Begibt man sich auf die Spurensuche nach der Schauspielerin Grete Diercks, stellt man fest, dass im Laufe der Jahrzehnte offensichtlich die Biografien bzw. Daten zweier Künstlerinnen miteinander verwoben wurden: Einerseits gab es die am 20. November 1882 in Stainach-Irdning (Steiermark) geborene österreichische Operettensoubrette und Schauspielerin Margarete "Grete" Dierkes1) (gestorben am 2. Juli 1957 in Wien), zum anderen die in Deutschland geborene Theater- und Stummfilmdarstellerin Margarethe Diercks, die unter dem Künstlernamen Grete Diercks (mitunter auch "Dircks") in Erscheinung trat. Letztere, Tochter eines selbstständigen Steinsetzers, erblickte am 1. September 1890 in Hamburg das Licht der Welt, wuchs mit ihren vier Schwestern Klara, Emma, Irma und Herta auf.
Grete Diercks ca. 1907/1908; Quelle: Privates Fotoarchiv der Nachfahren von Grete Diercks, zur Verfügung gestellt von deren Enkel Peter Schati; Urheber: Unbekannt: Lizenz: gemeinfrei Aufgrund der Informationen, die von Grete Diercks' Nachfahren stammen, machte sie bereits als kleines Mädchen erste Schritte auf der Bühne und avancierte am Hamburger "Deutschen Schauspielhaus"1) zu einem beliebten Kinderstar: Am 15. September 1900 hatte die feierliche Eröffnung des "Deutschen Schauspielhauses" stattgefunden und man suchte damals jugendliche Darsteller. Margarethe bewarb sich ohne Wissen der Eltern zusammen mit einer Freundin, trug das Lied "Letzte Rose" aus der Oper "Martha"1) von Friedrich von Flotow1) vor und wurde engagiert. Belegt ist, dass sie erstmals zur Spielzeit 1901/02 mit der Titelrolle in "Wie Klein-Else das Christkind suchen ging", einem Weihnachtsmärchen mit Gesang und Tanz von Therese Lehmann-Haupt (1864 – 1914), betraut wurde. Bis 1908/09 stand sie mit Kinder-/Jungmädchenrollen in Hamburg auf der Bühne, feierte unter anderem zur Spielzeit 1907/08 mit der Titelrolle in der Operette "Prinzessin Herzlieb" des Komponisten bzw. Dirigenten Eduard Möricke1) Erfolge, wie ein Foto beweist → www.flickr.com; mehr zu den Rollen am "Deutschen Schauspielhaus" siehe hier.
 
Grete Diercks startete eine intensive, wenn auch kurze Karriere am Theater, später kam der Film hinzu. Ohne je eine schauspielerische Ausbildung erhalten zu haben, blieb die junge Frau den "Brettern, die die Welt bedeuten" treu, sammelte – auch als Sängerin – weitere Bühnenerfahrungen unter anderem 1912 einen Sommer lang am Theater in Riga1), wo sie auch erstmals ihren späteren Ehemann, den Ingenieur Curt von Grueber traf.

Foto: Grete Diercks ca. 1907/1908
Quelle: Privates Fotoarchiv der Nachfahren von Grete Diercks,
zur Verfügung gestellt von deren Enkel Peter Schati
Urheber: Unbekannt; Angaben zur Lizenz (gemeinfrei) siehe hier

Nicht eindeutig geklärt zu sein scheint, ob Grete Diercks mit dem damals siebenjährigen Curt Bois zusammen aufgetreten ist. Am 23 Oktober 1908 fand im Berliner "Theater des Westens"1) die Premiere der  Operette "Der fidele Bauer"1) von Leo Fall1) mit Bois als kleinem Heinerle statt, nur fünf Tage später konnte das "Heinerle"-Duett mit seiner Partnerin (der Magd "die rote Lisi") auf Schallplatte käuflich erworben werden, gleichzeitig kam von der "Deutschen Bioscop" unter anderem die berühmte Szene bzw. das Lied "Heinerle, Heinerle, hab' kei Geld" (Duettino zwischen Liesl und Heinerle"2)) und das "1. Terzett: Ein Infant'rist, ein Artill'rist" (zusammen Gustav Matzner3)) als so genanntes "Tonbild"1) in die Lichtspielhäuser, eine Verbindung zwischen stummen bewegten Bildern und der Grammophon-Aufnahme. In etlichen Quellen (u.a. filmportal.de, IMDb sowie sonstigen einschlägigen Filmseiten) wird Grete Diercks bei diesen beiden "Tonbildern" aufgeführt, es gibt jedoch eine alte Postkarte (→ ansichtskartenhandel.at), auf der eindeutig Grete Dierkes gezeigt bzw. genannt wird. Wikipedia merkt zudem an, dass die angebliche Mitwirkung von Grete Diercks an der Seite von Curt Bois in (dem Tonbild) "Der fidele Bauer" (1908) fraglich sei, da sie zu diesem Zeitpunkt nicht in Berlin weilte.

