Lauritz Melchior01 Der Tenor Lauritz Melchior wurde am 20. März 1890 als Lauritz Lebrecht Hommel Melchior im dänischen Norregade bei Kopenhagen geboren; an diesem Tag erblickte auch der berühmte Tenor Beniamino Gigli1) (1890 – 1957) das Licht der Welt. Melchiors Vater Jørgen Melchior (1845 – 1925) leitete eine Privatschule, schon als Knabe sang der junge Lauritz in der "Englischen Kirche" in Kopenhagen im Chor den Knabensopran, mit 18 Jahren begann er ein Gesangstudium als Bariton in seiner Geburtsstadt bei Paul Bang an der "Königlichen Opernschule". Sein offizielles Debüt gab er 1913 mit der Rolle des jungen Bauern Silvio in Leoncavallos "Der Bajazzo"2) an der "Königlich Dänischen Oper" mit Carl Nielsen2) (1865 – 1931) am Dirigentenpult, sang für die nächsten vier Jahre weiterhin Rollen des Bariton-Fachs. Auf Anraten der amerikanischen Altistin Mme. Sara Charles-Cahier, die mit einem schwedischen Rittergutsbesitzer verheiratet war (1870 – 1951, auch bekannt als Mrs. Morris Black), absolvierte Melchior erneut eine Ausbildung, diesmal zum Tenor, und nahm ab 1917 für ein Jahr lang Unterricht bei dem dänischen Tenor Vilhelm Herold3) (1865 – 1937), der vor allem als Wagner-Interpret zwischen 1900 und 1915 international berühmt geworden war.
  
  
Foto: Mit freundlicher Genehmigung von www.cantabile-subito.de
Sein Debüt als Tenor gab Melchior dann am 8. Oktober 1918 mit der Titelrolle in Wagners "Tannhäuser"2) – zunächst war er jedoch auch in diesem neuen Fach nicht recht erfolgreich. Das sollte sich ändern, als er während eines Gastspiels in Großbritannien den berühmten italienischen Erfinder und Rundfunkpionier Guglielmo Marconi2) (1874 – 1937) kennenlernte, der ihm anbot, an einer ersten, weltweiten Radioübertragung teilzunehmen, übrigens zusammen mit der legendären Nellie Melba1) (1861 – 1931). Weitere interessante Kontakte schlossen sich an, Melchior machte die Bekanntschaft des britischen Schriftstellers und leidenschaftlichen Wagner-Verehrers Hugh Walpole2) (1884 – 1941) der den Sänger nicht nur moralisch, sondern auch finanziell unterstützte. Melchior arbeitete erneut weiter an seiner Stimme, perfektionierte sich von 1921 bis 1923 in London bei Victor Beigel (1870 – 1930), in Berlin bei dem renommierten Musikpädagogen Prof. Ernst Grenzebach, in München bei der berühmten Sopranistin der Wiener Staatsoper Anna von Mildenburg2) (1872 – 1947) sowie in Bayreuth bei dem Kapellmeister Prof. Karl Kittel (1874 – 1945). Nun stellte sich der Erfolg ein, die Witwe Richard Wagners, Cosima Wagner2) (1837 – 1930) und deren Sohn Siegfried2) (1869 – 1930) interessierten sich für den jungen Sänger, luden ihn 1924 nach Bayreuth ein und verpflichteten ihn als Siegmund in "Die Walküre"2) sowie als "Parsifal"2); bis 1931 gab Melchior jeden Sommer Gastspiele in Bayreuth, brillierte in fast allen großen Wagnerschen Heldenpartien.
Seine Ruf als grandioser Wagner-Interpret brachte ihn 1924 an den Londoner "Coven Garden" sowie 1926 nach New York an die "Metropolitan Opera", wo er bis 1950 hauptsächlich in den Opern Wagners Triumphe feierte: Die männliche Titelpartie in "Tristan und Isolde"2) gestaltete Melchior dort einigen Quellen zufolge mehr als 200 Mal, die des Siegfried in "Der Ring des Nibelungen"2) fast 120 Mal; er brillierte als "Parsifal" und als "Lohengrin"2), ohne jedoch das italienische Repertoire zu vernachlässigen. 
So beeindruckte Melchior mit seiner kraftvollen Stimme in Verdi-Opern beispielsweise als ägyptischer Feldherr Radames in "Aida"2) oder mit der Titelpartie in "Otello"2), gab unter anderem den Jean de Leyde in Meyerbeers "Der Prophet"2), aber auch den Florestan in Beethovens "Fidelio"2) oder den Fürsten Ottokar in Webers "Der Freischütz"2); zu seinem weiteren Repertoire gehörte beispielsweise der junge Bauer Turridu in Mascagnis "Cavalleria Rusticana"2) sowie die männliche Titelpartie in Camille Saint-Saëns' "Samson et Dalila"2).

