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Wenig später erhielt Lupu Pick 1913 vom damaligen Leiter des Berliner
"Kleinen Theaters Unter den Linden" Georg Altman1)
einen Fünf-Jahresvertrag. Hier wurde der noch nicht einmal 30-Jährige mit
Rollen alter Männer besetzt, "man weiß, wie gut er zerknautschte und zerknitterte Seelen
darstellt", er gilt als der "vortreffliche Darsteller alles Zittrigen, Marklosen, zahnlos
Meckernden" notierte damals das "Berliner Tageblatt".**) Zu
seinen beachtenswerten Rollen zählten der Onkel Eli in einer Bühnenbearbeitung von Georg Hermanns, in der
Biedermeier-Zeit angesiedelten Erfolgsroman "Jettchen
Gebert", der alte Violinspieler Hans Weiring in Schnitzlers Tragikomödie
"Liebelei"1)
oder der Dichter Rattengift in Grabbes sarkastischen Komödie "Scherz, Satire, Ironie und tiefere
Bedeutung"1). Er glänzte mit der Hauptrolle in "Der hundertjährige Greis oder Die Familie
Rüstig", einem komischen Liederspiel bzw. Einakter von Louis Angely1) und
als volkstümlicher Mauerpolier Kluck in dessen berühmten Berliner Lokalposse
"Das
Fest der Handwerker"1) mit dem Untertitel "Komisches Gemälde aus dem Volksleben in einem Akt",
ebenfalls dem Genre des Vaudeville-Singspiels zuzuordnen. Lupu Pick gestaltete
ab Mitte der 1910er Jahre den Philip Francis Hastings in Lion Feuchtwangers indischem
Kolonialdrama "Warren Hastings, Gouverneur von Indien", den Oberlehrer Dimpsel in
dem Anti-Kriegs-Schauspiel "Hans im Schnakenloch" des Pazifisten René Schickele1), die Titelfigur in
"Bürger Schippel" aus Carl Sternheims satirischem Komödienzyklus "Aus dem bürgerlichen Heldenleben"
oder den biertrinkenden Rentier Buffey in dem Volksstück "Eckensteher
Nante im Verhör" des
Humoristen und Satirikers Adolf Glaßbrenner1), der sich als geistiger Vater des berühmten Berliner
Dienstsmanns "Eckensteher
Nante"1) unsterblich machte. Am Berliner "Trianon-Theater"
inszenierte Lupu Pick das Lustspiel "Wie man einen Mann gewinnt"
(Premiere: 08.05.1915) des amerikanischen Bühnenschriftstellers Rida Johnson Young und trat neben der Kabarettistin und Chansonnière
Rosa Valetti2)
auch selbst mit einer Hauptrolle auf. Schon früh zeigte Lupu Pick Interesse für das neue Medium "Kinematographie" und trat bereits 1910 in Adolf Gärtners kurzem melodramatischem Streifen "Japanisches Opfer" als Baron Kamaishi neben Max Mack1) ("Der Edelmütige") und Friedrich Zelnik2) (Prof. Murosaki) in Erscheinung Kollegen, die ebenfalls als Stummfilm-Regisseure nachhaltigen Ruhm erlangten. Ab Mitte der 1910er Jahre stand Lupu Pick dann regelmäßig vor der Kamera, wurde von Regie-Legenden wie Richard Oswald oder später Fritz Lang mit tragenden Parts in den Dramen, Abenteuern, Kriminalgeschichten und Lustspielen jener Ära besetzt. Im April 1918 gründete er seine Filmgesellschaft "Rex-Film AG", führte im gleichen Jahr bei der melodramatischen Geschichte "Die Liebe des Van Royk" (1918, → www.earlycinema.uni-koeln.de) auch erstmals Regie. Vor allem Richard Oswald realisierte mit dem Schauspieler Lupu Pick eine Reihe von Filmen, es sind "meist geheimnisumwitterte, verschlossene Typen", die er spielt, "die wenig sprechen, die ihre Geheimnisse über Jahre mit sich herumtragen" (Michael Hanisch, 1986).**) So mimte er beispielsweise den Sohn des Trödlers Ehrenstein (Guido Herzfeld) in Oswalds "Schlemihl. Ein Lebensbild"3) (1915) mit Rudolf Schildkraut in der Titelrolle oder den Museumsdirektor Spalanzani in "Hoffmanns Erzählungen"1) (1916), einer freien Adaption der gleichnamigen Werke E. T. A. Hoffmanns.