Foto: Grete Diercks 1912 in Berlin
Quelle: Privates Fotoarchiv der Nachfahren von Grete Diercks,
zur Verfügung gestellt von deren Enkel Peter Schati
Urheber: Unbekannt; Originalfoto aufrufbar bei Wikimedia Commons;
Lizenz:  CC BY-SA 3.0

Grete Diercks 1912 in Berlin; Quelle: Privates Fotoarchiv der Nachfahren von Grete Diercks, zur Verfügung gestellt von deren Enkel Peter Schati; Urheber: Unbekannt; Originalfoto aufrufbar bei Wikimedia Commons; Lizenz:  CC BY-SA 3.0
Nach ihrem kurzen Engagement in Riga zog es die junge Künstlerin noch im Herbst 1912 in die Metropole Berlin, wo sie weiterhin am Theater aktiv war, aber auch Kontakte zur Stummfilmszene knüpfen konnte. Ab Mitte der 1910er Jahre stand Grete Diercks regelmäßig vor der Kamera und wirkte bis 1923 in etlichen Produktionen mit, darunter befanden sich auch zwei von Ernst Lubitsch1) inszenierte Stummfilm-Klassiker:
Grete Diercks 1912 in Riga; Quelle: Privates Fotoarchiv der Nachfahren von Grete Diercks, zur Verfügung gestellt von deren Enkel Peter Schati; Urheber: Unbekannt; Originalfoto aufrufbar bei Wikimedia Commons; Lizenz:  CC BY-SA 3.0 In der Adaption "Carmen"1) (1918) nach der gleichnamigen Oper1) von Georges Bizet1) bzw. der gleichnamigen Novelle1) von Prosper Mérimée1), wo sie nach einigen Quellen auch am Drehbuch beteiligt gewesen sein soll, mimte sie an der Seite von Pola Negri in der Titelrolle als Dolores die Braut des Dragoners Don José (Harry Liedtke), in der Strindberg1)-Verfilmung "Rausch"1) (1919) neben Asta Nielsen als Protagonistin Henriette die Jeanne, welche von ihrem Ehemann, dem Schriftstellers Gaston (Alfred Abel), im Rausch der Gefühle für Henriette verlasen wird. Sie trat beispielsweise in der von (Regie) und mit Viggo Larsen realisierten Komödie "Der Einbrecher wider Willen"1) (1918) in Erscheinung oder in dem Melodram "Die Frauen vom Gnadenstein"2) (1921; Regie: Robert Dinesen1)). Als E. A. Dupont1) erstmals das Alpen-Drama "Die Geierwally"1) (1921) nach dem gleichnamigen Roman1) von Wilhelmine von Hillern1) mit Henny Porten auf die Leinwand bannte, besetzte er Grete Diercks als Magd Afra, die mit Bären-Joseph (Wilhelm Dieterle) angeblich eine Liebschaft hat bzw. dessen Halbschwester ist.
  
