Es folgte eine Verpflichtung am "Königlichen Hoftheater" in Stuttgart (18931899), wo Gertrud Eysoldt zunehmend in das Fach der eindrucksvollen Charaktermimin hineinwuchs. Zu nennen sind unter anderem Titelrollen in Gerhart Hauptmanns Traumdichtung "Hanneles Himmelfahrt" (15.12.1893) und Ibsens Drama "Nora oder Ein Puppenheim" (29.03.1894). Dann zog es die Schauspielerin in die Metropole Berlin, wo sie zwischen 1899 und 1901 zunächst am "Schillertheater" und dann am "Lessingtheater" wirkte. Danach begann eine intensive Zusammenarbeit mit Max Reinhardt1) (1873 1943), erstmals war sie am 4. Dezember 1901 an dessen kurz zuvor gegründeten Kleinkunstbühne "Schall und Rauch"1) in einem Programm mit dänischen Gassenliedern aufgetreten. Als zur Spielzeit 1902/1903 aus der Kleinkunstbühne "Schall und Rauch" das "Kleine Theater" hervorging bzw. dieses von Reinhardt als reine Schauspielbühne weitergeführt wurde, blieb Gertrud Eysoldt dem Ensemble treu, dem sie bis 1933 angehörte. Unter der Intendanz von Reinhardt spielte sie an fast allen seinen Berliner Theatern und feierte zahlreiche Erfolge. Zu ihren "leidenschaftlich-expressiven" Interpretationen zählten zahlreiche titelgebende Frauengestalten, so die "Salome" (1902) in Oscar Wildes gleichnamigem Einakter, sie war Strindbergs "Fräulein Julie" (1904) oder die "Penthesilea" in Heinrich von Kleists Trauerspiel. Als Lulu brillierte sie in Frank Wedekinds Tragödie "Erdgeist" (1902), als Mädchen Nastja in Gorkis "Nachtasyl" (1903) oder als tragische Heldin "Elektra" in Max Reinhardts Inszenierung bzw. Uraufführung von Hugo von Hofmannsthals einaktigen Adaption des antiken Sophokles-Stoffes am 30. Oktober 1903 im "Kleinen Theater". Der Schriftsteller und Theaterkritiker Alfred Kerr1) schrieb damals unter anderem: "( ) sie ist "Hüterin des Mordes" schlechtweg; eine Fledermaus der Rache: weil das ganze Werk Erfüllung des Rachegefühls ausdrückt. Sie verkörpert ein Ding, nicht einen Fall. Sie hält wunderbar die Arme gespreizt wie ein Nachtvogel die Fittiche (der Dichter sagt nur, sie solle mit dem Rücken gegen die Wand gepreßt stehen), sie ist mit Raubtieraugen Hüterin des Mordes, wird zu einem Ornament, zu einer Impression, zu einem Symbol, sie gibt den Stil der malenden Schauspielkunst. Man hat schlimmstenfalls das ganze Geschöpf in dieser Gebärde. Und die Sache in diesem Geschöpf."2) Hugo von Hofmannsthal schrieb Gertrud Eysoldt noch zwei weitere Figuren auf den Leib, den Schwertträger des Kreon in dem Drama "Ödipus und die Sphinx"1), uraufgeführt am 2. Februar 1906 am "Deutschen Theater", sowie die "Guten Werke" in "Jedermann"1) (UA: 01.12.1911, Zirkus Schumann; mit Alexander Moissi als "Jedermann") jeweils in Szene gesetzt von Max Reinhardt. Vor allem als Puck in Shakespeares Komödie "Ein Sommernachtstraum"1) (1905) schrieb Gertrud Eysoldt Theatergeschichte einmal mehr unter der Regie von Max Reinhardt: "Aus dem niedlichen Ballett-Puck früherer Inszenierungen machte sie einen zotteligen Kobold, der durch einen richtigen Wald auf der Bühne hüpfte. Sie verkörperte den Puck bis 1921 in insgesamt fünf Inszenierungen des Stücks durch Reinhardt."2) Weitere wichtige Rollengestaltungen von Gertrud Exsold an Berliner Bühnen2) (Link: Wikipedia):
In der Zeitschrift "Sport im Bild"1) widmete man 1905 in der Reihe "Berliner Bühnensterne" auch Gertrud Eysold einen Artikel: "Gertrud Eysoldt ist ein Stern erster Grösse geworden, ihr Name hat eine Anziehungskraft, die nicht nur die Theaterkasse füllt, sondern auch die geistige Elite Berlins vor den Vorhang des geheimnisvoll düster drapierten Raumes lockt, in dem nur wirkliche Kunst, alte und neue, zur Darstellung kommt. ( ) Eine "interessante" Schauspielerin, so nennt man sie, denn immer gibt sie Neues, immer haben ihre Gestalten einen besonderen Typus, eine stark ausgeprägte Eigenart. ( ) Gertrud Eysoldt ist nicht schön. Sie verfügt weder über eine imponierende Erscheinung, noch über ein machtvolles Organ es ist ein zarter, schwacher Körper, an den sie die gewaltigen psychischen wie physischen Anstrengungen einer den Abend