Wie einige andere renommierte Theaterkollegen, etwa Fritz Delius1),
Theodor Becker1)
oder Maria Fein1),
die sich für kurze Zeit dem noch jungen Medium
Film zuwandten, machte auch Bruno Decarli ab 1916 Erfahrungen vor der Kamera
und hinterließ bis Anfang der 1920er Jahre mit seinen wenigen Produktionen
nachhaltige Spuren auf der noch stummen Leinwand.
Der Sohn des Kammersängers Eduard Decarli2) (1846 1903)
wurde am 15. März 1877 in Dresden geboren, entschied sich schon früh für den
Beruf des Schauspielers. Nach einer Ausbildung bei dem berühmten Theodor Julius Jaffé2)
(1823 1898) gab der damals 18-Jährige sein Bühnendebüt
im
Jahre 1895 am "Hoftheater
Meiningen"2) (Thüringen), ein Jahr später wechselte er
nach Zürich. Über Gera, Dresden und Berlin kam er 1908 an das "Stadttheater"
in Leipzig, wo Decarli bis zu Beginn des 1. Weltkrieges wirkte und sich einen
Namen als herausragender Charakterdarsteller machte. Von dem
legendären Max Reinhardt2) (1873 1943),
Intendant des ""Deutschen
Theaters"2) (19051930) und
der "Volksbühne"2)
(19151918) nach Berlin berufen, wirkte Decarli dort ab 1915, avancierte zu
einer tragenden Säule der Berliner Theater-Szene. So brillierte er unter
Reinhardts Regie beispielsweise an beiden Bühnen zur Spielzeit 1915/16 in
Schillers "Wallensteins Tod"2) an der Seite von
Eduard von Winterstein1) und
Fritz Delius1), mit denen
er auch im Frühjahr 1916 in
Shakespeares "Romeo und Julia"2) zusammen auftrat. Als
Shakespeare-Interpret feierte Decarli Erfolge in "Der Kaufmann von
Venedig"2) (ab September 1915), wusste aber auch in Stücken der Moderne wie in
Gerhart Hauptmanns "Schluck und Jau"2) (Premiere: 04.09.1916) oder in
August
Strindbergs2) "Meister Olaf" (Premiere: 22.09.1916; Regie: Fred Gregori)
zu überzeugen.
Bruno Decarli 1905
Quelle: Deutsche
Fotothek, (file: df_hauptkatalog_0257233)
Eigentümer / © SLUB Dresden/Deutsche Fotothek
Quelle: www.deutschefotothek.de;
Genehmigung zur Veröffentlichung: 30.03.2017
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Reinhardt realisierte mit dem für sein facettenreiches Spiel hochgelobten
Schauspieler unter anderem auch Heinrich von Kleists "Die
Hermannsschlacht"2) (Premiere: 25.01.1918) sowie
seine erste legendäre
Aufführung von Georg Büchners "Dantons Tod"2) am 16. Dezember 1916, mit
Decarli als einem brillanten Revolutionsführer Robespierre und Werner Krauss als nicht minder
großartigem St. Just, die Titelfigur des Danton wurde von Ferdinand Bonn1)
verkörpert; den Robespierre solle Decarli auch in späteren Jahren
noch interpretieren.
Während seiner Zeit in Berlin kam Bruno Decarli mit der noch jungen
Kinematographie in Kontakt und auch die Filmpioniere der Stummfilm-Ära wie Rudolf Biebrach
und Robert Wiene setzten den vielseitigen Künstler mit Hauptrollen in den
beliebten Melodramen oder Krimis an der Seite der weiblichen Stars jener
Jahre ein.
