Michael Gahr wurde am 27. Dezember 1939 in Berlin geboren; während des 2. Weltkrieges floh er mit seinen Eltern ins heute polnische Kostrzyn1) (Küstrin) und überlebte dort die Kriegswirren, ab 1946 wuchs er im zerstörten Nachkriegs-Berlin auf. Nach dem Abitur (1958) ließ er sich an der renommierten "Fritz-Kirchhoff-Schule"1) zum Schauspieler ausbilden, erste Engagements in seiner Geburtsstadt sowie in Ingolstadt, Castrop-Rauxel und Augsburg schlossen sich an. Weitere Stationen von Gahrs Theaterkarriere wurden unter anderem Köln, Hamburg und München, daneben ging er auch auf umfangreiche Tourneen. Seit 1970 arbeitete Michael Gahr als freischaffender Schauspieler, gastierte darüber hinaus seit 1980 mit eigenen Programmen unter anderem von Ringelnatz und Morgenstern an deutschen Kleinkunstbühnen. und hielt Lesungen ab. 
Mit vielen großen Rollen seines Fachs hatte er sich rasch einen Namen als wandlungsfähiger Charakterdarsteller gemacht, brillierte als Dorfrichter Adam in Kleists "Der zerbrochne Krug"1) ebenso wie als Lumpensammler in  "Die Irre von Chaillot"1) von Giraudoux. Für seine eindringliche Interpretation des Wanderarbeiters Lennie in der Bühnenfassung von Steinbecks Roman "Von Mäusen und Menschen"1) erhielt er den "AZ-Stern" der "Münchner Abendzeitung"1). Weitere wichtige Bühnenfiguren waren beispielsweise der Probst in Brechts "Herr Puntila und sein Knecht Matti"1), der Maximilian, regierender Graf von Moor, in Schillers "Die Räuber"1), der Mephisto in Goethes "Faust I"1) oder der Anton Antonowitsch in Gogols "Der Revisor"1)  – um nur einiges zu nennen. 

Foto: Privatarchiv Michael Gahr*)

Michael Gahr  01
Michael Gahr  02 Eine schöne Rolle war auch sein Inspektor Craddock in dem Stück "Ein Mord wird angekündigt" nach dem gleichnamigen Roman1) von Agatha Christie1) oder die Figur des unkultivierten, neureichen Herrn Schwarzbeck, der in Tankred Dorsts Drama "Herr Paul"1) geschäftliche Interessen über Moral und Anstand stellt.  Im gesamten Jahr 2005 begeisterte Michael Gahr in Anton Tschechows Einaktern "Der Bär"1) und "Der Heiratsantrag"1): Im ersten Teil der Aufführung erlebte man ihn überzeugend als "klassischen Tschechow-Diener, schwankend zwischen Loyalität gegenüber der Herrschaft und der Existenzangst des Abhängigen", wie in einer Zeitung zu lesen war; als Gutsbesitzer Stepan Tschubukow, der sich im Verlauf des Stücks vom souveränen, kraftvollen Vater zum besorgten, sanftmütigen Diener wandelt, glänzte der Schauspieler anschließend in "Der Heiratsantrag". Ab Mai 2006 erlebte man den Schauspieler als strengen traditionsbewussten Gerichtrat Walter und Gegenspieler des Dorfrichters Adam in Kleists "Der zerbrochne Krug" – beides Produktionen, welche die "Pancomedia Theaterproduktion" herausgebracht hatte.
Bekannt und populär wurde der Schauspieler seit Ende der 1960er Jahre durch prägnante Nebenrollen in zahllosen Fernsehspielen und beliebten Serien. Vor allem mit Serienauftritten wurde er zum Dauergast auf dem Bildschirm, spielte in Krimis wie beispielsweise "Schwarz-Rot-Gold", "Der Kommissar", "Der Alte", Derrick", "Verkehrsgericht", "Der Fahnder", "Polizei-Inspektion l", "Peter Strohm", "Die Krimistunde", "Die Männer vom K3" oder "Ein Fall für zwei", gehörte in Dauerbrennern wie "Siska", "Küstenwache", "Die Kommissarin", "Tatort" oder "Polizeiruf 110" zu den beliebten Darstellern. Zur umfangreichen Serien-Filmografie zählten darüber hinaus unterhaltsame Geschichte wie "Hotel Paradies", "Helga und die Nordlichter",  "Die schnelle Gerdi", "Auf Achse", "Der Querkopf von Kirchbrunn", "Unser Charly", und, und und …

