Vittorio Gassman 1997 auf dem Filmfestival in Cannes; Quelle:  Wikimedia Commons; Urheber: Georges Biard;  Lizenz CC-BY-SA 3.0. Vittorio Gassman wurde am 1. September 1922 als Sohn einer begüterten Familie in der italienischen Stadt Genua geboren und wuchs in Rom auf; sein Vater Heinrich Gassmann war ein Ingenieur aus Deutschland, seine Mutter Luisa Ambron stammte aus Pisa. Zunächst studierte Gassman Jura, besuchte dann aber – ermutigt durch seine Mutter –  in Rom die "Accademia Nazionale di Arte Dramatica" um Schauspieler zu werden. Nach dem Abschluss gab er 1943 in Mailand sein Bühnendebüt, hatte in den Nachkriegsjahren erste Erfolge mit der Theatertruppe um Luchino Visconti1) (1906 – 1976). Im Laufe der Jahre avancierte Gassman zu einem exzellenten Charakterdarsteller, brillierte in zahlreichen Klassikern, wurde vor allem als herausragender Shakespeare-Interpret bejubelt und von Kritikern oftmals als der "italienische Laurence Olivier" bezeichnet. 1951 gründete er zusammen mit Luigi Squarzina (1927 – 2010) eine eigene Theatergruppe, die "Compagnia del teatro di arte italiano", wurde bald als innovativster und größter Schauspieler seiner Generation gefeiert. 1954 ging Gassman auf eine Tournee durch Lateinamerika, 1956 wurde ein besonders erfolgreiches Jahr für den Mimen, mit großem Erfolg interpretierte er auf der Bühne den "Othello" neben dem berühmten italienischen Schauspieler Salvo Randone1) (1906 – 1991) – beide wechselten sich in den Rollen des "Mohrs von Venedig" und des "Jago" ab.
 
 
Foto: Vittorio Gassman 1997 auf dem Filmfestival in Cannes
Quelle:  Wikimedia Commons
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Mitte der 1940er Jahre kam der junge Schauspieler zum Film und gab sein Leinwanddebüt in dem Streifen ""Preludio d'amore" (1946); nach ein paar weiteren unwesentlichen Rollen verpflichtete ihn Goffredo Alessandrini für den Part des Matthew Blumenthal in seinem Film "L'ebreo errante" (1948). Anschließend bewies Gassman sein Können als Partner Silvana Magnanos in Guiseppe De Santis neorealistischem Meisterwerk "Riso amaro"1) (1949, Bitterer Reis) und wurde in Italien zum Star. Neben Silvana Magnano2) (1930 – 1989) war Gassman noch in drei weiteren Filmen zu sehen, unter anderem 1954 in Robert Rossens "Mambo".
Es folgten Kinoproduktionen, in denen er auf den Typ des "Latin Lover" festgelegt wurde, etwa das Abenteuer "Il leone di Amalfi" (1951, Der Löwe von Amalfi) oder "Il sogno di Zorro"1) (1952, Zorro, der Held), dann nahm Gassman kurzfristig ein Hollywoodangebot an, spielte in so mittelmäßigen Filmen wie "The Glass Wall" (1952, Die gläserne Mauer) und "Cry of the Hunted"3) (1953, Schrei des Gejagten) sowie als Partner von Elizabeth Taylor in "Rhapsody"1) (1954, Symphonie des Herzens). In nachhaltige Erinnerung ist er mit der Figur des Anatol Kuragin in King Vidors monumentalen, hochkarätig besetzten Tolstoi-Adaption "War and Peace"1) (1956, Krieg und Freieden) geblieben. Da ihm das amerikanische Studiosystem nicht zusagte und er auch die fremde Sprache nicht beherrschte, löste Gassman seinen Filmvertrag mit MGM und kehrte wieder nach Italien zurück.