füllenden Rolle, täglicher Proben und Privatstudien stellen muss. Um so bewundernswürdiger ist es, wie dieser gebrechliche Frauenkörper sich den Geboten einer leidenschaftlichen, flammenden Künstlerseele fügt, wie er jeder leisesten Seelenregung sich anpasst, wie diese Stimme zu singen und zu klingen beginnt, dies bewegliche Antlitz Schmerz und Lust, Verzücktheit und Entsetzen, Hass und Liebe zu spiegeln weiss. Gertrud Eysoldt steht auf der Höhe ihrer Kunst. Ihr Talent mag sich ausdehnen, immer neue Rollen an sich ziehen, uns mit reizvoller Mannigfaltigkeit überraschen etwas Grösseres hat sie kaum zu geben, als sie in der Salome", der "Lulu" und der "Elektra" bot."5) Zudem war die Mimin zwischen 1920 und 1922 Direktorin des "Kleinen Schauspielhauses" in Berlin-Charlottenburg. Hier brachte sie am 23. Dezember 1920 trotz Verbots Arthur Schnitzlers Schauspiel "Reigen"1) in einer Inszenierung von Hubert Reusch zur Aufführung, was einen der größten Theaterskandale des 20. Jahrhunderts bzw. den so genannten "Reigenprozess" nach sich zog. Das preußische Kultusministerium hatte noch wenige Stunden vor der Berliner Premiere die Vorstellung unter Androhung einer sechswöchigen Haftstrafe verhindern wollen. "Gertrud Eysoldt trat vor den Vorhang, berichtete dem Publikum über die Sachlage und erklärte mutig, dass die drohende Haftstrafe sie nicht daran hindern könne, für die Freiheit der Kunst einzutreten und dem Vorwurf entgegenzutreten, dass Schnitzler ein "unsittlicher Schriftsteller" sei. Die Premiere fand regulär statt. Am 3. Januar 1921 hob ein Gericht das Verbot auf, nachdem sich die Richter die Vorstellung selbst angesehen hatten, in ihrem Urteil nannten sie die Aufführung eine "sittliche Tat".6) Auch als hervorragende Schauspiellehrerin erwarb sich Gertrud Eysoldt einen Ruf, bereits seit 1905 vermittelte sie ihr Wissen an Hunderte junge Nachwuchstalente. Als am 2. Oktober 1905 auf Betreiben Max Reinhardts die Schauspielschule des "Deutschen Theaters" (heute: "Hochschule für Schauspielkunst "Ernst Busch" Berlin") seine Pforten öffnete, wurde Gertrud Eysoldt gemeinsam mit Hedwig Wangel7) eine der ersten Lehrerinnen für Rollenstudium.
Bereits Anfang der 1930er Jahre hatte sich Gertrud Eysoldt nach Auflösung des Reinhardt-Ensembles weitgehend von der Bühne zurückgezogen. Einen letzten Höhepunkt ihrer Karriere in Berlin feierte sie 1940 am Abend ihres 70. Geburtstages mit der Rolle der Herzogin von Gloster in Shakespeares "Richard II" am "Deutschen Theater". Während der Kriegswirren in und um Berlin floh sie 1943 aus der immer unsicherer werdenden Metropole und ließ sich im oberbayerischen Ohlstadt bei Murnau nieder. Ihre Ehe mit Max Martersteig war nach kurzer Zeit gescheitert, die zweite Ehe ging sie mit dem Berliner Kunstmaler Benno Berneis1) ein, der erst 33-jährig während des 1. Weltkrieges am 8. August 1916 als Angehöriger einer Feldflieger-Abteilung in einem Luftkampf fiel; er wurde auf dem Soldatenfriedhof Mont-Saint-Remy in den Ardennen (Frankreich) beigesetzt. Aus dieser Verbindung stammte Sohn Peter Berneis1) (1910 1985), der als Kinderdarsteller (unter dem Namen Peter Eysoldt) sowie als Drehbuchautor im Film erfolgreich war. Auch der erstgeborene Sohn, der Pianist, Komponist und Bandleader Leo Eysoldt3) (1901 1967), machte sich einen Namen: Er leitete unter anderem das Salonorchester im Kölner "Café Germania" mit dem die Frühgeschichte des WDR Rundfunkorchesters begann. Das Orchester "war eines der besten der Stadt, das mit seiner ungewöhnlich großen Besetzung von 20 Musikern gehobene Unterhaltungsmusik und populäre Musik auf einem "bemerkenswert anspruchsvollen Niveau" (Kölner Stadt-Anzeiger, Mai 1926) bot" notiert Wikipedia. Das "Leo-Eysoldt-Orchester" bestand bis 1942, wurde dann während des Krieges aufgelöst, 1949 erhielt Eysoldt eine Festanstellung am Funkhaus Nürnberg des "Bayerischen Rundfunks". Die mitunter in Vergessenheit geratene Max-Reinhardt-Schauspielerin Gertrud Eysoldt starb am 6. Januar 1955 im Alter von 84 Jahren in Ohlstadt; ihre letzte Ruhe fand sie in der Stadt, in der