Foto (von l.n.r): Kammersänger Michael Bohnen1) (1887 – 1965),
Kammersängerin Elisabeth Rethberg2) (1894 – 1976) und
Kammersänger Lauritz Melchior im Februar 1932 während
ihrer Überfahrt an Bord des deutschen Ozean-Schnelldampfers "Europa",
um an der New Yorker "Metropolitan Opera" aufzutreten.
Quelle: Deutsches Bundesarchiv, Digitale Bilddatenbank, Bild 102-13075;
Fotograf: Unbekannt / Datierung: Februar 1932 / Lizenz CC-BY-SA 3.0
Genehmigung des Bundesarchivs zur Veröffentlichung innerhalb dieser Webpräsenz
wurde am 11.10.2010 erteilt. Originalfoto und Beschreibung:
Deutsches Bundesarchiv  Bild 102-13075 bzw. Wikimedia Commons

Foto (von l.n.r): Kammersänger Michael Bohnen, Kammersängerin Elisabeth Rethberg (1894 - 1976) und Kammersänger Lauritz Melchior (1890 - 1973) im Februar 1932 während ihrer Überfahrt an Bord des deutschen Ozean-Schnelldampfers "Europa", um an der New Yorker "Metropolitan Opera" aufzutreten. Quelle: Deutsches Bundesarchiv, Digitale Bilddatenbank, Bild 102-13075; Fotograf: Unbekannt / Datierung: Februar 1932 / Lizenz CC-BY-SA 3.0.; Originalfoto und Beschreibung: Deutsches Bundesarchiv  Bild 102-13075 bzw. Wikimedia Commons
Seinen letzten Auftritt an der "Met" hatte Melchior 1950 mit einer seiner Wagnerschen Paraderolle, dem "Lohengrin"; nach der Vorstellung soll er gesagt haben "Jetzt fährt der Schwan den ganzen Weg nach Hause!"
Bis heute ist unklar, warum Melchior seine Bühnenkarriere im Februar 1950 abrupt beendete. Berichte, seine Stimme habe deutlich an Strahlkraft verloren, gehen offenbar auf eine gezielte Desinformation des damaligen "Met"-Intendanten Rudolf Bing zurück. Die vorletzte "Lohengrin"-Aufführung ist auf Tonträger festgehalten – die Stimme des 59-jährigen Tenors klingt dort frisch und strahlend.4)

Die Statistik Melchiors, die kursiert, ist atemberaubend, auch wenn anzunehmen ist, dass nicht alle Zahlen stimmen (weil manche in zwei Versionen existieren). Sei dem wie es sei: Als Melchior sich am 2. Februar 1950 als "Lohengrin" von der Bühne der Met und allen anderen Bühnen für immer verabschiedete, da war der Manager Rudolf Bing heilfroh. Für ihn war Melchior schon 1939, als er zum erstenmal die Met besuchte, nur noch ein wandelndes rotes Plüschsofa als "Tannhäuser", und als Bing sein Regiment antrat, fand er Melchior entsetzlich dick und gealtert (wenn man die Photos vom letzten Lohengrin anschaut, wird man Bing nicht ganz unrecht geben können); ihm war auch ein Dorn im Auge, dass Melchior zu den Proben nicht mehr erschien und erklärte, falls ein Dirigent glaube, ihm noch etwas beibringen zu können, solle er sich bei ihm einen Termin geben lassen (so lautet jedenfalls die Version Bings). Nun aber die Statistik: 106mal "Lohengrin", 81mal "Parsifal", 144mal "Tannhäuser", 223mal (!) "Tristan" (den andere kaum zehnmal überstehen), 183mal "Siegmund", 128mal "Siegfried" in "Siegfried", 107mal "Siegfried" in der "Götterdämmerung" – fast 1000 Wagner-Vorstellungen zusammen. Darüber hinaus ein schmales Repertoire, dennoch breiter, als mancher wohl vermutet, und breiter als das mancher prominenter Wagner-Sänger von heute: 31mal "Otello", 25mal "Radames", 21mal "Canio", elfmal "Jean de Leyde", die Hauptrolle in Meyerbeers "Prophète", neunmal "Florestan", fünfmal "Turridu" und dreimal "Samson".5)
  
Melchior als "Radames" Melchior als "Siegfried" Melchior als "Tristan"
Melchior als "Radames" Melchior als "Siegfried" Melchior als "Tristan"
Fotos: Mit freundlicher Genehmigung von www.cantabile-subito.de
Urheberschaft unbekannt
  
Gastspielreisen führten den Tenor im Verlaufe seiner Karriere an alle bedeutenden Opernhäuser weltweit, in Deutschland wurde er in Hamburg, München oder Berlin bewundert, ebenso wie in San Francisco, Chicago oder Buenos Aires. Zahlreiche Schallplatten, die er vornehmlich in den Jahren zwischen 1925 und 1945 einspielte, zeugen noch heute von der enormen Ausdruckskraft des Sängers. Nach seinem Abschied von der Opernbühne setzte er seine musikalischen Aktivitäten in Amerika unter anderem in populären Rundfunksendungen wie der "Fred Allen Show" oder mit Fernsehauftritten fort, übernahm auch schon mal ein Engagement in einem renommierten Nachtclub.

