Filmografie / Hörspiel
Hannes (Hans) Messemer wurde am 17. Mai 1924 als Sohn des Verlagskaufmannes Johannes Messemer (1883 – 1954) und dessen Ehefrau Maria 1888 – 1973)*) im bayerischen Dillingen an der Donau1) geboren. Nach dem Schulunterricht in mehreren Städten wegen der häufig wechselnden Wohnsitze seiner Eltern machte er 1942 sein Notabitur und wurde dann als Fahnenjunker zum Wehrdienst eingezogen. Wegen Befehlsverweigerung verurteilte man ihn zu fünfeinhalb Jahren Haft von der er nach sechs Monaten zwar begnadigt, stattdessen aber nach Stalingrad versetzt wurde. Kurz vor Kriegsende geriet er als angeblicher Partisan in russische Kriegsgefangenschaft und wurde zu 25 Jahren Zwangsarbeit verurteilt, konnte jedoch während des Transports mit anderen Gefangenen fliehen.
Zunächst schlug er sich als Kellner und Buchhalter durch, begann auch zu schreiben, bevor er sich als Schauspieler versuchte.
1947 schloss er sich ohne Schauspielausbildung einer freien Theatergruppe an und debütierte als Mercutio in einer Tübinger Freilichtaufführung von "Romeo und Julia"1). Kurt Erhard1) engagierte ihn 1947 an die "Landesbühne Hannover"1), wo er Hauptrollen als Beckmann in "Draußen vor der Tür"1), Franz Moor in "Die Räuber"1) und Matti in "Herr Puntila und sein Knecht Matti"1) verkörperte. Künstlerisch entscheidend geformt wurde Messemer in seinen Rollen am "Bochumer Schauspielhaus"1) 1950#150;1960 (als Gast bis 1969) unter der Intendanz von Hans Schalla1).   

Hannes Messemer als Richard Wagner1) in einer
Dokumentation (1983) über den Komponisten
Das Foto wurde mir freundlicherweise von der
Fotografin Virginia Shue (Hamburg) zur Verfügung gestellt.
Das Copyright liegt bei Virginia Shue.

Hannes Messemer als Richard Wagner; Copyright Virginia Shue
Dessen artifizielle Inszenierungsweise, die gleichwohl einen motorischen Rhythmus wahrte, prägte die sensibel-nervöse Spielanlage Messemers. In Bochum überzeugte er vor allem in den zerrissenen, widersprüchlichen Charakteren: als militanter Gottsucher Götz in Sartres "Der Teufel und der liebe Gott"1) (1955), als betrogener Hochstapler in "Der Marquis von Keith"1) (1956) oder in der Titelrolle von Anouilhs1) "Der arme Bitos" (1969). In der Festaufführung zur 800-Jahrfeier Münchens gab er 1958 einen ebenso machtbegierigen wie zerbrechlichen "Macbeth". Bereits 1953 agierte Messemer bei den "Ruhrfestspielen"1) als Narr im "King Lear"1). 1964 überzeugte er hier in der Titelrolle des "Fiesco"1) und 1965 gab er in "Die Räuber" dem Franz Moor "mit der nervösen Reizbarkeit … eine Glaubwürdigkeit, in der wir das Wirken des Bösen in unserer Zeit erkennen" (Siegfried Melchinger1)). Messemer galt Ende der 1950er Jahre mit seiner unsentimentalen Spielweise, die Intensität und Kühle verschmolz, als überaus moderner Schauspieler.*) Zu seinen weiteren Glanzrollen zählten unter anderem als Shakespeare-Interpret der Gratiano in "Der Kaufmann von Venedig"1) und der Petrucchio in "Der Widerspenstigen Zähmung"1), er beeindruclte als Boxchampion Kilroy in dem Drama "Camino Real" von Tennessee Williams1) (→ theatertexte.de) ebenso wie mit der Figur des Mackie Messer in der Brecht/Weill'schen "Die Dreigroschenoper"1).
  