Trotz seiner umfangreichen Arbeit für das Theater blieb Gassman dem Filmgeschäft stets verbunden und drehte in der Folgezeit zahlreiche Kinoproduktionen, in denen er mit den Jahren immer mehr gebrochene Charaktere zeichnete. 1958 übernahm er in Mario Monicellis Komödie "I soliti ignoti" (Diebe haben's schwer) an der Seite von Totň die Rolle des stammelnden Diebes und etablierte sich damit als führender Schauspieler der "commedia all'italiana". Zu seinen reifsten Leistungen zählt die Rolle des Giovanni Busacca an der Seite von Alberto Sordi und Silvana Mangano in dem Kriegsdrama "La grande guerra"1) (1959, Man nannte es den großen Krieg) sowie die des Bruno Cortona neben Jean-Luis Trintignant in Dino Risis bitterer Komödie "Il sorpasso"1) (1962, Verliebt in scharfe Kurven). 1961 agierte Gassman in Dino Risis Komödie "Il mattatore" (Der Meistergauner) und konnte für seine Darstellung des Gerardo von Publikum und Presse viel Lob ernten; seitdem wurde "Il mattatore" zu seinem Spitznamen, der ihn bis zu seinem Tod begleitete.
Gassman zeigte sich mit Hauptrollen in Erfolgsfilmen wie "Fantasmi a Roma"1) (1961, Das Spukschloß in der Via Veneto), "Il giudizio universale"1) (1961, Das Jüngste Gericht findet nicht statt) oder "Barrabas"1) (1961), wo er an der Seite von Titelheld Anthony Quinn als dessen Mitsträfling Sahek auftauchte. In Dino Risis Gesellschaftssatire "I mostri"1) (1963) übernahm er ebenso diverse Rollen wie in dem Episodenfilm "Se permettete parliamo di donne"1) (1964, Frivole Spiele), präsentierte sich in der heiteren Geschichte "Frenesia dell’estate"1) (1964, Ein verrückter Sommmer) oder dem internationalen Thriller "Spione unter sich"1) (1965).
Mit Catherine Spaak drehte Gassman "L’armata Brancaleone"1) (1966, Die unglaublichen Abenteuer des hochwohllöblichen Ritters Branca Leone) und glänzte einmal mehr als tragikomischer Ritter, fortgesetzt wurde die Geschichte mit "Brancaleone alle crociate"1) (1970, Brancaleone auf Kreuzzug ins Heilige Land). Zu einem Kino-Highlight mit Gassman geriet "Una su 13"1) (1969, Zwölf plus eins), eine erneute Variation des russischen Schelmenromans "Zwölf Stühle"1) der sowjetischen Schriftsteller Ilja Ilf1) und Jewgeni Petrow1).

"Zwölf plus eins"1) (1969, "Una su 13"): Szenenfoto mit Vittorio Gassman als der Friseur bzw. Erbe Mario Beretti und Sharon Tate1) als Pat; mit freundlicher Genehmigung von Pidax-Film, welche die Komödie Mitte Juli 2022 auf DVD herausbrachte.

"Zwölf plus eins"1) (1969, "Una su 13"): Abbildung DVD-Cover mit freundlicher Genehmigung von Pidax-Film, welche die Komödie Mitte Juli 2022 auf DVD herausbrachte.

"Zwölf plus eins" (1969, "Una su 13"):
Abbildung DVD-Cover sowie Szenenfoto mit
Vittorio Gassman als der Friseur bzw. Erbe Mario Beretti und Sharon Tate1) als Pat
Mit freundlicher Genehmigung von Pidax-Film, welche
die Komödie Mitte Juli 2022 auf DVD herausbrachte.

 In der anekdotisch angelegten, gesellschaftskritischen Komödie "In nome del popolo italiano"1) (1971, Abend ohne Alibi), die vor allem dank der schauspielerischen Glanzlichter unterhält4), überzeugte der Schauspieler mit der Figur des Großindustriellen Santenocito, für seine Verkörperung der vielschichtigen Männerfigur des verbitterten blinden Capitano Fausto Consolo in Dino Risis Tragikomödie "Profumo di donna" (1974, Der Duft der Frauen) wurde Gassman 1975 bei den Internationalen Filmfestspielen Cannes als "Bester Darsteller" ausgezeichnet. Gute Kritiken erhielt er auch für seinen Part des Gianni Perego in der wehmütigen Komödie "C'eravamo tanto amati"1) (1974, Wir hatten uns so geliebt), zwei Jahre später übernahm Gassman erneut Aufgaben in ausländischen Kinoproduktionen, spielte unter anderem in den USA unter der Regie von Robert Altmann in der Gesellschaftssatire "A Wedding"1) (1978 Eine Hochzeit) und in dem postapokalyptischen Katastrophenstreifen "Quintet"1) (1979, Quintett) sowie in Frankreich in Alain Resnais "La vie est un roman" (1983, Das Leben ist ein Roman). In André Delvaux' Literaturadaption "Benvenuta"1) (1983, Das anonyme Bekenntnis), ein belgisch-französisch-italienisches Filmdrama mit Fanny Ardant als Partnerin, schlüpfte er in die Rolle des älteren Anwalts Livio Carpi.
 
Seit Mitte der 1980er Jahre beschränkte sich Gassman auf kleine, aber gewichtige Filmrollen, während er weiter regelmäßig Theater spielte. So glänzte er beispielsweise als Familienpatriarch Carlo in Ettore Scolas preisgekrönten Familiensaga "La famiglia"1) (1987, Die Familie), mimte den Sindbad in "Les 1001 nuits" (1990, Sheherazade – Mit 1001 PS ins Abenteuer) oder tauchte auf dem Bildschirm in der zweiteiligen Bibel-Verfilmung "Abraham"1) (1993) als Abrahams Vater Terach neben Protagonist Richard Harris auf. Man sah Gassman als Mafioso King Benny in dem packenden Drama "Sleepers" (1996) nach dem gleichnamigen Roman von Lorenzo Carcaterra, in Ettore Scolas Komödie "La cena" (1998) als alten Lehrer Pezzullo, seine letzte Leinwandrolle war die des Don Vito Bracalone in der Komödie "La bomba" (1999) von Regisseur Giulio Base.
 