sie Jahrzehnte nachhaltig gewirkt hatte in Berlin auf dem "Dorotheenstädtischen Friedhof" nahe der Grabstätten von Bertolt Brecht und Helene Weigel. An ihrem Geburtshaus in Pirna (Marktgasse 1) erinnert eine Gedenktafel mit der Inschrift "Wegbereiterin moderner Bühnenkunst" an die legendäre Künstlerin, die bereits 1945 zum Ehrenmitglied des "Deutschen Theaters" ernannt worden war. Zudem ist im Stadtteil Pirna-Hinterjessen sowie im hessischen Bensheim eine Straße nach ihr benannt. Die Stadt Bensheim hat einen besonderen Bezug zu Gertrud Eysoldt: Der mit ihr in engem Briefkontakt stehende, in Bensheim verstorbene Theaterkritiker Wilhelm Ringelband1) (1921 1981) stiftete zur Erinnerung an sie den (heute) mit 10.000 Euro dotierten Theaterpreis "Gertrud-Eysoldt-Ring"1). Seit 1986 wird dieser für hervorragende schauspielerische Leistungen an einem deutschsprachigen Theater von der Stadt Bensheim zusammen mit der "Deutschen Akademie der Darstellenden Künste" jeweils im März verliehen. Erste Preisträgerin war Doris Schade7) (1924 2012) für ihre Darstellung der Hekabe in "Die Troerinnen des Euripides" von Walter Jens in der Inszenierung von George Tabori an den "Münchner Kammerspielen"; siehe auch www.darstellendekuenste.de sowie www.stadtkultur-bensheim.de. Von dem Theaterwissenschaftler Dr. Carsten Niemann, der über Gertrud Eysoldt promovierte, stammt die bebilderte, 1995 veröffentlichte Biografie "Das Herz meiner Künstlerschaft ist Mut. Die Max-Reinhardt-Schauspielerin Gertrud Eysoldt", welche in der Schriftenreihe "Prinzenstraße. Hannoversche Hefte zur Theatergeschichte" zeitgleich mit einer Ausstellung in dem im "Schauspielhaus Hannover"1) beheimateten "Theatermuseum" erschien, mit dessen Leitung Niemann seit 1995 betraut ist → www.staatstheater-hannover.de; für die Stadt Bensheim richtete er ein "Gertrud-Eysoldt-Archiv" ein. Bereits 1988 zeichnete er als Herausgeber verantwortlich: Anlässlich einer Ausstellung der Stadt Bensheim im " Parktheater" (26.11.198809.01.1989) wurde die 51-seitige Begleitbroschüre "Gertrud Eysoldt Bilder aus einem Schauspielerleben" publiziert. In der ersten Etage des Bensheimer "Parktheaters" befindet sich zudem das "Gertrud-Eysoldt-Foyer", in dem die "Stadtkultur/Galerie" jährlich drei bis vier Ausstellungen veranstaltet. |
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Quelle (unter anderem*)):
Wikipedia,
Neue Deutsche Biographie (NDB),
www.cyranos.ch Fotos bei www.virtual-history.com |
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Link: 1) Wikipedia, 7) Kurzportrait innerhalb dieser HP, 8) Murnau Stiftung,
9) filmportal.de *) Weitere Quellen:
2) Henschel Theaterlexikon (Henschel Verlag, 2010, S. 199) 3) Weickert, Christian; "Eysoldt, Gertrud" in: Neue Deutsche Biographie 4 (1959), S. 712713; Onlinefassung: www.deutsche-biographie.de 4) Felix Hollaender: Die Eysoldt, in: "Das Theater" (19.01.1905, Heft 7, S. 75) → www.berliner-schauspielschule.de 5) Dora Schmidt in: "Sport im Bild" ( (1905, Jahrgang 11, Nr. 31, S. 742ff) 6) : Wikipedia (abgerufen 21.01.2014) Lizenz Foto Gertrud Eysoldt: Die Rechte für die Abbildungen des Objektes sind für die nicht-kommerzielle Nutzung bei Angabe der Quelle frei verfügbar (Creative Commons Lizenz 3.0, by-nc-sa). Lizenz Foto Gertrud Eysoldt (Urheber "Fotoatelier Zander & Labisch", Berlin): Das Atelier von Albert Zander und Siegmund Labisch († 1942) war 1895 gegründet worden; die inaktive Firma wurde 1939 aus dem Handelsregister gelöscht. Externe Recherche ergab: Labisch wird ab 1938 nicht mehr in den amtlichen Einwohnerverzeichnissen aufgeführt, so dass sein Tod angenommen werden muss; Zander wiederum war laut Aktenlage ab 1899 nicht mehr aktiv am Atelier beteiligt und kommt somit nicht als Urheber dieses Fotos in Frage. Die Schutzdauer (von 70 Jahren nach dem Tod des Urhebers) für das von dieser Datei gezeigte Werk ist nach den Maßstäben des deutschen, des österreichischen und des schweizerischen Urheberrechts abgelaufen. Es ist daher gemeinfrei. (Quelle: Wikipedia) |
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