Bruno Decarli als Götz von Berlichingen2)
in dem
gleichnamigen Schauspiel2) von Johann Wolfgang von Goethe
("Staatstheater Dresden", Neueinstudierung 22.03.1932),
fotografiert von Ursula Richter2) (1886–1946)
→ Selbstbildnis
Quelle: Deutsche
Fotothek, (file: df_pos-2009-a_0002840)
Eigentümer / © SLUB Dresden/Deutsche Fotothek/Ursula
Richter/Datierung: 1932
Quelle: www.deutschefotothek.de;
Genehmigung zur Veröffentlichung: 30.03.2017 |
Zu seinen ersten Leinwandauftritten, mit denen er wie auf der
Bühne nachhaltigen Eindruck hinterließ, zählen Rudolf Biebrachs "Gelöste Ketten"3) (1916)
und das von Robert Wiene nach einer Kriminal-Erzählung von Ernst von Wildenbruch in Szene
gesetzte Drama "Das wandernde Licht"3) (1916) jeweils
mit dem damaligen "Topstar" Henny Porten als Partnerin, mit
der noch einige weitere Produktionen folgen sollten. Felix Basch besetzte
Decarli neben Mia May in der rührseligen Geschichte "Die
Silhouette des Teufels"3) (1917), Mia May-Gatte Joe May an der Seite
seiner Frau in "Die Liebe der Hetty Raymond3) (1917).
Als Robert Wiene den Horror-Streifen "Furcht"3) (1917) drehte,
war Decarli für ihn die ideale Besetzung für den von Visionen
verfolgten und fast wahnsinnig vor Furcht werdenden Graf Greven, Conrad Veidt
mimte einen indischen Priester, Bernhard Goetzke Grevens Diener und Mechthild Thein
die Geliebte des Grafen. Als "vertiefte Psychologenarbeit"
wurde der Film von der Kritik aus dem übrigen Angebot teils lobend, teils warnend hervorgehoben:
"Ein Drama (
), welches im Rahmen einer psychologischen Studie durch seine
Romantik und Mystik, aber auch durch das absonderliche Gemisch von Schönem und Grauenhaften die Zuschauer tief in seinen Bann zieht."
("Der Film "39, 29.9.1917; vgl. LBB 38, 22.9. 1917 und "Kinematograph" 561, 26.09.1917).4)
Der Streifen "Furcht" gehörte wie die psychologische "Charakterstudie
"Der Richter"3) (1918)
zu einer eher kurzlebigen "Decarli-Serie" der
"Messter-Film", doch "bereits vor der Jahreswende 1917/18 stellte die
"Messter-Film" ihre "Bruno-Decarli-Serie" wegen
fehlender Popularität wieder ein.4)
Foto: Bruno Decarli vor 1929
Urheber bzw. Nutzungsrechtinhaber: Alexander Binder1)
(1888 1929)
Quelle:
www.cyranos.ch;
Angaben zur Lizenz siehe hier
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Stattdessen tauchte Decarli in einer ebenfalls von der der "Messter-Film"
produzierten beliebten "Henny Porten-Reihe" mit prägnanten Rollen
auf, zeigte sich in Rudolf Biebrachs
"Die Heimkehr des Odysseus"3) (1918)
als der waghalsige Bergführer Hans Immerhofer, der nach vielen Jahren zu
seiner geliebten Josepha (Henny Porten) zurückfindet sowie in den ebenfalls
von Biebrach inszenierten Dramen "Das Geschlecht derer von Ringwall"3) (1918),
"Die Sieger"3) (1918)
und "Das Maskenfest des Lebens"3) (1918).
Szene mit Bruno Decarli (links) und Harry Liedtke1)
aus dem
Stummfilm
"Rebellenliebe" von Heinz
Karl Heiland2) ("Heiland-Film", 1919)
Quelle: Deutsche
Fotothek, (file: df_pos-2006-a_0000906)
aus
"Vom Werden deutscher Filmkunst/1. Teil: Der stumme Film"
von Dr. Oskar Kalbus
(Berlin 1935, S. 29) bzw. Ross-Verlag 1919
© SLUB Dresden/Deutsche Fotothek/Unbekannter Fotograf
Quelle: www.deutschefotothek.de;
Genehmigung zur Veröffentlichung: 30.03.2017 |
Das Jahr 1919 war ebenfalls äußerst produktiv für Decarlis filmische
Arbeit, rund 15 Streifen mit ihm in Haupt- und Nebenrollen gelangten in die
Lichtspielhäuser. Darunter auch Joe Mays achteiliger Sensations- und
Abenteuerfilm "Die
Herrin der Welt"2) (1919), in dem er in den
Teilen 1, 4 und 8 zur Besetzung gehörte.
