Giuseppe Di Stefano, 1955 fotografiert von Fritz Eschen (1900–1964); Quelle: Deutsche Fotothek, (file: df_e_0057227); Copyright SLUB Dresden/Deutsche Fotothek/Fritz Eschen; Urheber: Fritz Eschen; Datierung: 1955; Quelle: www.deutschefotothek.de Der italienische Tenor Giuseppe Di Stefano wurde am 24. Juli 1921 als Sohn eines Polizisten und einer Schneiderin im sizilianischen Motta Santa Anastasia (bei Catania) geboren; während seiner Schulzeit von Jesuiten am Seminar von St. Avialdo unterrichtet, wollte er als Junge eine Zeit lang Priester werden. Seine Familie war nicht begütert, ermöglichten ihrem Sohn jedoch unter großen Opfern ein Gesangsstudium in Mailand bei dem Bariton Luigi Montesanto (1887 – 1954), wo er auch an den Meisterkursen von Mariano Stabiles1) (1888 – 1968) teilnahm. Als der 2. Weltkrieg begann, musste Di Stefano seine Ausbildung unterbrechen, wurde zum Militär eingezogen, setzte sich dann 1943 auf der Flucht vor den deutschen Truppen in die Schweiz ab. Dort hielt er sich unter dem Namen "Nino Florio" mit Auftritten in Cafés, Restaurants und kleineren Theatern über Wasser, kam später bei Lausanne in ein Internierungslager, wo er bei einer im Lager mit den Insassen von Radio Lausanne produzierten Sendung mit seiner wunderschönen Stimme auffiel. Die Verantwortlichen des Senders setzten es durch, dass der junge Mann seine Stimme weiter ausbilden konnte, um bei einigen Rundfunkaufnahmen mitwirken zu können und er nahm auch einige Schallplatten auf.
 
Giuseppe Di Stefano, 1955 fotografiert von Fritz Eschen1) (1900–1964)
Quelle: Deutsche Fotothek, (file: df_e_0057227)
© SLUB Dresden/Deutsche Fotothek/Fritz Eschen
Urheber: Fritz Eschen; Datierung: 1955;
Quelle: www.deutschefotothek.de; Genehmigung zur Veröffentlichung: 30.03.2017
Nach Kriegsende kam er nach Italien zurück und nahm noch eine Zeit lang Unterricht bei Luigi Montesanto, der später auch sein Manager wurde. Sein eigentliches Debüt als Tenor gab Di Stefano am 20. April 1946 am "Teatro Municipale" von Reggio nell'Emilia, wo er als Student Renato Des Grieux in Puccinis romantischen Oper "Manon Lescaut"2) Furore machte – der "Des Grieux" blieb zeitlebens eine seiner glänzendsten Figuren. Im gleichen Jahr wurde er an das "Teatro Liceo" in Barcelona eingeladen und avancierte in nur kurzer Zeit zu einem der umjubeltsten lyrischen Tenöre seiner Generation. Der Sizilianer besaß als junger Sänger eine einschmeichelnd klangschöne, weich-timbrierte und sinnliche Stimme, ganz gewiss den verführerisch-sinnlichstenTenor seit der Zeit des jungen Gigli. Es war ein lyrischer Tenor mit großem Volumen und mittlerem Umfang.3)  
Über Rom kam Di Stefano 1948 an die Mailänder "Scala", wenige Monate später an die New Yorker "Metropolitan Opera", wo er aufgrund von Differenzen mit dem damaligen Intendanten Rudolf Bing2) (1902 – 1997) nur bis 1950 auf der Bühne stand. Aber auch ohne die "Met" feierte Di Stefano, von allen Opernfans nur "Pippo" genannt, weltweit Triumphe, ab 1951 gehörte er zum festen Ensemble der "Scala", bedeutende europäische Opernhäuser wie in Wien, London oder Paris rissen sich um den Tenor, in Chicago, San Francisco, Mexico City, Buenos Aires, Rio de Janeiro und Johannesburg gehörten Vorstellungen mit Di Stefano zu den kulturellen Höhepunkten und auch den Festspielen in Verona und Edinburgh verlieh er mit seiner Stimme einen besonderen Glanz.
Zu seinem herausragenden Repertoire zählten beispielsweise der Graf Almaviva in Rossinis "Der Barbier von Sevilla"2), der Prinz Kalaf in Puccinis "Turandot"2), der Lord Arturo Talbo in Bellinis "I puritani"2) (Die Puritaner), der Fernando in Donizettis "La Favorite"2) (Die Favoritin) oder der Herzog von Mantua in Verdis "Rigoletto"2) Als Verdi-Interpret brillierte er unter anderem mit der Titelpartie in "Der Troubadour"2), als Alfredo Germont in "La Traviata"2), als Mestize Alvaro in "Die Macht des Schicksals"2), als ägyptischer Feldherr Radames in "Aida"2) oder als Fenton in "Falstaff"2) – um nur Einiges zu nennen. Mit der Titelrolle in Gounods "Faust"2) hatte Di Stefano bereits 1949 an der "Met" begeistert, in Mailand wurde er 1954 als Sir Edgardo di Ravenswood in Donizettis "Lucia di Lammermoor"2) gefeiert – mit Herbert von Karajan am Dirigentenpult, ebenso wie ein Jahr später in Berlin. Über viele Jahre hinweg war Maria Callas4) (1923 – 1977) eine seiner bevorzugten Partnerinnen, mit ihr hatte er seine triumphalsten Auftritte und nahm auch viele Schallplatten mit der legendären Operndiva auf, wie etwa die "Tosca"-Einspielung unter Victor De Sabata.

