Claudette Colbert wurde am 13. September 1903 als Émilie Claudette Chauchoin und Tochter eines Bankangestellten in der französischen Gemeinde Saint-Mandé1)
geboren. Im Alter von drei Jahren kam sie 1906 mit ihren Eltern Georges Claude (1867 1925)
und Jeanne Marie Chauchoin
(geb. Loew, 1877 1970) sowie Großmutter Marie Augustine Loew (1842 1930)
und einer Tante in die Vereinigten Staaten; aufgrund finanzieller
Schwierigkeiten war die Familie ausgewandert. Der Vater arbeitete in New York in
untergeordneter Position bei "First National City Bank"1), die Mutter versuchte
erfolglos eine Karriere als Opernsängerin zu starten. Tochter Émilie,
genannt "Lily", absolvierte
nach der Grundschule die künstlerisch orientierte New Yorker "Washington Irving High School" und
wollte zunächst Modedesignerin werden. Dann entschied sie sich für die
Schauspielerei, spielte nach einer entsprechenden Ausbildung 1923 eine erste
winzige Bühnenrolle in dem Broadway-Stück "The Wild Westcotts"
von Anne Morrison (1892 1967). Etwa zur
gleichen Zeit nahm sie den Künstlernamen Claudette Colbert an,
"Colbert" war der Mädchenname ihrer Großmutter. Zunächst
musste sich die hoffnungsfrohe Nachwuchsschauspielerin mit kleinen Bühnenrollen begnügen, erst zur
Spielzeit 1925/26 verzeichnete sie am "Broadway" einen ersten großen Erfolg in
der Komödie "Ein Kuss im Taxi" ("A Kiss in a Taxi")
von Clifford Grey1)
nach "Le monsieur de cinq heures" von Maurice Hennequin1) und Pierre Veber, die anschließende Aufführung von
"The Barker" von Kenyon Nicholson (1894 1986)
mit dem Untertitel "A Play of Carnival Life in Three Acts" und ihrem Part der Schlangenbeschwörerin Lou führte
die aufstrebende Schauspielerin direkt nach Hollywood.
Claudette Colbert 1932
Foto mit freundlicher Genehmigung der Österreichischen
Nationalbibliothek1) (ÖNB)
Urheber/Körperschaft: New York Times Photo; Datierung: 17.10.1932
© ÖNB
Wien; Bildarchiv Austria (Inventarnummer FO300082/23)
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Doch ihr Leinwanddebüt in
Frank Capras1),
heute als verschollen geltenden stummen Romanze "Aus Liebe zu Mike" (1927,
"For the Love of Mike") war ein Misserfolg. Colbert kehrte zur Bühne zurück,
spielte nebenher weiter kleinere Leinwandrollen, konnte dann in der
Filmkomödie "The
Big Pond"1) (1930) als süßes Mädchen an der Seite von
Maurice Chevalier einen ersten Erfolg verbuchen. Der Durchbruch
zum gefeierten Hollywoodstar gelang ihr ein Jahr später erneut an der
Seite von Maurice Chevalier mit der Figur der Violinistin
Franzi in Ernst Lubitschs1) musikalischen
Komödie "Der lächelnde Leutnant"1) (1931, "The Smiling Lieutenant"), basierend auf der Operette
"Ein
Walzertraum"1) von Oscar Straus1);
eine französische Version entstand als "Le Lieutenant souriant"
mit den gleichen drei Hauptdarstellern.
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Bald war die attraktive Erscheinung mit den hohen Wangenknochen und dem
unwiderstehlichem Augenaufschlag nicht länger Ausstattungsstück für den Kostümfilm, obwohl das Bad der
verruchten Kaiserin Poppaea1)
in Eselsmilch in Cecil B. DeMilles1)
opulentem Monumentalfilm "Im Zeichen des Kreuzes"1) (1932,
"The Sign of the Cross") neben Charles Laughton als
wahnsinnigem, römischen Kaiser Nero1) schon Filmgeschichte
schrieb. Cecil B. DeMille
realisierte mit ihr in der Titelrolle der schönen ägyptischen
Königin Cleopatra1) ein weiteres monumentales Filmwerk,
den Historienstreifen "Cleopatra"1) (1934)
und Claudette Colbert meisterte diese Aufgabe als Verführerin von Marcus Antonius 1)
(Henry Wilcoxon1)) und
Julius Caesar1)
(Warren William1)) mit Bravour, begeisterte im
gleichen Jahr als Partnerin von Frauenschwarm Clark Gable in Frank Capras
großartigen Komödie "Es geschah in einer Nacht"1)
("It Happened One Night")
das amerikanische Publikum: Die Geschichte der jungen, kapriziösen Millionenerbin
Ellen Andrews, die vor dem Vater (Walter Connolly1)) flüchtet und
sich in den entlassenen Zeitungsreporter Peter Warne (Clark Gable)
verliebt, wurde 1934
nicht nur ein Kinohit, sondern erntete 1935 erstmals auch die wichtigsten "Oscars" des
Jahres ("Big
Five"1)) "Bester Film", "Bestes Drehbuch", "Beste Regie",
"Bester Hauptdarsteller" (Clark Gable) und "Beste Hauptdarstellerin" (Claudette Colbert) ein Kunststück, das nur
wenigen Filmen später gelingen sollte.
