhundert bis Jean Cocteau am 11. Oktober 1963 starb. Jean Marais hat den Tod seines Freundes nie recht verwunden, seine Beziehung zu Jean Cocteau ("Seit er Tot ist, tue ich nur noch so, als ob ich lebe") schilderte er in seiner Autobiographie "Spiegel meiner Erinnerung", die 1982 auch in deutscher Sprache erschien.

Marais in der Garderobe während der Pressekonferenz im Hamburger "Thalia-Theater" zum Stück "Cocteau"
Das Foto wurde mir freundlicherweise von der Fotografin Virginia Shue (Hamburg) zur Verfügung gestellt. 
Das Copyright liegt bei Virginia Shue.

Jean Marais 01; Copyright Virginia Shue
Marais' Bühnenlaufbahn wurde während des 2. Weltkrieges zeitweilig unterbrochen, 1939/40 leistete er seinen Militärdienst ab, anschließend setzte er bis 1942 seine Theaterarbeit im von den Deutschen okkupierten Frankreich fort; bis Ende 1943 diente er auch als Soldat bei der amerikanischen Armee. 1943 erlangte Marais als moderner Tristan in Jean Delannoys' "L'Éternel retour" (Der ewige Bann) – das Drehbuch hatte Jean Cocteau geschrieben – endlich auch international Bekanntheitsgrad und rasch avancierte er in Frankreich zu einem der gefeiertsten Schauspieler jener Jahre.
Nach Kriegsende übernahm Marais Hauptrollen in allen poetischen Klassikern Cocteaus, unter anderem spielte er 1946 in dem berühmten "La Belle et la bête"1) (Die Schöne und das Biest) die Doppelrolle des Prinzen und des Biests, 1947 den Stanislas in "L'Aigle à deux têtes" (Der Doppeladler) und 1949 die Titelrolle in "Orphée"1) (Orpheus). Das schöpferische Potential des Duos Cocteau/Marais brachte Meilensteinen der Filmgeschichte hervor; "Er war mein Hexenmeister und ich sein Zauberlehrling", charakterisierte Jean Marais später die Zusammenarbeit mit seinem Mentor.
Daneben spielte Marais als französisches Echo auf Douglas Fairbanks und Errol Flynn besonders erfolgreich den draufgängerischen Fechter und Liebhaber in zahlreichen Kostümfilmen, so z. B. 1947 die Titelrolle in Pierre Billons "Ruy Blas" (Der Geliebte einer Königin) oder 1955 den Edmond Dantès in Robert Vernays "Le Comte de Monte-Cristo"2) (Der Graf von Monte Christo). Für die Action-Szenen seiner Kostümfilme musste der athletische Marais sich nicht doubeln lassen. In dem opulent ausgestatteten Film-Epos "Si Versailles m'était conté"1) (1954, Versailles – Könige und Frauen) von Sacha Guitry verkörperte er den französischen König Ludwig XV., mit Maria Schell und Marcello Mastroianni zeigte er sich in Luchino Viscontis Dostojewski-Adaption "Le Notti Bianche"1) (1957, Weiß Nächte). 
In den 1960er Jahren konnte Marais dann sein komödiantisches Talent in den drei Fantômas-Filmen von André Hunebelle ausspielen, der erste Streifen "Fantômas"1) kam 1964 in die Kinos, ein Jahr später folgte "Fantômas gegen Interpol"1) (1965) und 1967 "Fantômas bedroht die Welt"1); als Gegner von Louis de Funès (Kommissar Juve) tauchte Marais außer in dieser Titelrolle noch mit 14 weiteren Rollen auf. Weitere Produktionen jener Jahre waren beispielsweise der französisch-italienische Sandalenfilm "Ponzio Pilato"1) (1962, Pontius Pilatus – Statthalter des Grauens) mit Marais in der Titelrolle oder Jacques Demys "zuweilen ironische distanzierende" Märchenverfilmung "Peau d’âne"1) (1970, Eselshaut) mit Catherine Deneuve als Partnerin. In nachhaltiger Erinnerung ist Marais auch mit der Figur des Alessandro Cagliostro in dem ZDF-Abenteuermehrteiler "Cagliostro"3) (1973) geblieben. Ab den 1970er Jahren zog sich das Multitalent Marais weitgehend vom Filmgeschäft zurück und war nur noch selten im Fernsehen oder auf der Leinwand zu sehen. Zu seinen letzten Auftritten vor der Kamera zählt eine Nebenrolle des Monsieur Guillaume in Bernardo Bertoluccis Streifen "Stealing Beauty"1) (1996, Gefühl und Verführung).
Im wesentlichen wurden die Malerei, Töpferei und Bildhauerei sein Lebensinhalt. Er verbrachte seine Zeit zuletzt zurückgezogen in seiner Villa in der Töpferstadt Vallauris an der Côte d'Azur. Dort hatte er sich ein Privatmuseum mit den Büsten des Jean Cocteau eingerichtet. 
Jean Marais war nicht nur als Schauspieler und bildender Künstler erfolgreich, er verfasste literarische Werke und war der Autor eines Balletts; unter anderem erschienen 1957 seine ersten Erinnerungen "Mes quatres vérités", 1975 folgten "Histoires de ma vie" (Geschichte meines Lebens) und schließlich 1978 "Contes de Jean Marais". Darüber hinaus gehörten Marais' Inszenierungen von Cocteau-Stücken in den 1950er Jahren zu den international erfolgreichsten französischen Regiearbeiten.
 
