Robert Wiene besetzte Gottowt auch als den "schwarzen Narr" in "Die Nacht der Königin Isabeau"5) (1920) neben Fern Andra als Königin Isabeau1) und Alexander Moissi als der geistesgestörte französische Königs Karl VI.1). "Eine Meisterleistung bot John Gottowt als Narr, dämonisch, verwachsen, kichernd hin und herhüpfend, verschlagen tückisch blinzelnd, voll Wut gegen alle wohlgeformten Menschen, gab er einen armen Narr, den ihm so leicht niemand nachmacht." schrieb damals W. Fischer in "Die Neue Zeit"1) (22.11.1920).3) Die Titelrolle des missgestalteten James Wilton in Friedrich Wilhelm Murnaus1) als verschollen geltendem Horror-Film "Der Bucklige und die Tänzerin"1) (1920) zählt zu einem der Höhepunkte in Gottowts filmischem Schaffen, hier zeichnete er meisterlich einen Mann, der in Liebe zu der Tänzerin Gina (Sascha Gura) entbrennt und, von ihr abgewiesen, mittels eines tödlichen Elixiers Rache an Gina bzw. deren Liebhabern übt. " seelische Abgründe lagen in seinem Gesicht, mit den Augen voll unerhörten Wehs." (V. Neuenberg in "Film und Presse" Nr. 2, 10.07.1920)2) "Den Krüppel gibt John Gottowt, weniger stark in den Augenblicken rasender Leidenschaft, als in seinen schüchternen Liebesbezeigungen, seinen linkischen, verlegenen Versuchen, die verwöhnte Gina zur Gefährtin, seiner Einsamkeit zu gewinnen. ( ) John Gottowt in der Rolle des Buckligen eine ganz erstaunliche Leistung, die in mancher Hinsicht ein wenig an Werner Krauss in "Caligari"1) anklang" notierte die "Lichtbild-Bühne"1) (Nr. 30, 24.07.1920) bzw. die "Berliner Börsen-Zeitung"1) → filmportal.de. Nach seinem Auftritt als Bewohner des Planeten Algol in Hans Werckmeisters1) phantastischem Streifen "Algol"1) (1920) mit dem Untertitel "Eine Tragödie der Macht" und Emil Jannings in der Hauptrolle des Minenarbeiter Robert Herne spielte Gottowt in den nachfolgenden Produktionen eher zu vernachlässigende Parts, erst in Friedrich Wilhelm Murnaus legendärem Klassiker "Nosferatu, eine Symphonie des Grauens"1) (1922) verkörperte er als Wisborger Arzt und Paracelsianer1) Professor Bulwer wieder eine beachtenswerte Figur. In der nicht autorisierten Adaption ders Romans "Dracula" von Bram Stoker1) wird die Geschichte des Grafen Orlok/Nosferatu1) (Max Schreck), eines Vampirs aus den Karpaten, erzählt, der in Liebe zur schönen Ellen (Greta Schröder) entbrennt und Schrecken über deren Heimatstadt Wisborg bringt. In Hans Steinhoffs1) Historiendrama "Der falsche Dimitry"1) (1922) zeigte er sich als Narr des Zaren Iwan der Schreckliche1) (Alfred Abel), in Paul Lenis1) Fantasy-Episodenstreifen "Das Wachsfigurenkabinett"1) (1924) übernahm er neben Emil Jannings (Harun al Raschid1)), Conrad Veidt (Iwan der Schreckliche) und Werner Krauss (Jack the Ripper1)) die Schlüsselrolle des Schaubuden-Besitzers. Gottowts letzte Arbeit für den Stummfilm war eine kleine Nebenrolle in dem Biopic "Prinz Louis Ferdinand"1) (1927), gedreht von Hans Behrendt1) mit Hans Stüwe als preußischer Prinz Louis Ferdinand → Übersicht Stummfilme. Sein erster Tonfilm mit dem Part eines alten Beamten im mechanischen Museum in dem von Richard Oswald1) nach den Novellen "Der schwarze Kater"1) von Edgar Allan Poe1) und "Der Selbstmörderklub"1) von Robert Louis Stevenson1) mit Paul Wegener als der Mörder in Szene gesetzten, melodramatischem Krimi "Unheimliche Geschichten"1) (1932) war zugleich seine letzte Aktivität vor der Kamera. Eine letzte Regie-Arbeit lieferte Gottowt Anfang 1933 mit dem Stück "Über die Kraft, 1. Teil" ("Over Ævne. Første Stykke") des norwegischen Dramatikers Bjørnstjerne Bjørnson1) am "Theater am Kurfürstendamm"1) ab, nach der so genannten "Machtergreifung"1) der Nationalsozialisten geriet der im Nazi-Jargon als "Volljude" eingestufte Künstler in den Fokus des Nazi-Rassenwahns und wurde im Frühjahr 1933 aus der "Reichsfilmkammer"1) (RFK) ausgeschlossen, was faktisch einem Berufsverbot gleichkam. Im Juli 1938 folgte der Ausschluss aus der "Reichstheaterkammer"1) (RTK), doch zu dieser Zeit befand sich Gottowt bereits in Dänemark, wo er in Kopenhagen1) Arbeit am "Det Kongelige