Foto: Grete Diercks 1912 in Riga
Quelle: Privates Fotoarchiv der Nachfahren von Grete Diercks, zur Verfügung gestellt
von deren Enkel Peter Schati; Urheber: Unbekannt; Originalfoto aufrufbar bei
Wikimedia Commons; Lizenz:  CC BY-SA 3.0
Auch in Friedrich Wilhelm Murnaus1) Meisterwerk "Der brennende Acker"1) (1922) präsentierte sich Grete Diercks als duldsames Bauernmädchen Maria bzw. verlassene Braut des Johannes Rog (Wladimir Gaidarow) mit einer tragenden Rolle, ebenso wie in dem Melodram "Der Liebe Pilgerfahrt"1) (1923; Regie: Jacques Protosanoff1)) mit Gustav von Wangenheim als Partner. Nach den Streifen "Die Kette klirrt"1) (1923; Regie: Paul L. Stein1), "Und dennoch kam das Glück" (1923; Regie/Drehbuch: Gerhard Lamprecht1)) sowie "Die Sonne von St. Moritz"1) (1923; Regie: Hubert Moest1)/Friedrich Weissenberg), gedreht mit Moests Ex-Ehefrau Hedda Vernon in der weiblichen Hauptrolle nach dem gleichnamigen Unterhaltungsroman von Paul Oskar Höcker1), beendete die Schauspielerin ihre kurze, intensive Filmkarriere → Übersicht Stummfilme.
Als Theaterschauspielerin verabschiedete sie sich ebenfalls von ihrem Publikum, parallel zu ihrer Arbeit vor der Kamera hatte sie an verschiedenen Berliner Bühnen Erfolge gefeiert. So beispielsweise 1917 am "Theater in der Königgrätzer Straße" (heute "Hebbel-Theater"1)) oder am "Komödienhaus"1), wo sie 1918 in dem Schauspiel "Die Zarin", einer freien Version über den Werdegangs der russischen Zarin Katharina II.1) von Menyhért Lengyels1) und Lajos Birós1), aufgetreten war.4))
   
Grete Diercks verschwand aus dem Blickfeld der Öffentlichkeit, Grund hierfür war 1923 ihre Eheschließung mit dem Ingenieur bzw. Fabrikanten Curt von Grueber (1874 – 1962), der 1906 in Berlin das Unternehmen bzw. Konstruktionsbüro "Maschinenfabrik für Hartzerkleinerungs- und Transportanlagen Curt von Grueber" gegründet hatte und Mahlanlagen für Gestein, Kohle und Metall herstellte. Aus der Verbindung mit Curt von Grueber, bereits Vater von drei Kindern aus seiner ersten Ehe, die nach der Scheidung bei der Mutter blieben, hatte Grete Diercks zwei Töchter: Ursula wurde am 15. Oktober 1923, Lieselotte am 18. Juni 1926 geboren.

Foto: Grete Diercks kurz nach der Eheschließung im Jahre 1923
Quelle: Privates Fotoarchiv der Nachfahren von Grete Diercks, zur Verfügung
gestellt von deren Enkel Peter Schati

Grete Diercks kurz nach der Eheschließung im Jahre 1923; Quelle: Privates Fotoarchiv der Nachfahren von Grete Diercks, zur Verfügung gestellt von deren Enkel Peter Schati
Anfangs lebte die Familie in Berlin-Lichterfelde1) in einem angemieteten Haus in der Augustastraße, später erwarb von Grueber eine eigene Villa in Berlin-Dahlem1), welche während des Krieges nach einem Bombenangriff Ende August 1943 komplett zerstört wurde; die Familie verlor wie so viele andere ihr gesamtes Hab und Gut.1937 war die damalige "Curt von Grueber Maschinenbauanstalt" in den Alleinbesitz des Unternehmers und Erfinders Ernst Curt Loesche († 1948) übergegangen, der 1919 Teilhaber der Firma geworden war → www.loesche.com. Nach Ende des 2. Weltkrieges wurde das Werk zunächst durch die sowjetische Besatzungsmacht vollständig demontiert, 1948 dann entschädigungslos enteignet und in den volkseigenen Betrieb "LBH-Teltow" umgewandelt → brandenburgikon.net.
Grete Diercks auf einer Autogrammkarte (Photochemie-Karte, Nr.2712); Quelle: Privates Fotoarchiv der Nachfahren von Grete Diercks, zur Verfügung gestellt von deren Enkel Peter Schati; Urheber: Photoatelier Mac Walten (1892–1943); Lizenz: gemeinfrei Grete Diercks erlebte das Kriegsende auf einem Bauernhof in Tirol (Österreich), wohin Tochter Lieselotte von München aus geflohen war und ihre Mutter wenige Monate später aus Berlin nachholte. Als nach der Befreiung Österreichs Ende März 1945 durch die sowjetischen Truppen alle Deutschen das Land verlassen mussten, strandeten Mutter und Tochter schließlich im schwäbischen Lauingen1) (Bayern). Hier wohnte Grete Diercks lange Jahre in einem abseits gelegenen Mühlenhäuschen direkt an der Donau, führte ein relativ einsames Leben bis ins hohe Alter hinein. Die Ehe mit Curt von Grueber existierte bis zu dessen Tod wohl nur noch auf dem Papier, nach Kriegsende lebte das Paar mehr oder weniger getrennt.
Ihre letzten Jahre verbrachte Grete Diercks in einem kirchlichen Altersheim in Lauingen, wo sie  – rund sechs Wochen vor ihrem 78. Geburtstag – am 15. Juli 1978 starb. Wie so viele Künstler(innen) jener Ära ist auch sie vollkommen in Vergessenheit geraten.