Für Conrad Tietzes "Macht-Film" übernahm er 1919 die
Hauptrolle in dem mit Jugendverbot belegten Streifen "Das Gift im
Weibe", bei dem er einigen Quellen zufolge auch selbst Regie geführt
haben soll.
Mit "Uriel Acosta" (1920), einer Adaption der Novelle
"Die Sadduzäer von Amsterdam" (1834) bzw. der
Tragödie "Uriel Acosta" (1846) von Karl Gutzkow, mit dem die Kämpfe um die jüdischen Glaubensfreiheit in Spanien und
Holland thematisiert wurden, starteten einige Filme seiner eigenen
"Decarli-Film KG"; in "Uriel Acosta"
trat Decarli unter der Regie von Ernst Wendt zudem als der historische
Religionskritiker und Freidenkers Uriel da Costa2) (1585 1640) auf.
Weitere Produktionen mit Decarli bzw. der "Decarli-Film"
waren unter anderem Reinhard Brucks "Brigantenrache" (1920) mit
Asta Nielsen und der ebenfalls von "Horror-Spezialist" Ernst Wendt in Szene gesetzte Streifen "Der Unheimliche" (1922).
Danach folgten nur noch wenige Arbeiten als Filmschauspieler, in den
ersten beiden Teilen des von Arzén von Cserépy inszenierten
monumentalen Vierteilers "Fridericus Rex"2) (1922/23) mit Otto Gebühr als preußischem
König Friedrich II.,
verlieh er dem Generalfeldmarschall und Staatsmann Friedrich Wilhelm von Grumbkow2) Kontur,
drehte in den Niederlanden mit Regisseur Theo Frenkel sowie Erna Morena
den Film "De bruut" (1922, Ein neues Leben).
Foto: Bruno Decarli vor 1929
Urheber bzw. Nutzungsrechtinhaber: Alexander Binder1)
(1888 1929)
Quelle: Wikipedia;
Photochemie-Karte Nr. 1584;
Angaben zur Lizenz siehe hier
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In der
Komödie "Ein
Glas Wasser"3) (1923) nach Eugéne Scribe mimte er den Marquis von Torcy
an der Seite von Mady Christians (Königin Anna), Rudolf Rittner (Lord Heinrich von Bolingbroke),
Lucie Höflich (Herzogin von Marlborough), Hans Brausewetter (Masham) und Helga Thomas
(Abigail). In der freien Dumas-Verfilmung "Der Mann mit der eisernen Maske" (1923; Regie: Max Glass),
mit dem das Schicksal des angeblichen
Zwillingsbruders von König Ludwig XIV. erzählt wird und zu der Paul O'Montis
das Drehbuch beigesteuert hatte, spielte er neben Albert Bassermann als
Kardinal Mazarin eine ebenfalls tragende Rolle.