Das "Lexikon des internationalen Films" urteilt "Glänzend gespielt
und inszeniert, vermag die mit geistreicher gesellschaftskritischer Ironie durchsetzte
und erfrischende Hollywood-Komödie auch heute noch ausgezeichnet zu unterhalten."2)
Claudette Colbert und Regisseur Cecil B. DeMilles bei den
Dreharbeiten zu "Cleopatra" mit Schlangen
Foto mit freundlicher Genehmigung der Österreichischen
Nationalbibliothek1) (ÖNB)
Urheber/Körperschaft: New York Times Photo; Datierung: 05.02.1934
© ÖNB
Wien; Bildarchiv Austria (Inventarnummer FO300303/02)
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Kurioserweise hatte man im gleichen Jahr die Literaturadaption "Frauen am
Scheidewege"1)
("Imitation of Life") für den "Oscar" nominiert, ein
"tränenreiches" Melodram ebenfalls mit Claudette Colbert in
der weiblichen Hauptrolle, die 25 Jahre unter der Regie von Douglas Sirk1) von
Lana Turner
gespielt wurde (1959, "Solange
es Menschen gibt"1)). Der gestrenge Kritiker Richard Schickeln schrieb damals: "Ob sie die
Königin vom Nil spielt oder ein ausgerissenes Mädchen, immer bewahrt sie
eine Art großäugiger Unschuld und jugendliche Heiterkeit, die nie
ermüdet."3) Neben Adolphe Menjou war die Colbert in den Endzwanziger Jahren das
"schönste Geschenk Frankreichs" an das Hollywood-Kino,
konnte ihre vielseitigen Talente sowohl auf in der Komödie als auch
Melodramen beweisen. Die nur knapp 1,65 Meter große Claudette Colbert avancierte mit Produktionen unterschiedlichen Genres nicht zuletzt
wegen ihrer authentischen, sympathischen Darstellung zum Liebling
Hollywoods, zählte ab Mitte der 1930er Jahre in Amerika zu den höchstbezahlten
weiblichen Stars der Branche.
"It Happened One Night" markierte
gleichzeitig den Beginn ihrer Karriere als Star der leichten Screwball-Komödien, in den folgenden Jahren arbeitete
Claudette Colbert mit den berühmten Komödienregisseuren
und jener Zeit und war Partnerin vieler Leinwandstars: Mit Mervyn Douglas1)
präsentierte sie sich in der amüsanten Geschichte "Sie heiratet ihren Chef" (1935,
"She Married Her Boss"), neben Gary Cooper und
David Niven bezauberte sie in
der frivolen Lubitsch-Komödie "Blaubarts
achte Frau"1) (1938, "Bluebeard's Eighth Wife"),
in der Bühnenadaption "Zaza" (1939) sah man sie zusammen
mit Herbert Marshall1). In
der Screwball-Comedy "Enthüllung um Mitternacht"1) (1939,
"Midnight") machte sie
in einer Doppelrolle neben Don Ameche und
John Barrymore Furore, in der turbulenten
Krimikomödie "Drunter und drüber"1) (1939,
"It's a Wonderful World") mimte sie
in Begleitung von James Stewart eine muntere Dichterin, die es mit zwei Morden,
einem tollpatschigen Privatdetektiv und zwei Komikern vom Morddezernat zu tun bekommt.
Ein Highlight ist auch John Fords1) meisterlicher
Western "Trommeln am Mohawk"1) (1939,
"Drums along the
Mohawk"),
wo sie mit Henry Fonda vor der Kamera
stand, in dem witzig-spritzigen Streifen "Atemlos nach Florida"1) (1942,
"The Palm Beach Story") kam sie als die Ehefrau daher, die
vergeblich nach Unabhängigkeit strebt, weil ihr Mann (Joel McCrea1)) allzu liebevoll trottelig
ist, doch schließlich noch besser als der überhebliche Millionär, den sie
kennenlernt. In der Ehekomödie "Seine Frau ist meine Frau"1) (1945,
"Guest Wife") brillierte sie noch einmal neben Don Ameche sowie
Dick Foran1).