Foto: Privatarchiv Michael Gahr*)

Michael Gahr zeigte in verschiedensten Einzelproduktionen immer wieder seine enorme Wandlungsfähigkeit, so besetzte ihn unter anderem Michael Verhoeven in dem Gesellschaftsdrama "Am Südhang"2) (1980), Rainer Erler in der Satire  "Der Spot oder Fast eine Karriere"1) (1981) und Michael Kehlmann in der Soldatengeschichte "Das heiße Herz"3) (1982). In Heinz Schirks Sechsteiler "Vom Webstuhl zur Weltmacht" (1983), der Chronik der Augsburger Kaufmannsfamilie Fugger1) zwischen 1368 und 1560 nach dem Buch "Kauf dir einen Kaiser. Die Geschichte der Fugger" von Günter Ogger1), mimte er in der ersten Folge den Münzmeister Bäsinger, in Rainer Wolffhardts Familiengeschichte "Klein, aber mein!" (1984) war er als "Schwager Karl" zu sehen, in Marcus Scholz' kriminalistischen Verwechslungskomödie "Vertrauen gegen Vertrauen"1) (1986) präsentierte er sich an der Seite von Inge Meysel als Max Knauerhase, Kumpel des Gangsters Harry Glieneke (Manfred Lehmann1)). Erwähnt werden soll auch der amerikanische Fernsehfilm "The Great Escape II: The Untold Story"1) (1988, Gesprengte Ketten – Die Rache der Gefangenen), wo der Schauspieler in die Rolle von NS-Reichsmarschall Hermann Göring1) schlüpfte. In den 1990ern folgten Auftritte in Fernsehspielen wie dem Krimi "Apfel im Moor" (1993), der Pilcher-Verfilmung "Das Ende eines Sommers" (1995) oder der herrlichen Satire "Der kleine Dachschaden"4) (1998).
In nachhaltiger Erinnerung bleibt in jüngerer Zeit seine Verkörperung des FDP-Politikers Wolfgang Mischnick1) (1921 – 2002) in dem vielbeachteten Zweiteiler "Im Schatten der Macht"1), Oliver Storz' Dokumentarspiel über Willy Brandt1) und dessen Verstrickung in die Guillaume-Affäre1). 2005 erlebte man Michael Gahr als Dr. Bassermann in der heiteren Romanze "Liebe hat Vorfahrt"1) mit den Hauptdarstellern Suzanne von Borsody1) und Günther Maria Halmer sowie in der "Tatort"-Folge "Bienzle und der Feuerteufel"1) und in der Familienkomödie "Ein Fall für Mama"1) aus der Reihe um die "Familie Sonnenfeld"1). Nicht zu vergessen ist auch die liebenswerte Figur des Pfarrer Lehnert, der in der ARD-Telenovela "Sturm der Liebe"1) (
2006–2007) als kluger Mann vor allem die Einheit der Religionen betonte. Im Sommer 2005 begannen die Dreharbeiten für die 45-minütige, mit Spielszenen durchsetzte ARD-Dokumentation "Der Dolmetscher" mit dem Untertitel "Richard Sonnenfeldt1) und der Nürnberger Prozess1)" mit Michael Gahr erneut als Hermann Göring. Für die "Küstenwache"-Episode "Rendezvous mit dem Tod" (Ausstrahlung Oktober 2006) stand er als verarmter, alkoholkranker Fischer Dieter Seidel, der Zeuge eines Mordes wird, vor der Kamera – beides schöne Rollen, mit denen Michael Gahr auf dem Bildschirm präsent war. In dem vom " Chiemgauer Volkstheater" inszenierten und vom " Bayerischen Rundfunk" Mitte Juni 2007 ausgestrahlten Schwank "Die Lügenglocke" erlebte man Michael Gahr als schlauen "preußischen" Pfarrer Melchior Zangerl, der einen bayerischen Stammtisch mit viel List und Humor zum Spenden für eine neue Glocke bringt www.br.de. Weitere Auftritte hatte Michael Gahr unter anderem 2006 in den TV-Filmen "Glück auf vier Rädern"1), "Zwei Millionen suchen einen Vater"1) sowie in der turbulenten Komödie "Kurhotel Alpenglück"4) neben Fritz Wepper und Michaela May1). Zu seinen letzten Arbeiten vor der Fernsehkamera zählt die heitere Geschichte "Wie angelt man sich seine Chefin"5) (2007), wo er den Pralinenfabrikant Otto Meinekken mimte, die Episode "Requiem für einen Engel" (2007) aus der Krimi-Reihe "Siska", die Folge "Fünf Freunde" (2010) aus der Serie "Mit Herz und Handschellen" und der Thriller "Mord in bester Familie" (2011) → Übersicht TV-Produktionen.
Michael Gahr  03 Auf der Leinwand trat Michael Gahr sowohl in deutschen als auch internationalen Produktionen in Erscheinung, sein Kinodebüt hatte er 1963 mit einem winzigen, ungenannten Part in dem Krimi "Scotland Yard jagt Dr. Mabuse"1) gegeben, im Laufe der Jahre folgten Nebenrollen in Filmen wie "Das Brot des Bäckers"1) (1976), "MitGift"1) (1976), "Rosemaries Tochter"1) (1976), und Werner Herzogs Story "Stroszek"1) (1977). Neben Jean-Paul Belmondo sah man ihn in der Actionkomödie "Das As der Asse"1) (1982, L'As des as), an der Seite von Beatrice Richter und Werner Enke1) tauchte er als bulliger Waffenhersteller Dr. Finke in der Komödie "Mit mir nicht, du Knallkopp"1) (1983) auf, mimte in dem Jugendfilm "Echt tu matsch"2) (1984) den Direktor Zander, der die Macht für eine Woche an Schüler abgibt. Weitere Filme waren der Gottschalk/Krüger-Streifen "Zwei Nasen tanken Super"1) (1984), die Komödien "Ein Irres Feeling"1) (1984), "Verliebte Jungs" (1987) aus der Reihe "Eis am Stiel"1) und die Polt-Satire "Man spricht Deutsh"1) (1988).
 