Nach der Geschichte "Scheine des Todes"3) (1923)
und der Rolle des "erblüsternen" Bruders von Lord Hull
(Alfred Abel) beendete er vorerst seine Arbeit für den Film, kehrte erst
mehr als ein Jahrzehnt später für den Tonfilm bzw. die Literaturverfilmung
"Viktoria"3) (1935)
mit einem kleinen Part neben Luise Ullrich und Mathias Wieman auf die
Leinwand zurück. Eine kleine Aufgaben erhielt er auch in dem bereits 1938
fertiggestellten Ehe-Drama "Das Leben kann so schön sein"3),
welches erst am 1. September 1950 in der DDR mit dem Titel "Eine Frau fürs Leben"
sowie in West-Berlin am 20.07.1951 zur Uraufführung gelangte. Ende Dezember 1938 war der
von Regisseur Rolf Hansen mit den Hauptdarstellern Rudi Godden
und Ilse Werner gedrehte zeitkritische Film mit folgender Begründung
verboten worden: "Der Film ist geeignet, der Aufklärungsarbeit des
Staates und der Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei auf dem bevölkerungspolitischen
Gebiet entgegenzuwirken. Sein Verbot ist daher aus dringenden Gründen
erforderlich." Letztmalig trat Decarli als Abbč Laurence in Carl Froelichs,
ganz auf seine Protagonistin Zarah Leander zugeschnittenen
Historienstreifen "Das
Herz der Königin"2) (1940) auf der Leinwand
in Erscheinung, Zarah Leander verkörperte die schottische Königin Maria Stuart, Maria Koppenhöfer
deren englische Gegenspielerin Elisabeth I. und Willy Birgel den Lord Bothwell, in den sich Maria Stuart verliebt.
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Bereits seit Anfang der 1920er Jahre hatte sich Decarli wieder verstärkt
auf seine Theaterkarriere konzentriert, zur Spielzeit 1923/24 wechselte er
an das "Staatstheater Dresden", dem er bis zur Schließung aller
deutscher Spielstätten im Sommer 1944 verbunden blieb. So erlebte man ihn
gleich zu Beginn als Lord Sir Henry Percy2) im ersten Teil von Shakespeares Drama
"König Heinrich IV."2), eine Figur, die er auch in der
Neuinszenierung 1926 gab, im gleichen Jahr war er als grandioser "König Lear"2) zu bewundern.
Als Shakespeare-Interpret erlebte man den Charaktermimen unter
anderem als Prosperos wilden und missgestalteten Sklaven Caliban in dem
Schauspiel "Der Sturm"2) und als reichen Edelmann Baptista in der
Komödie "Der Widerspenstigen Zähmung"2). In Hugo von Hofmannsthals
"Jedermann"2) machte er 1925 auch bei einem Gastspiel in Meißen mit
der Titelrolle Furore, er verkörperte weiterhin beispielsweise den Herzog Skule
in Ibsens historischem Stück "Die Kronprätendenten"2) und den
Geheimrat Matthias Clausen in Gerhart Hauptmanns Drama "Vor Sonnenuntergang"2).
Bruno Decarli als Sir Henry Percy in "König Heinrich IV." (1.Teil)
von William Shakespeare ("Staatstheater Dresden", ab Spielzeit 1923/1924),
fotografiert von Ursula Richter2) (18861946)
Quelle: Deutsche
Fotothek, (file: df_hauptkatalog_0264740)
Eigentümer / © SLUB Dresden/Deutsche Fotothek/Ursula
Richter/Datierung: 1926
Quelle: www.deutschefotothek.de;
Genehmigung zur Veröffentlichung: 30.03.2017
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Nach Kriegsende übernahm der zuletzt vollkommen weißhaarig gewordene
"Königliche Hofschauspieler" Bruno Decarli keine
Theaterverpflichtungen mehr und verbrachte seine letzten Lebensjahre bei
seiner ältesten Tochter in Großbritannien, wohin er 1946 gezogen war. Dort
starb der der einst gefeierte Charaktermime am 31. März 1950
in Frogwell5) (Grafschaft Cornwall) zwei
Wochen nach seinem 73. Geburtstag.
Bruno Decarli mit der Titelrolle in "König Lear"
von William Shakespeare ("Staatstheater Dresden", 14.11.1926)
fotografiert von Ursula Richter2) (18861946)
Quelle: Deutsche
Fotothek, (file: df_hauptkatalog_0262849)
Eigentümer / © SLUB Dresden/Deutsche Fotothek/Ursula Richter/Datierung: 14.11.1926
Quelle: www.deutschefotothek.de
Genehmigung zur Veröffentlichung: 30.03.2017
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