Filmografie
Der am 23. Mai 1877 im oberschlesischen Kattowitz1) (heute Katowice, Polen) als Sohn des Kaufmanns Joseph Prager geborene Willy Prager (auch Willi Prager) war ein Allroundgenie, machte sich als Theater- und Filmschauspieler, Regisseur, Kabarettist, Conferencier, Librettist, Chanson- und Schlager-Komponist sowie Drehbuchautor einen Namen.
Ausgebildet von dem berühmten Josef Kainz1), begann der ältere Bruder des Dirigenten Pianisten, und Komponisten Fritz Prager2) (1883 – 1962) seine Karriere 1898 am legendären Berliner Etablissement "Quargs", einem von Richard Quarg (1844 – 1906) gegründeten Vaudeville1)-Theater, das sich im "Grand Hotel" am "Alexanderplatz"1) befand. Nach weiteren Bühnenerfahrungen in der Provinz kehrte er 1909 nach Berlin zurück, nahm Verpflichtungen an hauptstädtischen Kabaretts wie Rudolf Nelsons1) "Chat Noir", dem "Linden-Cabaret" und dem "Passage-Theater" (beide in der "Kaisergalerie"1)) an, wo er als Kabarettist und Conferencier große Popularität erlangte. Zudem verfasste er zahlreiche Chansons, die von legendären Stars wie Trude Hesterberg und Claire Waldoff dargeboten wurden. Zu seinen bekanntesten Schlagern zählen "Alles kommt einmal wieder" aus der Rudolf Nelson Revue "Was träumt Berlin" (1915) und das von Paul Morgan interpretierte "Rothschildlied", weitere Chansons sind beispielsweise "Berlin, Berlin, ich kenne dich nicht wieder", "Ne Hübsche, Ruhige, Runde Sache" oder "Auf, Nach Dem Eispalast!". Claire Waldoff interpretierte unter anderem "Schlesisches Soldatenlied" (1916), "Fräulein woll'n se nicht?" (1924), "Erst hat er zu ihr "Sie" gesagt" (1925), "Wenn zwei verliebt sind, soll man sie nicht stören" (1925), "Juni, Juli und August, schwindet jede Liebeslust" (1926) und "Komm mit mir, Karoline" (1926).

Willy Prager in der Zeitschrift
"Berliner Leben"1) (Heft 10, 1906)
Urheber: Unbekannter Fotograf der Epoche
Quelle: Wikimedia Commons;
Angaben zur Lizenz (gemeinfrei) siehe hier

Willy Prager in der Zeitschrift "Berliner Leben" (Heft 10, 1906); Urheber: Unbekannter Fotograf der Epoche; Quelle: Wikimedia Commons
Noch vor dem 1. Weltkrieg feierte der Künstler schauspielerische Erfolge unter anderem am "Hebbel-Theater"1) und an Max Reinhardts1) "Deutschem Theater"1), wo er sich zudem als Regisseur betätigte. Er gestaltete 1912 in Inszenierungen Reinhardts die unterschiedlichsten Figuren, beispielsweise den Pastor Kahlbauch in dem als "Kindertragödie" bezeichneten, gesellschaftskritisch-satirischem Drama "Frühlings Erwachen"1), von Frank Wdekind1), den Ratgeber Polonius in der Shakespeare-Tragödie "Hamlet"1), den Schatzmeister in Goethes "Faust I"1) und den Antonio in der Shakespeare-Komödie "Viel Lärm um nichts"1). Als Frank Wedekind 1912 sein Schauspiel "Der Marquis von Keith"1) selbst inszenierte, betraute er Prager mit der Rolle des Baumeisters Krenzl.*)
Seit 1925 wirkte Willy Prager am berühmten Kabarett "Schall und Rauch"1), dessen Direktion er eine Zeit lang übernahm, und festigte seinen Ruf als herausragender Komiker und Couplet1)-Sänger. Außerdem verfasste er mehrere Operetten-Libretti/Gesangstexte, unter anderem zu Ralph Benatzkys1) Singspiel "Liebe im Schnee", zu dem Operetten-Schwank "Die kleine Sünderin" von Jean Gilbert1) oder zu "Die Prinzessin vom Nil" von Victor Hollaender1). Erwähnenswert ist auch die Ausstattungs-Revue "An Alle", die Erik Charell1) unter anderem mit Claire Waldoff, Margo Lion, Wilhelm Bendow, Leo Peukert und Oscar Sabo sowie den weltberühmten "Tiller irls"1) vom 18. Oktober 1924 bis 30. April 1925 am "Großen Schauspielhaus"1  präsentierte.
 