Foto: Privatarchiv Michael Gahr*)
In Michael Verhoevens mehrfach preisgekröntem Film "Das schreckliche Mädchen"1) (1990), einer gelungenen Mischung aus Reportage und Politfarce nach Erlebnissen der Passauer Schriftstellerin Anna Rosmus1) mit Lena Stolze1) in der Titelrolle der Klosterschülerin Sonja, mimte er deren Vater Paul Rosenberger. Claus Strigels "RUNaWAY " (1992) und Peter Morlocks Komödie "Ausziehn!"2) (2001) sind ebenfalls Kinofilme, für die Michael Gahr vor der Kamera stand, zuletzt erlebte man ihn in der eher zu vernachlässigenden Komödie "Erkan & Stefan in Der Tod kommt krass"1) (2005) sowie in "Sari Saten – Der gelbe Satin"2) (2009), einem beeindruckenden Drama des Regisseurs Mehmet Coban über eine deutsch-türkische Taxifahrerin → Übersicht Kinofilme.

Neben seiner umfangreichen Arbeit für Film und Fernsehen war der sympathische Schauspieler ein gefragter Synchronsprecher, lieh unter anderem der Figur des von John McCook1) dargestellten Eric Forrester in der deutschen Fassung der Endlos-Soap "Reich und schön"1) ("The Bold And The Beautiful") seine tiefe Stimme. In der Zeichentrickserie "Als die Tiere den Wald verließen"1) ("The Animals of Farthing Wood" sprach er 1993 bis 1995 den Bernhardiner Rollo, in der animierten Kinderserie "Caillou"1) zwischen 2003 und 2010 Caillous Großvater. Gahr synchronisierte Fred Thompson1) alias Bezirksstaatsanwalt Arthur Branch in den Dauerbrennern "Law & Order: Special Victims Unit" (2006–2008, Staffel 4–7), "Law & Order" (2006–2009, Staffel 13–17) und "Law & Order – Criminal Intent"1) (2007, Doppelfolge der 5. Staffel). Beispielsweise hörte man ihn auch als Kugelfisch Puff in der deutschen Fassung des erfolgreichen Kinofilms "Finding Nemo"1) (2003, Findet Nemo) → mehr bei synchronkartei.de.
 