Grete Diercks auf einer Autogrammkarte (Photochemie-Karte, Nr.2712)
Quelle: Privates Fotoarchiv der Nachfahren von Grete Diercks,
zur Verfügung gestellt von deren Enkel Peter Schati 
Urheber: Photoatelier Mac Walten (1892 – 1943); Lizenz: gemeinfrei
→ Info zu Mac Walten
Quelle (unter anderem): Informationen des Enkels (Peter Schati) von Grete Diercks, der auch das Fotomaterial zur Verfügung stellte.
Siehe auch Wikipedia, cyranos.ch
Fremde Links: 1) Wikipedia, 2) Murnau Stiftung, 3) cyranos.ch
4) Quelle: Siegfried Jacobsohn: Gesammelte Schriften 1900–1926 (Wallstein Verlag, 2005, S. 463)
Lizenz Foto Grete Diercks: Dieses Medium (Bild, Gegenstand, Tondokument, …) ist gemeinfrei, da das Urheberrecht abgelaufen ist und die Autoren unbekannt sind. Das gilt in der EU und solchen Ländern, in denen das Urheberrecht 70 Jahre nach anonymer Veröffentlichung erlischt.
Marc Walten: Das ist der Verwandlungskünstler Max Grünthal, der als "Mac Walten" bzw. der "Mann mit dem geheimnisvollen Rock" auftrat. Er verabschiedete sich 1920 von der Bühne, eröffnete in der Berliner Friedrichstraße ein Fotostudio und lichtete viele Artistenkollegen in Originalposen ab. Seine Spur verliert sich im Jahre 1936, nachdem er als Jude vor den Nazis in die Niederlande geflohen war. (Quelle: www.scheinschlag.de)
Mitwirkung (weitgehend gesichert) in folgenden Stummfilmen
Filmografie bei der Internet Movie Database1), filmportal.de
frühe Stummfilme bei "The German Early Cinema Database"1)
(Fremde Links: filmportal.de, Wikipedia, Murnau Stiftung; R = Regie)
1) Anmerkung: Das dort aufgeführte Tonbild "Der Fidele Bauer" (1908) sowie das in Österreich gedrehte Gesellschafts-Melodram "Die Musikantenlene" (1912) ist wohl Grete Dierkes zuzuschreiben,  die in letzterem kurzem Streifen als Chanson-Sängerin Joujou neben Titelheldin in Erscheinung trat (Link: Wikipedia).
  
Hier noch einige Fotos aus dem Archiv der Familie Diercks,
zur Verfügung gestellt von Grete Diercks-Enkel Peter Schati
(Fotograf: unbekannt)
Grete Diercks 1912 in Riga; Quelle: Privates Fotoarchiv der Nachfahren von Grete Diercks, zur Verfügung gestellt von deren Enkel Peter Schati
Grete Diercks 1912 in Riga
Grete Diercks 1924 mit ihrer Tochter Ursula; Quelle: Privates Fotoarchiv der Nachfahren von Grete Diercks, zur Verfügung gestellt von deren Enkel Peter Schati
Grete Diercks mit Tochter Ursula
Grete Diercks im Frühjahr 1923 mit Ehemann Curt von Grueber; Quelle: Privates Fotoarchiv der Nachfahren von Grete Diercks, zur Verfügung gestellt von deren Enkel Peter Schati
Grete Diercks im Frühjahr 1923 mit Ehemann Curt von Grueber
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