Das Multitalent Prager interessierte sich schon früh für die aufstrebende Kinematographie1), doch gilt seine Mitwirkung in einigen Produktionen nicht immer als gesichert, da er bis heute oft mit dem fast gleichaltrigen Schauspieler und Regisseur Wilhelm Prager1) (1876 – 1955) zu Verwechslungen kommt. In den einschlägigen Filmografie-Quellen wird unter anderem Max Reinhardts1) zweiter und zugleich letzter Stummfilm "Die Insel der Seligen"1) (1913) ausgewiesen, wo Prager mit der Doppelrolle des spießigen Vaters bzw. des Meeresgottes Triton1) in der Besetzungsliste geführt wird → weitere Stummfilme siehe hier.
Im frühen Tonfilm trat er in verschiedenen Streifen in Erscheinung, zu nennen ist beispielsweise der von Robert Wohlmuth1) gedrehte Spielfilm "Das Kabinett des Dr. Larifari"1) (1930), eine Film-im-Film-Parodie, in der das Berliner Kabarett der Weimarer Republik1) und seine Größen (neben Willy Prager vor allem Paul Morgan, Max Hansen, Gisela Werbezirk1)) eine letzte Apotheose vor der "Machtergreifung" 1933 erlebten.3) Produziert worden war dieser hochkarätig besetzte, amüsante Geschichte von Paul Morgan, Max Hansen und dem ebenfalls zu den Hauptdarstellern gehörenden Tenor Carl Jöken1) bzw. von deren kurz zuvor gegründeten "Trio-Film GmbH", doch schon nach diesem ersten und einzigen Film musste die Firma Bankrott anmelden. Zur Pragers Filmografie jener Jahre zählen das Künstlermelodram "Liebling der Götter"1) (1930) nach dem Bühnenstück "Der Tokaier" von Hans Müller-Einigen (auch Drehbuch mit Robert Liebmann) mit Emil Jannings und Renate Müller oder der Krimi "Das gelbe Haus des King-Fu"1) (1931); zudem beteiligte er sich zusammen mit Bobby E. Lüthge1) als Drehbuch-Autor an mehreren Lustspiel-Verfilmungen.
 
Mit der so genannten "Machtergreifung"1) der Nationalsozialisten1) am 30. Januar 1933 war die Karriere des Künstlers mit jüdischen Wurzel vorerst beendet. 1933 mit Auftrittsverbot belegt, betätigte er sich bis Anfang der 1940er Jahre beim "Jüdischen Kulturbund"1), überlebte den Terror des Nazi-Regimes bis zum Ende des 2. Weltkrieges überwiegend im Untergrund bzw. von Freunden unterstützt in einem Berliner Versteck. Nach 1945 setzte der inzwischen fast 70-Jährige seine Laufbahn fort, kehrte an das Theater zurück und trat unter anderem an der damaligen Berliner Kleinkunstbühne "Tribüne"1) oder in dem 1929 von Henry Bender gegründeten Restaurant "Bei Henry Bender" in der Bleibtreustraße 33 auf, das auch nach dem Tode Benders († 1933) ein beliebter Künstlertreff geblieben war. 1948 wurde Prager anlässlich seines 50-jährigen Bühnenjubiläum zum Ehrenmitglied des "Kabaretts der Komiker"1) ernannt, im darauffolgenden Jahr wirkte er dort in dem Programm "Jeder gegen jeden" (1949) mit.
Willy Prager Ende Februar 1951, anlässlich der Veranstaltung "Von allem etwas – 3. musikalische Veranstaltung der Jüdischen Gemeinde Berlin"; Quelle: Deutsche Fotothek, (file: df_pk_0001826_011); Copyright SLUB Dresden/Deutsche Fotothek/Abraham Pisarek; Urheber: Abraham Pisarek (1901–1983); Datierung: 24.02.1951; Quelle: www.deutschefotothek.de; Genehmigung zur Veröffentlichung: 30.03.2017 Sporadisch nahm Prager wieder Aufgaben im Kinofilm an, gehörte zur Besetzung des DEFA1)-Dramas "Ehe im Schatten"1) (1947), von Kurt Maetzig1) gedreht nach der unveröffentlichten Novelle "Es wird schon nicht so schlimm" von Hans Schweikart1) bzw. basierend auf dem Schicksal des Schauspieler-Ehepaares Joachim Gottschalk und Meta Wolff1) mit Paul Klinger und Ilse Steppat in den Hauptrollen. "Er verkörpert hier den alten, sympathischen, stets hilfsbereiten jüdischen Arzt Dr. Louis Silbermann, der dem Rassenwahn der Nazis ausgeliefert ist. Durch diese Rolle wird Willy Prager selbst nochmals an sein eigenes Schicksal erinnert. Doch er ist dankbar, daß er die schwere Zeit – im Gegensatz zu vielen anderen – überlebt hat." schrieb Volker Wachter1) bei der nicht mehr existenten Website defa-sternstunden.de.
Als Vater des jüdischen Anwalts Dr. Simon (Josef Almas1)) zeigte er sich in Eugen Yorks dramatischen Geschichte um eine Massenflucht von KZ-Insassen, der Film "Morituri"1) (1948) war eine der ersten deutschen Kinoproduktionen, die den Holocaust1) thematisierte. In der DEFA-Verfilmung bzw.in der von Paul Verhoeven mit Lutz Moik als Peter Munk in Szene gesetzten Adaption "Das kalte Herz"1) (1950) nach dem gleichnamigen Märchen1) von Wilhelm Hauff1) mimte er den armen Bauern, erschien in dem Heimatstreifen "Schicksal am Berg"1) (1950) ein letztes Mal auf der Leinwand → Übersicht Tonfilme.