Teater"1) gefunden hatte. Als die dänische Behörde 1938 seine Aufenthaltsgenehmigung nicht verlängerte und sich eine Tätigkeit am "Stadsteater" im schwedischen Göteborg1) zerschlug, ging Gottowt zurück nach Polen und ließ sich in Krakau1) nieder. Mit dem Einmarsch der deutschen Wehrmacht bzw. dem Überfall auf Polen1) am 1. September 1939 und dem Beginn des 2. Weltkrieges wurde die Situation in Polen für den Künstler bzw. seine jüdischen Landsleute lebensbedrohlich. Zunächst konnte sich der inzwischen schwer kranke Gottowt mit Hilfe guter Freunde in dem rund 20 Km von Krakau entfernten Ort Wieliczka1), als römisch-katholischer Priester getarnt, versteckt halten, wo ein SS1)-Einsatzkommando den über 60-Jährigen am 29. August 1942 aufspürte und nach der Weigerung, das Krankenlager zu verlassen, sofort erschoss. Gottowts Leichnam, mit einem Pferdekarren abtransportiert, wurde in einem Massengrab in Wieliczka beerdigt. John Gottowt war der Schwager des Drehbuchautors, Regisseurs und Filmschauspielers Henrik Galeen1) (1881 1949), der in erster Ehe die Schwester seiner Frau, Elvira Adler, geheiratet hatte. Gemeinsam mit Galeen leitete er ab Sommer 1921 für eine Spielzeit das Berliner "Theater in der Kommandantenstraße" (→ siehe auch "Gebrüder-Herrnfeld-Theater"1)). Gezeigt wurden Produktionen des "Jüdischen Künstlertheaters", einer Gruppe russisch-jüdischer Schauspieler aus dem litauischen Wilna1). Nach den begeisterten Worten, die Künstler vom Range Dehmels1), Herbert Eulenbergs1), Arnold Zweigs1), Hermann Strucks1) u.a. für die Wilnaer Truppe fanden, als sie sie während des Krieges entdeckten, haben sich in Galeen und Gottowt die Männer gefunden, die Wagemut genug besaßen, der Truppe in Berlin ein Heim zu bereiten und einen vollen Erfolg damit erzielten. ("Jüdische Presse"1) Nr. 38, 23.09.1921).3) Leider entwickelte sich das Theater zu einem finanziellen Misserfolg und musste bereits im März 1922 wieder geschlossen werden. Alfred Döblin1), Besucher einer Aufführung des Lustspiels "Jankel der Schmied" (Anm.: von David Pinski1)), lobt die Darbietung als "spontane Kunstleistungen eines lebendigen Volksstammes", notiert jedoch, dass das Theater schlecht besucht war, und befürchtet, dass niemand die Aufführungen verstehen wird: "Die Menschen, die auf der Bühne standen, sprachen, hieß es, jiddisch. ( ) Die Leute, die dieses Sprachgemisch des Jiddisch1), das schon ein naturgewachsenes Esperanto ist, verstehen, wohnen am Alexanderplatz1) und haben kein Geld. Die Reichen des Volkes ( ) machen vor diesem Jiddisch ich möchte sagen; drei Kreuze, Denn heiter ist ihr Leben. Ernst diese Kunst." (A. Döblin, "Prager Tageblatt"1), 28.12,1921).3) |
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Quellen (unter anderem)*)**):
Wikipedia
sowie CineGraph Lexikon zum deutschsprachigen Film, LG 47; siehe auch cyranos.ch |
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*) Kay
Weniger: "Zwischen Bühne und Baracke. Lexikon der verfolgten
Theater-, Film- und Musikkünstler 1933 bis 1945" (Metropol, Berlin
2008,
S. 141 ff) **) Kay Weniger: Es wird im Leben dir mehr genommen als gegeben Lexikon der aus Deutschland und Österreich emigrierten Filmschaffenden 1933 bis 1945. Eine Gesamtübersicht. (ACABUS Verlag, Hamburg 2011, S. 204 ff) 2) Der laut Kay Weniger in "Zwischen Bühne und Baracke. Lexikon der verfolgten Theater-, Film- und Musikkünstler 1933 bis 1945" angegebene Geburtsort Krakau (heute Polen) ist unrichtig. Gottowt hatte "Krakau" einmal selbst angegeben, so erklärt sich der Fehler in "Zwischen Bühne und Baracke"; Dr. Wenigers spätere Recherchen haben tatsächlich Lemberg bestätigt. 3) Quelle: CineGraph Lexikon zum deutschsprachigen Film, LG 47 Fremde Links: 1) Wikipedia, 4) cinegraph.de, 5) Murnau Stiftung Lizenz Foto John Gottowt (Urheber: Hans Böhm): Die Schutzdauer (von 70 Jahren nach dem Tod des Urhebers) für das von dieser Datei gezeigte Werk ist nach den Maßstäben des deutschen, des österreichischen und des schweizerischen Urheberrechts abgelaufen. Es ist daher gemeinfrei. |
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