Nach der Literaturverfilmung "Das Ei und ich"1) (1947,
"The Egg and I") mit ihrer Rolle der Schriftstellerin Betty MacDonald1),
von der die gleichnamige autobiografische
Erzählung1) stammte, können die
nachfolgenden Produktionen bis Ende der 1940er Jahre als eher unbedeutend eingestuft werden,
etwa die Ehekomödie "Fünf auf
Hochzeitsreise" (1948, "Family Honeymoon"), beide Male
mit Fred MacMurray
als Partner.
Claudette Colbert 1947
Foto mit freundlicher Genehmigung der Österreichischen
Nationalbibliothek1) (ÖNB)
Urheber/Körperschaft: New York Times Photo; Datierung: 10.03.1947
© ÖNB
Wien; Bildarchiv Austria (Inventarnummer FO300082/11)
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Claudette Colbert war jedoch auch in eher ernsten Rollen überzeugend, wie
als Psychiaterin Dr. Jane Everest in dem Drama "Oberarzt
Dr. Monet"1) (1935, "Private
Worlds") neben Protagonist Charles Boyer,
wofür sie 1936 eine "Oscar"-Nominierung als
"Beste Hauptdarstellerin" erhielt, jedoch Bette Davis in "Dangerous"1)
unterlag. Als Kriegs-Ehefrau, die in dem gefühlvollen "Oscar"-nominierten Kriegsdrama "Als
du Abschied nahmst"1) (1944,
"Since You Went Away") auf ihren Mann Ltd. Tony Willett
(Joseph Cotton) wartet,
machte sie ebenso eine gute Figur wie in dem sentimentalen, aber gut gespielten Drama "Morgen
ist die Ewigkeit"1) (1945,
"Tomorrow Is Forever"), wo sie als als Elizabeth MacDonald vor der Geburt ihres Sohnes erfährt, dass ihr Mann John
(Orson Welles) im
Krieg gefallen sei und schließlich ihren Chef Larry Hamilton (George Brent1)) heiratet 20 Jahre
später taucht John inkognito in
Hamiltons Firma auf
Im Nachkriegsfilm beeindruckte Claudette Colbert mit dem Part der Agnes Newton Keith in
dem Biopic "Drei kehrten heim"1) (1950,
"Three Came Home"), von Jean Negulesco1) nach dem
Erlebnisberichts der amerikanischen Schriftstellerin
Agnes Newton Keith (1901 1982) in Szene gesetzt, die im 2. Weltkrieg auf der Flucht
von den Japanern gefangengenommen wurde und mit anderen Frauen in einem
Internierungslager dramatisches durchmachen musste. Auch Colberts
Interpretation einer unerschrockenen Nonne, die in dem Thriller "Schwester Maria Bonaventura"1) (1951,
"Thunder on the Hill") einen Mord aufklärt, ist sehenswert. In
der witzigen Story "Let’s
Make It Legal"1) (1951) zeigte sie einmal mehr ihr komödiantisches
Talent, in dem von Sacha Guitry1)
inszenierten Historien-Epos "Versailles Könige und
Frauen"1) (1954, "Si Versailles m'était
conté") schlüpfte
sie in das Kostüm der Madame de Montespan1),
Mätresse Ludwigs XIV.1)
(Sacha Guitry). Nach dem Western "Des Teufels rechte Hand" (1955,
"Texas Lady") zog sich der Star vom Filmgeschäft zurück, stand
nur noch sporadisch, vorwiegend für TV-Produktionen vor der Kamera.
Insgesamt drehte sie mehr als 60 Filme, ihre letzte Arbeit für das Kino war
das Melodram "Sein Name war Parrish"1) (1961,
"Parrish"), wo sie die Witwe Ellen McLean darstellte, die mit
ihrem Sohn Parrish (Troy Donnahue1))
auf eine Tabakplantage kommt und den ebenfalls verwitweten Tabakmagnaten
Judd Raike (Karl Malden)
heiratet. Das Lexikon des internationalen Films" meint hierzu: "Ein
junger Mann wird in die Geheimnisse des Tabakanbaus eingeführt und
zugleich in leichtfertige Liebesabenteuer verstrickt. Konkurrenzkämpfe
und Intrigen zwischen Farmern beleben die dürftige Handlung. Seichte
Unterhaltung, die auch durch Altstar Claudette Colbert nicht besser wird
und bestenfalls unfreiwillige Komik produziert."4)→ Übersicht
Kinofilme (Auszug).