Michael Gahr starb am 25. November 2010 im Alter von 70 Jahren; über den Sterbeort bzw. die Todesursache ist offiziell nichts bekannt.Allerdings erzählt der inzwischen ebenfalls verstorbene Schauspieler Ekkehardt Belle1) (1954 – 2022) in einem bei "YouTube" aufrufbaren Interview, sein Kollege Michael Gahr habe auf Grund einer schweren Krebserkrankung in der Schweiz Sterbehilfe in Anspruch genommen → www.youtube.com.
Siehe auch Wikipedia
*) Mein Dank geht an Michael Gahr, der mir Anfang 2006 verschiedenste Informationen sowie die Fotos aus seinem Privatarchiv zur Verfügung gestellt hat. Eine Weiterverwertung der Fotos ist nur mit Genehmigung der Familie des Schauspielers gestattet.
Fremde Links: 1) Wikipedia, 2)  filmportal.de, 3) deutsches-filmhaus.de, 4) prisma.de. 5) tittelbach.tv
  
Den Kommentar des Schauspielers zu diesem Kurzportrait – vor allem aber seine Erinnerungen an die Zusammenarbeit mit Helga Feddersen – möchte ich den Lesern nicht vorenthalten (siehe auch den "Gästebuch"-Eintrag (102) vom 18. Februar 2006.
Ich finde Ihre Beschreibungen so schön und sensibel, auch so phantasievoll, und differenziert; auch die Kurz-Beschreibungen der Theaterstücke. Nun habe ich heute Ihren Bericht über Helga Feddersen gelesen: mir ist es unbegreiflich, dass immer und immer wieder die Serie "Helga und die Nordlichter" nicht erwähnt wird; (1983 gedreht; 1984 gesendet (leider neben der "Sportschau"); von Helga Feddersen geschrieben, und von Marcus Scholz inszeniert. Ich spielte damals den Freund von "Helga" (Helga Feddersen), dann ihren Verlobten und Ehemann Hubert Hummel. Die Drehzeit gehört zur schönsten Zeit meines Lebens überhaupt! Ich war eines der "Nordlichter", genauso wie Evelyn Hamann und Ernst Fritz Fürbringer. Wir alle hatten – besonders durch Helga Feddersens glückliche und positiv-harmonische Einstellung zum Leben – so viel Spaß beim Drehen. Auch saßen wir jeden Abend nach Drehschluss in Husum am Hafen und aßen zusammen. Ich erinnere noch, wie Helga Feddersen zu Regisseur Marcus Scholz im Hafen von Husum hinüberrief (als er eine Einstellung zum 3. Mal wiederholen wollte): "Marcus! bitte inszeniere Dich nicht wund!" Ich musste so lachen! Nun ja.. vielleicht verstehen dies nur Schauspieler. Gut, diese Serie über 13 Folgen (25 Minuten eine Folge) wurde kein großer Erfolg, weil sie neben der Sportschau lief. Aber deswegen muss sie ja nun nicht schlecht sein. … Ich war damals glücklich wie noch nie, in diesem herrlichen Sommer an der Nordsee. (Wir drehten von Juni bis Oktober 1983) Auch im kürzlich gesendeten NDR-Bericht über Helga Feddersen – immerhin über 90 Minuten – wurde die von Helga geschriebene Serie "Helga und die Nordlichter" nicht erwähnt. Unbegreiflich. Helga Feddersen war ein so gutherziger Mensch. Als ich ein Lied aus dem "Weißen Rössl" singen musste (das wurde vorher aufgezeichnet, play-back), verhaute ich mich im Tonstudio zum 3. Mal bei einer Stelle, ich sang zu hoch, und schaute wohl sehr deprimiert. Da kam Helga Feddersen zu mir und raunte mir ins Ohr: "Michael, selbst professionelle Sänger brauchen manchmal 4 oder 5 Mal für ein Lied. Nun mach Dir nichts draus". Das war so ungeheuer lieb. Meine glücklichste Zeit in meinem Leben habe ich Helga zu verdanken. (Denn sie hat mich auch – wie ich während der Dreharbeiten erfuhr – besetzt. So auf diesem Weg: aus vollem Herzen DANKE, HELGA.
Michael Gahr
Filme
Kinofilme / Fernsehen
Filmografie bei der Internet Movie Database sowie filmportal.de
(Fremde Links: Wikipedia, filmportal.de, Die Krimihomepage,
fernsehserien.de, deutsches-filmhaus.de, tittelbach.tv, prisma.de)
Kinofilme Fernsehen (Auszug)
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