Der schwedische Tenor Nicolai Gedda wurde am 11. Juli 1925 als Harry Gustaf Nikolaj Gädda in Stockholm geboren. Sein Vater Nikolaj Gädda war russischer Abstammung, seine Mutter Clary Linnea Lindberg Schwedin. Die Familie lebte in ärmlichen Verhältnissen, seine Eltern waren schließlich in den wirtschaftlich schwierigen Zeiten nicht mehr in der Lage, ihren Sohn zu ernähren und so wuchs der kleine Nicolaj zunächst in einem Waisenhaus, später bei der Tante väterlicherseits auf. Seine Tante Olga war mit Michail Ustinow, einem Weißrussen, der nach der Revolution von 1917 emigriert war und den Donkosakenchor mitbegründet hatte, verheiratet. Das Paar adoptierte den kleinen Nicolaj, dieser trug somit den Namen "Ustinow" und betrachtete die beiden als seine eigentlichen Eltern. Über Geddas Herkunft und Herkommen gab es lange Zeit verwirrende Ansichten, vor allem, weil er selbst die Mitwelt darüber im Unklaren ließ. Ein klärendes Wort hat Gedda für seine deutschen Verehrerin in einem ertragreichen Interview gesprochen, das er 1988 für die "Opernwelt" gegeben hat.1)

Nicolai Gedda, 1974 fotografiert von Hansjoachim Mirschel (1934–2009)
Quelle: Deutsche Fotothek, (file: df_pos-2004-b_0000038)
Eigentümer/© SLUB Dresden/Deutsche Fotothek/Hansjoachim Mirschel;
Datierung: 06./07.1974; Quelle: www.deutschefotothek.de;
Genehmigung zur Veröffentlichung: 30.03.2017

Nicolai Gedda, 1974 fotografiert von Hansjoachim Mirschel (1934–2009); Quelle: Deutsche Fotothek, (file: df_pos-2004-b_0000038); Eigentümer/Copyright SLUB Dresden/Deutsche Fotothek/Hansjoachim Mirschel; Datierung: 06./07.1974; Quelle: www.deutschefotothek.de
Als Nicolaj vier Jahre alt war, übersiedelte Michail Ustinow mit seiner Familie nach Leipzig, als er dort an der Russisch-Orthodoxen Kirche eine Stelle als Kantor antrat. Bereits als Kind erhielt Nicolaj durch seinen Adoptivvater Gesangs- und Musikunterricht und sein stimmliches Talent ließ bereits zu dieser Großes ahnen. 
Mit der Machtergreifung der Nationalsozialisten verlor Michail Ustinow seine Stelle, die Familie beschloss, wieder ins schwedische Stockholm zurückzukehren, wo Nicolaj dann ab 1934 auch die Schule besuchte und im Frühjahr 1945 sein Abitur machte. Bis er zu einem der größten Tenöre seiner Zeit avancierte, waren in den folgenden Jahren noch einige Hindernisse zu überwinden. Er absolvierte eine Banklehre, wurde 1946 zum Militärdienst einberufen und nach seiner Entlassung arbeitete er zunächst einige Zeit lang als Angestellter bei einer Bank. Doch dann begann er, seine wunderschöne Stimme professionell ausbilden zu lassen; zu seinen Vorbildern zählten Beniamino Gigli2) (1890 – 1957), Jussi Björling2) (1911 – 1960), Richard Tauber2) (1891 – 1948) und Helge Rosvaenge2) (1897 – 1972).
Nicolai Gedda, wie er sich nun mit Künstlernamen nannte, studierte ab Herbst 1949 in seiner Heimatstadt bei Carl Martin Oehmann3) (1887 – 1967), einem früheren Heldentenor der Berliner Städtischen Oper, den er über einen Kunden der Bank kennengelernt hatte, und anschließend setzte er seine Ausbildung an der Stockholmer Musikakademie fort. In späteren Jahren, als Gedda schon ein arrivierter und berühmter Sänger war, nahm er noch Unterricht bei Paola Novikova in New York.