Anfang der 1960er Jahre begann Di Stefanos Ruhm als Verdi-Tenor zu verblassen, seine Stimme war nicht für "schwere" Partien geeignet. 1963 beispielsweise stellten sich Probleme bei einer Vorstellung von "La Bohème" am Londoner "Covent Garden" ein – er wurde durch einen "Newcomer" ersetzt – Luciano Pavarotti4) (1935 – 2007). Anfang der 1970er Jahre unternahm er mit Maria Callas noch einmal eine große Konzerttournee, die er jedoch 1974 abrupt abbrechen musste und so diejenigen Kritiker bestätigte, die technische Unvollkommenheit seines Singens bereits auf dem Höhepunkt seiner Karriere gerügt, ihm den baldigen stimmlichen Ruin prophezeit hatten. …Auf der anderen Seite steht das Urteil des englischen Experten John Steane, der Di Stefano eine der besten Tenorstimmen des Jahrhunderts zuschreibt.5)
1966 wurde der Tenor von der Berliner Oper zu einer Aufführung von Franz Léhars Operette "Das Land des Lächelns"2) eingeladen und als "Richard-Tauber-Nachfolger" vom Berliner Publikum mit frenetischen Beifall bedacht; die Aufführung geriet später mit einer Tournee durch ganz Europa und Nordamerika auch zu einem weltweiten Erfolg. Di Stefano stand in der Folgezeit nur noch selten auf der Opernbühne, seine Auftritte beschränkten sich auf wenige Vorstellungen im Jahr. 1973 nahm Di Stefano dann in Turin mit Verdis "Die Sizilianische Vesper"2) vorerst seinen Abschied von der Opernbühne und gab in den 1970er und 80er Jahren vornehmlich Konzert- und Recital-Abende. Seinen letzten Auftritt hatte der damals 71-Jährige im Juni 1992 in Rom, wo er als Kaiser Altoum in Puccinis "Turandot"2) einen letzten Triumph feierte.
 
Der berühmte Tenor, der im Jahre 2001 bei bester Gesundheit seinen 80. Geburtstag feiern konnte, lebte nach mehreren Comeback-Versuchen lange Jahre gemeinsam mit seiner deutschen Ehefrau Monika Curth wechselweise in der Nähe von Como sowie in Diani an der Küste Kenias südlich von Mombasa. Ende 2004 wurde er dort von Unbekannten überfallen und schwer verletzt, fiel ins Koma und musste in einem Krankenhaus in Mombasa zwei Mal operiert werden. Da sich der Gesundheitszustand jedoch nicht verbesserte, entschied die Familie, den Tenor in die Neurochirurgische Abteilung der Klinik San-Raffaele in Mailand zu verlegen. Di Stefano erholte sich nicht mehr von seinen schweren Verletzungen, im Dezember 2007 fiel er erneut in ein Koma, am 3. März 2008 starb er 86-jährig in seinem Wohnhaus in der Nähe von Mailand. Er sei "friedlich eingeschlafen", äußerte seine Ehefrau gegenüber der Presse. Die Beisetzung fand in dem Örtchen Santa Maria Hoé statt, wo Di Stefano seine letzten Lebenszeit verbracht hat. Unter anderem würdigte Italiens Kulturminister Francesco Rutelli Di Stefano als "Tenor mit einer unvergleichlichen Stimme" und "Beispiel für kulturelle Exzellenz".

Eine ausführliche Biografie zu Giuseppe Di Stefano – mit einem Vorwort von Luciano Pavarotti – erschien von Thomas Semrau unter dem Titel "Alles oder nichts. Giuseppe Di Stefano". Aus Gesprächen mit Giuseppe Di Stefano, Meinungen von Kollegen und Dirigenten, umfangreichem zeitgenössischem Material, Kritiken der internationalen Presse und persönlichen Erfahrungen entsteht ein Zugang zu Leben und Karriere des einmaligen Künstlers, den die nachfolgende Generation von Tenören mehr oder weniger geschlossen zu ihrem Vorbild erklärt hat. Die Biographie ist reich bebildert und enthält eine detaillierte Chronologie und Diskographie. Eine CD mit seltenen Aufnahmen des Künstlers macht das Buch auch zu einem Hörvergnügen.6)
 

Siehe auch Wikipedia sowie die Nachrufe bei www.spiegel.de und www.welt.de
Link: 1) Wikipedia (englisch), 2) Wikipedia (deutsch), 4) Kurzportrait innerhalb dieser HP
Quelle:
3) Jürgen Kesting: "Die Großen Sänger des 20. Jahrhunderts", Sonderausgabe für Cormoran Verlag München, 1993, S. 677
5) "Grosse Stimmen" von Jens Malte Fischer, Verlag J. B. Metzeler, Stuttgart 1993, S. 344/345
6) Zitat: www.residenzverlag.at
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