Willy Prager Ende Februar 1951, anlässlich der Veranstaltung
"Von allem etwas – 3. musikalische Veranstaltung der Jüdischen Gemeinde Berlin"
Quelle: Deutsche Fotothek, (file: df_pk_0001826_011)
© SLUB Dresden/Deutsche Fotothek/Abraham Pisarek
Urheber: Abraham Pisarek1) (1901–1983); Datierung: 24.02.1951
Quelle: www.deutschefotothek.de; Genehmigung zur Veröffentlichung: 30.03.2017

Willy Prager, der 1945 seine Erinnerungen unter dem Titel "Sie werden lachen – Nichts erfunden, alles erlebt" veröffentlichte, starb am 4. März 1956 im Alter von 78 Jahren in Berlin-Halensee1); die letzte Ruhe fand er auf dem "Waldfriedhof Zehlendorf"1) im Ortsteil Nikolassee1) des heutigen Bezirks Steglitz-Zehlendorf1).
Laut einer Eintragung des Standesamtes Charlottenburg hatte Prager am 24. Oktober 1905 Johanna Hirschfeld geheiratet, nach dem Randvermerk auf diesem Dokument (→ siehe hier) wurde die Ehe bereits 1909 wieder geschieden. Vermutlich heiratete Prager später erneut, denn in dem Artikel zu Bruder Fritz Prager (→ lexm.uni-hamburg.de) wird ausgeführt "Geschwister: Willy Prager (…) überlebte die NS-Zeit in einer "Mischehe"1) in Berlin."
Bei defa-sternstunden.de**)
(Autor: Volker Wachter1)) konnte man lesen: "Weshalb ich ein Buch über meine Erlebnisse schreibe?" fragt er im Vorwort seiner Erinnerungen. "Aus Freude darüber, daß ich am Leben geblieben bin." Helga Bemmann beschreibt den Künstler in ihrer "Komödianten-Chronik" unter anderem folgendermaßen: "Das besondere Kennzeichen an ihm blieb zeitlebens das Leise, Delikate und Lächelnde, was ihn mehr zum Humoristen als zum Satiriker machte … Beliebt war seine leise, gemütvolle Komik, die sich vornehmlich in seinen Anekdoten äußerte, denn Prager war der geborene Geschichtenerzähler."
Quelle (unter anderem*)): Wikipedia sowie
die  nicht mehr existierende Website defa-sternstunden.de → Memento bei web.archive.org
*) Kay Weniger: "Zwischen Bühne und Baracke. Lexikon der verfolgten Theater-, Film- und Musikkünstler 1933 bis 1945" (Metropol, Berlin 2008, S. 281/282)
Fremde Links: 1) Wikipedia, 2) www.lexm.uni-hamburg.de
Quelle: 3)  Wikipedia, Artikel zum Film "Das Kabinett des Dr. Larifari"
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