Sein Bühnendebüt gab Gedda dann am 8. April 1952 am "Königlichen Theater" von Stockholm mit der Titelrolle des Postillons Chapelou in Adolphe Adams Oper "Der Postillon von Lonjumeau"4). Über Nacht wurde der Tenor bekannt, die anschließende Begegnung mit dem großen Produzenten klassischer Musik auf Schallplatten, Walter Legge4) (1906 – 1979), der gerade eine Schallplattenproduktion des Mussorgskischen "Boris Godunow"4) mit dem großen bulgarischen Bassisten Boris Christoff2) (1914 – 1993) in der Titelrolle plante, förderte Geddas kometenhaften Aufstieg. Die Rolle des "falschen Dimitri" war für den Sänger die Eintrittskarte in die europäische Musikwelt. Schnell machte Nicolai Gedda sich einen internationalen Namen als herausragender lyrischer Tenor seiner Zeit, schon 1952 wirkte er an der Pariser Oper in einer Aufführung des "Oberon"4) von Carl Maria von Weber mit, ein Jahr später interpretierte er an der Mailänder "Scala" unter Herbert von Karajan den Don Ottavio in Mozarts "Don Giovanni"4).

Im Verlaufe der nächsten Jahre brillierte Gedda an allen bedeutenden Opernbühnen, riss sowohl das Publikum als auch die Fachwelt zu Begeisterungsstürmen hin. 1954 beispielsweise sang er bei den Festspielen in Aix-en-Provence den Edelmann Belmonte in Mozarts "Die Entführung aus dem Serail"4), den männlichen Titelpart in Glucks "Orpheus und Eurydike"4), den Thespis in Jean-Philippe Rameaus komischen Oper "Platée"4) sowie den Ferrando in Mozarts "Così fan tutte"4). Am Londer "Covent Garden" glänzte er im gleichen Jahr als Herzog von Mantua in Verdis "Rigoletto"4) und in Wien wirkte er im Musikverein bei einer konzertanten Aufführung von Bizets "Carmen"4) mit. 1956 nahm Gedda seine Beziehungen zur "Königlichen Oper Stockholm" wieder auf und sang als Gast vier Mozartrollen sowie als Verdi-Interpret den Herzog in "Rigoletto" und den Alfredo Germont in "La Traviata"4). 1966 gestaltete er dort mit dem "Lohengrin"4) die erste Wagnerpartie, ein Jahr zuvor war er zum " Königlich Schwedischen Hofopernsänger" ernannt worden.
Sein Debüt an der New Yorker "Metropolitan Opera" gab Gedda 1957 mit der Titelrolle in Gounods "Faust"4)  in einer französischen Neuproduktion des Werkes, sang dort wenig später in italienischer Sprache den Don Ottavio in Mozarts "Don Giovanni" sowie anlässlich der Uraufführung von Samuel Barbers Oper "Vanessa"4) am 15. Januar 1958 den Anatol; in den kommenden Jahren sang Gedda an der "Met" insgesamt 27 verschiedene Rollen in 26 Spielzeiten.

Der Startenor Gedda reiste von Konzert zu Konzert rund um den Globus, sang mehr als 60 Rollen in Oper, Operette und Oratorium, ohne sich auf ein bestimmtes Fach zu spezialisieren, und hatte rund zweihundert Lieder (Einzelvorträge) in schwedischer, italienischer, deutscher, russischer, französischer und englischer Sprache im Repertoire. Seine Partien alle aufzuführen, würde den Rahmen sprengen, er wurde mit Titelrollen in Mozart-Opern ebenso gefeiert wie als Rossini-Interpret, er dominierte in Opern von Bellini, Donizetti, Verdi, Puccini, Flotow, Lortzing, Bizet, Tschaikowsky oder Offenbach wie in Operetten von Strauß, Millöcker oder Léhar. Seine Stimme hatte dank seiner eigener Einschätzung – er übte immer kluge Zurückhaltung, was seine Rollenplanung anbelangte und überbeanspruchte nie seine Stimme – sowie eiserner Disziplin bis ins Alter Tiefe und Volumen, selbst mit 75 Jahren gab er noch beeindruckende Liederabende. Nicolai Gedda war zweifellos der sprachgewandteste aller berühmten Tenöre des 20. Jahrhunderts: Er beherrscht akzentfrei sowohl Schwedisch, Russisch und Deutsch als auch Italienisch, Französisch und Englisch. Sein Repertoire war dementsprechend riesig (etwa 50 verschiedene Opernpartien) und sein diskographischer Nachlass quantitativ dem der meisten seiner Kollegen weit überlegen ("the world's most recorded tenor").5)
Zahllose Schallplatten zeugen von Geddas Vielseitigkeit, sei es im "ernsten" Fach oder mit Aufnahmen der sogenannten "leichten Muse", er glänzte in Bachs "h-moll-Messe" ebenso wie in Opern und Operetten und viele seiner Lieder sind bis heute unvergessen. Von der Fachkritik wurde Gedda als "einer der vielseitigsten, stilsichersten und technisch perfektesten Sänger der Nachkriegszeit" bezeichnet.
  