Bereits 1956 wirkte Messemer als Henry Ford I.1) in der langen, mit Spielfilmszenen versetzten Dokumentation "Vor 100 Jahren fing es an" über die Entwicklung des Automobils des "Institut für Wissenschaftliche Filme" bzw. der "BV-ARAL AG1) mit, sein eigentliches Leinwanddebüt folgte im darauffolgenden Jahr. Klare Diktion und exakte Körpersprache begünstigten Messemers Disposition für harte und radikale, vielfach unsympathische , aber auch ironisch-distanzierte, zynische Männerfiguren und bestimmten sein qualitativ hervorragendes, wenn auch schmales Filmrollenverzeichnis. Mit der ersten eigentlichen Spielfilmrolle, dem bigotten, schwächlichen Buchdrucker August Keil, betraute ihn Wolfgang Staudte1) in der Gerhart Hauptmann-Adaption1) "Rose Bernd"1) (1957) an der Seite von Protagonistin Maria Schell; für seine intensive Darstellung erhielt der Schauspieler auf Anhieb den "Bundesfilmpreis"1) in der Kategorie "Beste männliche Nebenrolle"1). Messemers sofortiger Erfolg führte dazu, dass ihm eine Reihe ähnlich labiler, zumeist abstoßender Rollen mit intellektuellem Habitus übertragen wurden, durch deren präzise Interpretation er in die erste Riege der deutscher Filmschauspieler vorrückte. Für seine Verkörperung des skrupellos-ehrgeizigen SS-Gruppenführer Rossdorf in Robert Siodmaks beklemmendem Krimi "Nachts, wenn der Teufel kam"1) (1957) erhielt er wiederum den "Bundesfilmpreis", diesmal in der Kategorie "Beste männliche Hauptrolle"1). Auch sein eifersüchtig-bösartiger Oberleutnant Markow im sowjetischen Kriegsgefangenlager in der Heinz G. Konsalik1)-Verfilmung "Der Arzt von Stalingrad"1) (1958) oder der Part des Kriegsgefangenen Roeder in Wolfgang Liebeneiners1) Drama "Taiga"1) (1958) als Partner von Ruth Leuwerik prägte sich dem breiten Publikum ein.  
Während positive Figuren wie der zurückhaltend liebende Sergeant Robert Altmann, hinter dessen vorgegebener Unkollegialität sich ein echter Kamerad verbirgt, in Wolfgang Staudtes1) Abenteuer "Madeleine und der Legionär"1) (1958, mit Hildegard Knef) eine Ausnahme blieb, setzte Messemer mit der Figur des Verfassungsschutz-Agenten Braun in dem Krimi "Menschen im Netz"1) (1959) und dem US-Fliegerleutnant Bill Robsson in dem Melodram "Ein Tag, der nie zu Ende geht"1) (1959) unter der Regie von Franz Peter Wirth1) die Serie schillernder Männergestalten fort.
Auch in internationalen, so in französischen, italienischen und US-amerikanischen Produktionen wurde er bevorzugt in deutschen Offiziersrollen eingesetzt. Roberto Rossellini1) ließ ihn in "Der falsche General"1) (1959, "Il generale della Rovere") einen SS-Offizier spielen und John Sturges1) einen Wehrmachts-Offizier in "Gesprengte Ketten"1) (1963, "The Great Escape"). Messemer zeigte sich als General von Arenberg in der Komödie "Babette zieht in den Krieg"1) (1959, "Babette s'en va-t-en guerre") an der Seite von Brigitte Bardot und als Generaloberst Alfred Jodl1) (1890 – 1946) überzeugte er in dem hochkarätig besetzten Kriegsstreifen "Brennt Paris?"1) (1966, "Paris brûle-t-il?") über die Geschehnisse rund um die Befreiung der französischen Hauptstadt1) von der deutschen Besatzung während des 2. Weltkrieges im August 1944. Eine starke filmische Darstellung war sicherlich sein ebenso skrupelloser wie krankhaft ehrgeiziger Zeitungsjournalist Klaus Urban in dem Drama "Brücke des Schicksals"1) (1960). In diesem Psychogramm gestaltete Messemer minutiös die pathologische Entwicklung eines von Minderwertigkeitsgefühlen geplagten Voyeurs zum haltlosen Mörder, der sich selbst zerstört. "Eine bizarr-komische Rolle konnte er 1966 in der Dürrenmatt-Verfilmung "Grieche sucht Griechin"1) übernehmen. Die Bigotterie des kommunistischen Aufrührers Fahrcks gab er mit ebenso lässiger wie zynischer Süffisanz."
*) Die kalten und harten Charaktere lagen ihm besonders. Gerade weil es ihm gelang, jede Rolle geistig und individuell zu durchdringen, sind auch seine geschmeidig-abgefeimten und skrupellosen Gestalten, die politischen und die alltäglichen Bösewichte, von einzigartiger Eindringlichkeit. Seine asketische Erscheinung und die heisere Stimme trugen dazu nicht unwesentlich dazu bei.2) → Übersicht Kinofilme
 