1953 mimte er die Rolle des Jan Poldi in dem Musikfilm "The Stars Are Singing" (Ein Lied, ein Kuß, ein Mädel), bereits kurz nach dem Krieg hatte er in den Streifen "Thrill of a Romance" (1945, Flitterwochen zu dritt), "Two Sisters from Boston" (1946, Erfüllte Träume), "This Time for Keeps" (1947, Bezaubernde Lippen) und "Luxury Liner" (1948, Liebe an Bord) mitgewirkt. Hier mimte er meist den netten, humorvollen "Großvater-Typ", an der Seite so bekannter Hollywood-Größen wie beispielsweise Esther Williams, Jane Powell, Van Johnson oder Jimmy Durante.
1960 gab Melchior anlässlich seines 70. Geburtstages noch einmal ein Konzert und sang in Kopenhagen im 1. Akt der "Walküre" den Siegmund, den endgültigen Abschied von seinem Publikum nahm er 1966 als Dirigent der "Fledermaus-Ouvertüre" während eines open-air-Konzerts in San Francisco. Ein Jahr zuvor hatte zu seinem 75. Geburtstag getreu seiner Devise "Heldentenöre werden nicht geboren – sie werden gemacht", die "Melchior Heldentenor Foundation" gegründet, die es sich zur Aufgabe macht, junge Heldentenöre zu fördern.

Der in seinem Heimatland Dänemark als "Königlicher Kammersänger" ausgezeichnete Lauritz Melchior war für seine enorme Vitalität und Lebenslust – auch was gutes Essen und Trinken anbelangte –  bekannt. In zweiter Ehe hatte er Ende Mai 1925 die Filmschauspielerin Anna Maria Hacker (1903 – 1963), die er liebevoll "Kleinchen" nannte, geheiratet; "Kleinchen" stammte aus Bayern und fungierte bis zu ihrem Tod am 20. Februar 1963 als Melchiors Managerin. Nach dem Tod seiner Frau "Kleinchen" heiratete Melchior Anfang Juni 1964 noch ein drittes Mal, doch die Ehe mit seiner ehemaligen Sekretärin Mary Markham wurde bereits zwei Jahre später geschieden. Seine erste Ehe hatte der Künstler 1915 mit Inger Nathanson geschlossen, aus der Verbindung stammen zwei Kinder, eine Tochter sowie der am 17. September 1917 geborene Sohn Ib Jørgen Melchior3), der sich später als Schriftsteller, Drehbuchautor und Filmproduzent einen Namen machte. Die Angaben über Inger Nathanson (auch Inger Nathansen) sind unterschiedlich, einigen Quellen zufolge ließ sich Melchior Ende 1924 oder Anfang 1925 von ihr scheiden, um Anna Maria Hacker zu heiraten, andere Informationen wiederum besagen, dass Melchiors erste Ehefrau 1924 verstorben sei.
 
Zu den großen "Leidenschaften" des Tenors zählte die Jagd, über Jahre besaß er im heutigen brandenburgischen Chossewitz bei Friedland ein großes Gut, das er jedoch mit Ausbruch des 2. Weltkrieges aufgab, da er die braunen Machthaber hasste. Er ließ sich ganz in den USA nieder und erhielt später auch die amerikanische Staatsbürgerschaft. Der "große Däne", wie Cosima Wagner ihn bezeichnet haben soll, starb am 18. März 1973  – zwei Tage vor seinem 83. Geburtstag – an den Folgen einer Krebserkrankung im kalifornischen Santa Monica. Seine letzte Ruhestätte fand der 1960 mit dem "Großen Verdienstkreuz der Bundesrepublik Deutschland" ausgezeichnete legendäre Sänger neben seiner zweiten Ehefrau auf dem "Assistens-Friedhof" im Kopenhagener Stadtteil Nørrebro. Auf der Grabinschrift wird allerdings der 19. März 1973 als Todesdatum angegeben → www.findagrave.com, knerger.de.

Von Shirlee Emmons kam 1999 die Biografie "Tristanissimo – The Authorized Biogrphy of Heroic Tenor Lauritz Melchior" auf den Markt; historische Abbildungen und eine umfangreiche Diskografie von Hans Hamsen runden die Dokumentation über den Jahrhundert-Tenor ab. Ib Melchior veröffentlichte 2003 das Buch "Lauritz Melchior: The Golden Years of Bayreuth".

Umfangreiche Informationen (in englisch) bei "The Lauritz Melchior Homepage"
Siehe auch Wikipedia, www.cantabile-subito.de (in englisch), Lauritz Melchior Web (in englisch)
Filmografie bei der Internet Movie Database
Link: 1) Kurzportrait innerhalb dieser HP, 2) Wikipedia (deutsch), 3) Wikipedia (englisch)
Quelle:
4) Wikipedia (abgerufen 01.01.2012)
5) "Grosse Stimmen" von Jens Malte Fischer, Verlag J. B. Metzeler, Stuttgart 1993, S. 156
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