"Scherben" und "Sylvester" waren nach einem Drehbuch des Österreichers Carl Mayer1) entstanden, mit dem Lupu Pick bereits zuvor die Biedermeier-Komödie "Der Dummkopf"3) (1920; mit Max Adalbert) nach dem gleichnamigen Lustspiel von Ludwig Fulda sowie erneut mit seiner Ehefrau Edith Posca das Melodram "Grausige Nächte"3) (1921) realisiert hatte. Anschließend entstanden die Filme "Das Haus der Lüge"3) (1925) nach dem Ibsen-Drama "Die Wildente" mit Werner Krauss und Lucie Höflich und das Stuart Webbs"-Abenteuer "Das Panzergewölbe" (1926) mit Ernst Reicher. In der deutsch-britischen Co-Produktion bzw. der heiteren Geschichte "Eine Nacht in London" (1928) war der Leinwandstar Lilian Harvey die weibliche Hauptdarstellerin. Seinen letzten Stummfilm, die psychologische Studie "Napoleon auf St. Helena"1) (1929) über die letzten Lebensjahre des französischen Kaisers Napoleon Bonaparte im Exil, drehte er mit Werner Krauss. Der Literatur-, Film- und Theaterkritiker Hans Sahl1) schrieb unter anderem im Berliner "Der Montag Morgen" (11.11.1929): "Willy Haas, der gemeinsam mit Lupu Pick das Drehbuch verfaßt, hat auf jede nachträglich hinzugedichteten Handlungseffekte verzichtet. Er faßt den Stoff, wie ihn die Geschichte überliefert hat, noch einmal in einer epischen Bilderfolge zusammen, in der sich die Worte, die Napoleon auf St. Helena sprach, von selbst zu einem erschütternden Monolog der Einsamkeit gruppieren. Freilich könnte man einwenden, daß diese Form der dokumentarischen Darstellung den Film als solchen nicht bereichert. Daß er eine Einengung, eine Eingrenzung der filmischen Phantasie bedeutet. Und tatsächlich ist die Gefahr der Monotonie von dem Regisseur Lupu Pick nicht ganz überwunden worden. Aber wenn man zwischen Abel Gance5) und Pick, zwischen dem Film als Kostümtheater und dem Film als geistigem Erlebnis zu wählen hat, so ist die Entscheidung nicht schwer. ( )" Als Filmschauspieler war Lupu Pick in den 1920er Jahren nur noch wenige Male aufgetreten, in nachhaltiger Erinnerung wird er wohl mit seiner Rolle des starrsinnigen alten Droschkenkutschers Gottlieb Lüdecke bleiben, der sich in Carl Boeses Drama "Die letzte Droschke von Berlin"1) (1926) weigert, den Wandel vom alten Pferdewagen zum Automobil mitzumachen. Einen kleineren Part, den des zwielichtigen japanischen Agenten Dr. Matsumoto, mimte er in Fritz Langs meisterlichem Agententhriller "Spione"1) (1928) zugleich sein letzter Leinwandauftritt. Die Einstellung zu seiner Arbeit formulierte er einst folgendermaßen: "Meine Überzeugung: Entscheidend und wichtig ist vor allem der Inhalt, nicht die Form. Meine Liebe gehört dem Film. Ich sehe in ihm auch keine Konkurrenz für das Theater. Film spielen und Filme stellen bedeutet für mich eine Kunst der Intensität. Was zu Beginn des Films unmöglich schien, ist längst erwiesen. Die an sich leblosen, beweglichen Schatten auf der weißen Wand können uns weinen und lachen machen. Entscheidend für den Wert oder Unwert wird letzten Endes immer die Persönlichkeit sein, die hinter diesen Schatten steht."*) Als Regisseur hatte Lupu Pick sicherlich noch viele Pläne, mit dem musikalischen Lustspiel "Gassenhauer"3) (1931) lieferte er seinen ersten Tonfilm ab; parallel dazu drehte er eine französische Version unter dem Titel "Les quatre vagabonds". Die deutsche Uraufführung (02.04.1931) des Streifens (u.a. mit Ernst Busch, Hans Deppe und Wolfgang Staudte in den Hauptrollen) erlebte er nicht mehr, der Künstler starb am 7. März 1931 überraschend in Berlin mit nur 35 Jahren an den Folgen eines Magenleidens. Noch am gleichen Tag findet im Plenarsaal des "Reichswirtschaftsrates" eine erste Gedenkstunde statt. Eine zweite Gedenkfeier wird am 21.5.1931 im Kino "Kamera Unter den Linden" veranstaltet.**) Nur knapp vier Monate nach dem Tod ihres Mannes schied seine Witwe Edith Posca am 28. Juni 1931 durch Freitod aus dem Leben. Lupu Pick war ein hochangesehener und bedeutender Vertreter der damaligen Filmszene, neben seiner Tätigkeit als Schauspieler, Produzent, Regisseur und Drehbuchautor engagierte er sich in verschiedenen Organisationen der Filmschaffenden. Er amtierte im Vorstand des "Verbandes der Filmindustriellen e. V." (SPIO1)) und des "Verbandes der Filmregisseure Deutschlands e. V." Nach der von ihm intensiv betriebenen Gründung der gewerkschaftlich orientierten "Dachorganisation der Filmschaffenden Deutschlands e. V." (Dacho) wurde er deren erster Vorsitzender. |
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Quellen (unter anderem)*):
Wikipedia,
www.cyranos.ch
sowie CineGraph Lexikon zum deutschsprachigen Film, LG 13**) Siehe auch filmportal.de Foto bei www.virtual-history.com |
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*) Lupu Pick. In: Dr. Hermann Treuner (Hrsg.): Filmkünstler Wir über uns selbst (Sybillen Verlag, Berlin, 1928) **) CineGraph LG 13 mit den Quellen:
5) gemeint ist der französische stumme Historienfilm von Abel Gance aus dem Jahre 1927 "Napoléon" (Link: Wikipedia) Lizenz Foto Lupu Pick (Urheber: Unbekannt): Dieses Medium (Bild, Gegenstand, Tondokument, ) ist gemeinfrei, da das Urheberrecht abgelaufen ist und die Autoren unbekannt sind. Das gilt in der EU und solchen Ländern, in denen das Urheberrecht 70 Jahre nach anonymer Veröffentlichung erlischt. Lizenz Foto Lupu Pick (Urheber: Alexander Binder): Diese Bild- oder Mediendatei ist gemeinfrei, weil ihre urheberrechtliche Schutzfrist abgelaufen ist. Dies gilt für die Europäische Union, die Vereinigten Staaten, Australien und alle weiteren Staaten mit einer gesetzlichen Schutzfrist von 70 Jahren nach dem Tod des Urhebers. |
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