Ab den 1960er Jahren trat der Schauspieler überwiegend nur noch im Fernsehen auf, wo er sowohl in Serien als auch in Einzelproduktionen mitwirkte, außerdem widmete er sich verstärkt seiner Arbeit am Theater. "Sein markantes, hageres Gesicht, seine verknappte Gestik, vor allem aber die heisere, zuweilen tonlose, dabei dennoch melodisch-sonore Stimme prägten viele Hauptrollen in den Literaturadaptionen des Fernsehspiels."
*) Neben Gastauftritten in populären Krimiserien wie "Die fünfte Kolonne", Sonderdezernat K1 oder Derrick1)  ist er beispielsweise auch als schurkisch-zwielichtiger "Onkel Silas" in dem von Wilhelm Semmelroth inszenierten gleichnamigen Zweiteiler (1977) nach dem Schauer-Krimi von Joseph Sheridan Le Fanu1) in Erinnerung geblieben. Man erlebte ihn unter anderem als Brutus in "Das Trauerspiel von Julius Caesar" (1969) nach dem Drama von William Shakespeare mit Erich Schellow als Caesar, in "Ein Fall für Goron"3) mimte er den Chef der Pariser Sûreté Commissaire Goron und in der Serie "Sergeant Berry"1) mit Klausjürgen Wussow (Staffel 1) bzw. Harald Juhnke (Staffel 2) mimte er den Commissioner Deeds. In dem nach einem Drehbuch von Peter von Zahn von Claus Peter Witt in Szene gesetzten Doku-Spiel "Fünf Prüfungen des Oberbürgermeisters" (1975) verlieh er Konrad Adenauer Kontur, in "Das Fräulein von Scuderi"3) (1976) nach der Novelle von E. T. A. Hoffmann1) mit Angela Salloker als Magdaleine de Scudéry1) gab er den Goldschmied René Cardilla. 
Ebenfalls 1976 konnte er als Kaufmann Panezza in "Die Fastnachtsbeichte"3) nach der Novelle von Carl Zuckmayer1) überzeugen, in "Die Dämonen"4) (1977), dem werkgetreuen Vierteiler nach dem Roman von Fjodor Dostojewski1) stellte er den Schöngeist und ehemaligen Hauslehrer Prof. Stepan Trofimowitsch Werchowenski dar. In dem Zweiteiler "Die Geschwister Oppermann" (1983) nach dem gleichnamigen Roman1) von Lion Feuchtwanger1) gehörte er als Friedrich Wilhelm Gutwetter der Freund und Schriftstellerkollege von Dr. Gustav Oppermann (Michael Degen) ebenfalls zur Besetzung. Erwähnt werden muss auch Messemers Rolle des pensionierten Oberstudienrats Herr Diehl in der ersten Staffel (1983/84) des Quotenrenners "Diese Drombuschs"1). Zu einer seiner TV-Auftritte der 1980er Jahre zählte 1983 auch die Rolle des Richard Wagner1) in einer Dokumentation über den großen Komponisten, Wagner-Urenkelin Daphne Wagner1)  stellte Wagners zweite Gattin Cosima Wagner1) dar.

Szenenfoto mit Hannes Messemer,
Anita Lochner1) (Lisaweta Nikolajewna) und ?
aus dem Vierteiler "Die Dämonen"; Regie: Claus Peter Witt1)
Mit freundlicher Genehmigung von Pidax-Film, welche
die Produktion im Februar 2019 auf DVD herausbrachte. 

Szenenfoto mit Hannes Messemer, Anita Lochner (Lisaweta Nikolajewna) und ? aus dem Vierteiler "Die Dämonen"; Regie: Claus Peter Witt; mit freundlicher Genehmigung von Pidax-Film, welche die Produktion im Februar 2019 auf DVD herausbrachte.
Wegen eines Kehlkopfleidens wurde es ab Mitte der 1980er Jahre ruhiger um den sympathischen Schauspieler, der durchgängig als sensibler, humorvoller Künstler ohne Starallüren bezeichnet wurde. Seit Ende der 1980er Jahre zog er sich von allen schauspielerischen Verpflichtungen zurück, in dem von Rolf Hädrich1) inszenierten Stück "Langusten"3) nach dem Schauspiel von Fred Denger1) präsentierte sich Messemer 1989 an der Seite von Agnes Fink zum letzten Mal auf dem Bildschirm → Übersicht TV-Produktionen (Auszug)
 