Jean Marais starb am 8. November 1998 im Alter von 85 Jahren in Cannes (Frankreich) an den Folgen einer Lungenentzündung; die letzte Ruhe fand er auf dem Friedhof der Gemeinde Vallauris (Alpes Maritimes) nahe Cannes → Foto der Grabstelle bei knerger.de.

Foto: Jean Marais bei bei der César-Verleihung 1991
Quelle: Wikipedia bzw. Wikimedia Commons;
Urheber: Georges Biard;  Lizenz CC-BY-SA 3.0.
Lizenz zur Veröffentlichung siehe hier

Jean Marais bei bei der César-Verleihung 1991; Quelle: Wikipedia bzw. Wikimedia Commons; Urheber: Georges Biard; Lizenz CC-BY-SA 3.0.; Diese Datei ist unter der Creative Commons-Lizenz Namensnennung 3.0 Unported lizenziert.

Siehe auch Wikipedia, www.prisma.de, www.film-zeit.de

Link: 1) Wikipedia, 2) prisma.de, 3) Beschreibung innerhalb dieser HP
Lizenz Foto Jean Marais (Urheber: Georges Biard): Diese Datei ist unter der Creative Commons-Lizenz Namensnennung 3.0 Unported lizenziert. Es ist erlaubt, die Datei unter den Bedingungen der GNU-Lizenz für freie Dokumentation, Version 1.2 oder einer späteren Version, veröffentlicht von der Free Software Foundation, zu kopieren, zu verbreiten und/oder zu modifizieren; es gibt keine unveränderlichen Abschnitte, keinen vorderen und keinen hinteren Umschlagtext. Der vollständige Lizenztext ist im Kapitel GNU-Lizenz für freie Dokumentation verfügbar.
Jean Marais im Hamburger Thalia-Theater mit dem Stück "Cocteau"
Die Fotos zeigen den Künstler vor dem Plakat und während der Aufführung.
Die Fotos wurden mir freundlicherweise von der Fotografin Virginia Shue (Hamburg) zur Verfügung gestellt. 
Das Copyright liegt bei Virginia Shue.
Jean Marais COCTEAU 01;  Copyright Virginia Shue Jean Marais COCTEAU 02; Copyright Virginia Shue
Jean Marais COCTEAU 03; Copyright Virginia Shue Jean Marais COCTEAU 04; Copyright Virginia Shue
Jean Marais COCTEAU 05; Copyright Virginia Shue Jean Marais COCTEAU 06; Copyright Virginia Shue
Kinofilme (Auszug)
Filmografie bei der Internet Movie Database
(Link: Wikipedia, in Klammern:
prisma.de)
  • 1933: Dans les rues
  • 1933: L'epervier (Der Falschspieler)
  • 1934: L'aventurier
  • 1934: Le scandale
  • 1936: Les hommes nouveaux (Die neuen Männer)
  • 1937: Nuits de feu (Eifersucht, Mordprozess Anrejew)
  • 1938: Abus de confiance (Vertrauensbruch)
  • 1941: Le pavillon brûle
  • 1942: Le lit à colonnes
  • 1943: L'éternel retour (Der ewige Bann)
  • 1943: Voyage sans espoir (Reise ohne Hoffnung)
  • 1945: Carmen
  • 1946: La belle et la bête (Die Schöne und das Biest/Es war einmal)
  • 1947: L'aigle à deux têtes (Der Doppeladler; als Anarchist)
  • 1947: Les chouans
  • 1947: Ruy Blas (Der Geliebte einer Königin)
  • 1948: Aux yeux du souvenir (Treffpunkt Rio)
  • 1948: Le secret de Mayerling (Das Geheimnis von Mayerling)
  • 1948: Les parents terribles (Die schrecklichen Eltern)
  • 1949: Orphée (Orpheus)
  • 1950: Le château de verre (Renezvous in Paris)
  • 1950: Miracles n'ont lieu qu'une fois (Einmal nur leuchtet die Liebe)
  • 1952: Nez de cuir
  • 1952: La conciencia acusa
  • 1953: Dortoir des grandes (Im Schlafsaal der großen Mädchen)
  • 1953: Julietta
  • 1953: L'appel du destin (Konzert in Venedig)
  • 1953: Les amants de minuit (Geliebte um Mitternacht)
  • 1954: Le guérisseur (Der Arzt und das Mädchen)
  • 1954: Si Versailles m'était conté (Versailles – Könige und Frauen)
  • 1955: Futures vedettes (Reif auf junge Blüten)
  • 1955: Le comte de Monte-Cristo (Der Graf von Monte Christo)
  • 1955: Napoléon (Napoleon; als Montholon)
  • 1955: Si Paris nous était conté
  • 1956: Elena et les hommes (Weiße Margariten)
  • 1956: Goubbiah, mon amour (Goubbiah – Meine Liebe)
  • 1956: Toute la ville accuse
  • 1957: Amour de poche (Alchemie der Liebe)
Um zur Seite der Leinwandstars zurückzukehren, bitte dieses Fenster schließen.
Home: www.steffi-line.de