Anfang der 1950er Jahre war
Claudette Colbert kurzzeitig nach Europa zurückgekehrt, wo sie auch wieder
auf der Bühne stand. 1956 feierte sie am "Broadway" noch einmal Erfolge
mit der Figur der Jessica in der romantische Komödie "Janus" von Carolyn Green sowie
seit Anfang Dezember 1978 als Evelyn in der Komödie "The
Kingfisher" ("Der Eisvogel") von William Douglas-Home
(1912 1992) mit Rex Harrison
als Partner bzw. erfolgreicher Schriftsteller und Junggeselle Sir Cecil,
der nach vier Jahrzehnten seine einzig wahre Liebe Evelyn wiedertrifft;
Anfang der 1980er Jahre wurde das Stück mit Rex Harrison und Wendy Hiller1)
verfilmt → filmdienst.de. 1984 erlebte
Claudette Colber Triumphe gleichermaßen in New York und London mit dem Stück
"Aren't We All" von Frederick Lonsdale1), erneut an
der Seite von Rex Harrison → Wikipedia (englisch). Im gleichen Jahr wurde
die inzwischen über 80-Jährige von der "Film Society of Lincoln
Center" mit dem "Lifetime Achievement Award" geehrt.
Nach mehr als einem Vierteljahrhundert Pause trat sie für die
zweiteilige TV-Verfilmung
des Bestseller-Romans "The Two Mrs. Grenvilles" (1987, auch "Society" →
filmdienst.de)
von Dominick
Dunne1) über einen spektakulären
Mordfall ("Mordfall Woodward" aus dem Jahre 1955) an der Seite von Ann-Margret1) noch einmal vor die
Kamera. Für ihre Darstellung der Alice Grenville erhielt sie einen "Golden
Globe"1) als "Beste
Nebendarstellerin" sowie eine "Emmy"1)-Nominierung
in derselben Kategorie.
Von 1928 bis 1935 war die Filmlegende mit dem Schauspieler und Regisseur Norman Foster1)
(1903 1976 verheiratet, mit dem zusammen sie in dem Schauspiel
"The Barker" auf der Bühne stand. Die Ehe existierte bald
jedoch nur auf dem Papier, das Paar trennte sich bereits nach kurzer Zeit. Nach der Scheidung heiratete sie
am 24. Dezember 1935 den Chirurgen Dr. Joel Pressman (1901 1968),
mit dem sie glücklich bis zu dessen Tod zusammenlebte.
Privat blieb sie ohne Skandale. Allüren leistete sie sich nur am Set:
Mit dem Selbstbewusstsein des echten Stars bestand sie darauf, bei
Profilaufnahmen nur von links gezeigt zu werden. (Als junges Mädchen
hatte sie sich bei einem Unfall die Nase gebrochen und eine winzige Narbe
auf der rechten Wange zurückbehalten.) "Überstunden"
verabscheute sie. War ein Drehtag bis 18 Uhr angesetzt, verabschiedete sie
sich um genau diese Zeit lächelnd mit den Worten: "Meine Herren, wir
sehen uns morgen wieder", egal ob noch eine Szene wiederholt werden
musste oder nicht. (Quelle: Artikel "Femme fatale ohne Skandale"
zum 100. Geburtstag der Schauspielerin Claudette Colbert vom 09.09.2005
bei www.nzz.ch)
Ihren Lebensabend verbrachte die Schauspielerin in großem Luxus auf der
Karibikinsel Barbados1),
wo sie eine Villa in prachtvoller Lage besaß. Die von vielen als "Komödien-Königin" bezeichnete Claudette Colbert
starb am 3. Juli 1996,
sechs Wochen vor ihrem 91. Geburtstag, in Speightstown1) auf
Barbados. Die
Urne mit ihrer Asche wurde auf dem "Godings Bay Church Cemetery" in
Speightstown in der Nähe ihrer Mutter und ihres zweiten Ehemannes beigesetzt → knerger.de.
"Eigensinnig und sturköpfig soll sie gewesen sein und knallhart, wenn es um Gagen und Verträge ging. Die Filme verraten diese selbstbewußte Kraft
noch in jedem ihrer Blicke, in jeder ihrer Gesten. Claudette Colbert gab gerne den Siegertyp, mal burschikos, mal elegant."
notiert DIE ZEIT in einem Nachruf → www.zeit.de.
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