Darüber hinaus war der Charakterdarsteller mit seiner unverwechselbar markanten Stimme ein gefragter Sprecher, der zahlreiche Hörspiel- und Hörbuchproduktionen mit seiner differenzierten Sprachtechnik bereicherte. Diese Karriere begann Anfang der 1950er Jahre, im Laufe der Zeit wirkte er in zahlreichen Rundfunkproduktionen mit. Bei dem dem Hörspiel-Label "Europa"1) tauchte er unter anderen als Marschall Petronskij in der "Perry Rhodan"1)Reihe auf, man hörte ihn als einen der "Drei Gerechten" (1983) nach "The Three Just Men" von Edgar Wallace1) oder in "Die Gruselserie"1). Hier bleibt sein düsterer Kapitän Hummuk in "Draculas Insel, Kerker des Grauens" (1981) unvergessen, wo er einen künstlichen Menschen darstellte, der Reisende in eine Falle lockt. Auch in "Die Begegnung mit der Mörder-Mumie" hatte er als Archäologe Dr. Erich Jansing eine tragende Rolle. Als Hörbuch spielte er beispielsweise eine Collage mit Lyrik und Rhetorik des rotchinesischen KP-Chefs Mao Tse-tung1) (Messemer Spricht Mao – 'Anweisung Für Partisanen', ca. 1966) sowie eine Lesung in Auszügen aus den vier Evangelien (1972) ein oder gehörte als alter Dante Alighieri1) neben Siemen Rühaak1) (junger Dante) und Thomas Holtzmann (Virgil1)) zu den Sprechern von Dantes berühmtem Werk "Göttliche Komödie"1) (WDR-Produktion 1982) → siehe auch den Artikel "Große Stimmen des deutschen Hörspiels – Hannes Messemer" bei zauberspiegel-online.de. Eine Auswahl der bei der ARD Hörspieldatenbank gelisteten Produktionen findet man hier
   
Hannes Messemer starb am 2. November 1991 völlig unerwartet im Alter von 67 Jahren im nordrhein-westfälischen Aachen1) an Herz- und Kreislaufversagen. Die letzte Ruhe fand er auf dem dortigen Westfriedhof1) in der neugotischen Grufthalle Campo Santo1) → Foto der Grabstätte bei knerger.de.
Der charismatische Schauspieler war vier Mal verheiratet: Nach der ersten, 1946 in Tübingen geschlossenen Ehe mit Herta Jung (eine Tochter) war er von 1956 (nach anderen Quellen 1952) bis 1977 mit seiner Kollegin Rosel Schäfer1) (1926 – 1982) verheiratet, die er am "Schauspielhaus Bochum" kennengelernt hatte; aus dieser Verbindung stammt die 1961 geborene Tochter Bettina. 1980 heiratete Messemer die wesentlich jüngere Schauspielerin Susanne Korda (* 1939, eigentlich Susanne Kraetsch), mit der er bereits viele Jahre zusammen gelebt hatte; nur ein Jahr später reichte Susanne Korda die Scheidung ein. 1985 ging Messemer die vierte Verbindung mit der Finanzbeamtin Monika Keusch ein.
Textbausteine des Kurzportraits aus:
"Lexikon der deutschen Film- und TV-Stars"2) sowie deutsche-biographie.de*)
Siehe auch Wikipedia
*) Jürgen Kasten: "Messemer, Hannes" in: "Neue Deutsche Biographie 17" (1994, S.  213  f.) → Online-Version
Fremde Links: 1) Wikipedia, 3) Die Krimihomepage, 4) fernsehserien.de
Quelle: 2) "Lexikon der deutschen Film- und TV-Stars" von Adolf Heinzlmeier/Berndt Schulz (Ausgabe 2000, S. 241)
     
Filme
Kinofilme / Fernsehen
Filmografie bei Internet Movie Database sowie filmportal.de
(Fremde Links: Wikipedia, filmportal.de, Die Krimihomepage, fernsehserien.de, deutsches-filmhaus.de)
Kinofilme Fernsehen (Auszug)
Hörspielproduktionen (Auszug)
(Fremde Links: ARD-Hörspieldatenbank (mit Datum der Erstausstrahlung), Wikipedia)
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