Nicolai Gedda, der 1968 Schweizer Staatsbürger wurde und in einer kleinen Villa in Tolochenaz bei Morges am Genfer See wohnte, gab 1983 an der Seite von Kiri Te Kanawa4) in Verdis "La Traviata" seine letzte Vorstellung an der "Met". Seine letzte Opernrolle übernahm er Ende Januar 1997 am Londoner "Covent Garden" als Patriarch Abdisu von Assyrien in Pfitzners "Palestrina"4), zog sich dann von der Bühne zurück und gab nur noch hin und wieder Liederabende.
Zuletzt lebte der Künstler zusammen mit seiner dritten Frau Aino Sellermark-Gedda in seiner Villa in der Schweiz; der Künstler war zuvor zwei Mal verheiratet: Seine erste Ehe, die sich bereits nach kurzer Zeit als spannungsreich erwies, hatte er 1953 mit einer Tochter russischer Emigranten geschlossen. Bereits 1954 wollte Gedda sich scheiden lassen, doch erst nach einem langwierigen Prozess, der wegen finanzieller Streitigkeiten rund zehn Jahre andauerte, konnte die Trennung in Frankreich offiziell bestätigt werden. Auch die zweite, überstürzt geschlossene Ehe war wieder geschieden worden.
Am am 11. Juli 2010 feierte der als "Poet unter den Tenören" gefeierte Künstler seinen 85. Geburtstag, das Geheimnis seiner langen Karriere: Disziplin und das Wissen um die Grenzen der Stimme. Vor zu schweren Rollen in jungen Jahren und all zu vielen Auftritten hat er sich gehütet. Das Leben jener Stars, die von Aufführung zu Aufführung jetten, kritisierte er scharf. "Lässt man dies zur Gewohnheit werden, um möglichst viel Geld zu verdienen, verkürzt man seine Karriere um mindestens zehn Jahre", schrieb Gedda in seiner Autobiografie.6)

Seine Erinnerungen, die von Aino Sellermark-Gedda aufgezeichnet wurden, veröffentlichte der Tenor 1998 unter dem Titel "Mein Leben – Meine Kunst". Das Buch enthält unter anderem auch Geddas komplette Diskografie, sein Opern-, Oratorien- und Operettenrepertoire mit Angaben zu seinen Vorstellungen. Abgerundet werden die Lebenserinnerungen dieses Ausnahmetenors durch zahlreiche Fotografien von Gedda, seiner Familie und seinen Auftritten.
Der vielfach ausgezeichnete Nicolai Gedda (→ Wikipedia) starb am 8. Januar 2017 im Alter von 91 Jahren in Tolochenaz (Kanton Waadt, Schweiz) an einen Herzstillstand. Auf seinen Wunsch hin wurde der Tod in seinem Haus bei Lausanne erst einen Monat später der Öffentlichkeit mitgeteilt.
Mehr Informationen zu dem berühmten Tenor findet man bei www.nicolai-gedda.de.
Siehe auch Wikipedia
Link: 2) Kurzportrait innerhalb dieser HP, 3) www.cantabile-subito.de, 4) Wikipedia
Quelle:
1) "Grosse Stimmen" von Jens Malte Fischer, Verlag J. B. Metzeler, Stuttgart 1993, S. 437
5) Wikipedia (abgerufen 30.12.2011)
6) www.focus.de
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