Vittorio Gassman stand auch verschiedentlich selbst hinter der Kamera, sein Regiedebüt gab er 1956 zusammen mit Francesco Rosi mit dem Biopic "Kean" (Genie und Wahnsinn), wo er auch selbst die Titelfigur des genialen englischen Schauspielers Edmund Kean1) (1787 – 1833) spielte, der durch sein abenteuerliches, zügelloses Leben von sich reden machte. Fünf weitere Arbeiten sollte für Film und Fernsehen folgen, unter anderem der für das Kino inszenierte Episodenfilm "L'alibi" (1968) mit ihm in der männlichen Hauptrolle, sowie 1982 – zusammen mit seinem Sohn Alessandro – die biografische Selbstdarstellung "Di padre in figlio".

Gassman, der 1980 in Florenz die Schauspielschule "Bottega teatrale" gegründet hatte, sah sich trotz seiner beachtlichen Filmografie bzw. Leinwanderfolge vornehmlich als Theaterschauspieler, fühlte sich Künstlern wie Eduardo de Filippo1) (1900 – 1984) und Dario Fo1) verbunden. Unter anderem bereiste er 1984/85 im Rahmen einer Tournee mit einem Solo-Programm die USA, 1987 begeisterte er das europäische Publikum gemeinsam mit Sohn Alessandro mit Aufführungen einer Tragödie nach der Vorlage des italienischen Filmregisseurs, Dichters und Publizisten Pier Paolo Pasolini1) (1922 – 1975). Gassmans Engagement für das Theater brachte ihm vier Mal die Auszeichnung als "Bester italienischer Schauspieler" ein. Alleine neun Mal konnte er zwischen 1958 und 1996 den bedeutendsten italienischen Filmpreis "David di Donatello"1) entgegen nehmen sowie zwischen 1959 und 2000 sechs Mal den "Nastro d’Argento" (dt. das "Silberne Band) der italienischen Filmjournalisten; letztgenannte Ehrungen erhielt er unter anderem 1963 als "Bester Hauptdarsteller" in "Il sorpasso"1) (1962, Verliebt in scharfe Kurven). Weitere Auszeichnungen war etwa der Verdienstorden "Grande Ufficiale dell'Ordine al Merito" der Republik Italien (1987), der "Prinz-von-Asturien-Preis"1) (1997) und die "Goldmedaille für Verdienste um Kunst und Wissenschaft" (1999, "Medaglia d'oro ai benemeriti della cultura e dell'arte").
 
Nicht nur als Theater- und Filmschauspieler machte sich Gassman einen Namen, auch als Autor und Übersetzer – im Besonderen der Shakespeareschen Dramen – erlangte er Reputation. 1981 erschien seine zynische, aber zugleich naive Autobiographie "Un grande avvenire dietro le spalle" sowie 1990 sein Roman "Memorie del sottoscala", eine Geschichte, in der er seine persönlichen Depressionserfahrungen verarbeitet hat. Zu diesen Büchern gesellen sich Gedichtbände (vor allem Vocalizzi) und Theatertexte.

Vittorio Gassman, der in den letzten Jahren unter starken Depressionen litt, starb in der Nacht vom 28. auf den 29.  Juni 2000 im Alter von 77 Jahren in seinem Haus in Rom an den Folgen eines Herzinfarktes. Die letzte Ruhe fand er auf dortigen "Cimitero Comunale Monumentale Campo Verano" → www.findagrave.com.
Er war von 1944 bis 1952 mit der italienischen Schauspielerin Nora Ricci (1924 – 1976) verheiratet; aus der Verbindung stammt die 1945 geborene Tochter Paola, die sich ebenfalls einen Namen als herausragende Theaterschauspielerin gemacht hat. Während seines kurzen Aufenthaltes in Hollywood lernte der italienische Star Shelley Winters2) (1920 – 2006) kennen und lieben. Die beiden heirateten 1952, ließen sich jedoch bereits zwei Jahre später wieder scheiden; aus dieser Ehe stammt die 1953 geborene Tochter Vittoria-Gina Gassman, die später Ärztin wurde. Als Ehefrau Nummer 3 erwählte der Mime 1972 die italienische Schauspielerin  Diletta D'Andrea, die ihm 1980 Sohn Jacopo schenkte und bis zu seinem Tod an seiner Seite war. Aus Gassmans Beziehung mit der französischen Schauspielerin Juliette Mayniel1) stammt der 1965 geborene Sohn Alessandro Gassman1), der ebenfalls Schauspieler wurde und auch als Regisseur und Drehbuchautor reüssierte. 
Siehe auch Wikipedia, www.prisma.de, www.whoswho.de
Link: 1) Wikipedia, 2) Kurzportrait innerhalb dieser HP, 3) prisma.de
4) Lexikon des internationalen Films
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(Link: Wikipedia und (in Klammern)  prisma.de)
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