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Die deutsche Sopranistin Elisabeth Grümmer wurde am 31. März 1911
als Elisabeth Schilz und Tochter deutscher Eltern im Elsass-Lothringischen
Niederjeutz bei Thionville geboren. Als nach dem 1. Weltkrieg Elsass-Lothringen am 17.
Oktober 1919 nach kurzer Unabhängigkeit in die Französische Republik eingegliedert wurde, zog
der Vater, Werkmeister im Reichsbahn-Ausbesserungswerk, mit seiner Familie
in die südthüringische Theaterstadt Meiningen,
wo die junge Elisabeth später, zunächst gegen den Willen ihrer Eltern, auch die Schauspielschule besuchte und schon
dort beispielsweise als Klärchen in Goethes
"Egmont"1) auffiel; alles schien auf eine Karriere als
Schauspielerin hinzudeuten. In Meiningen lernte sie auch ihren
späteren Mann,
den Geiger und Kapellmeister des dortigen Landestheaters, Detlef Grümmer
kennen; 1935 heiratete das Paar.
Als Detlef Grümmer 1941 an das Aachener Stadttheater
engagiert wurde, zog die Familie Elisabeth Grümmer war inzwischen
Mutter geworden nach Aachen; dort erhielt sie auch
ein erstes Engagement als Schauspielerin, trat aber auch schon mal in
Spielopern oder Operetten auf.
Elisabeth Grümmer, 1955 fotografiert von Fritz
Eschen1) (19001964)
Quelle: Deutsche
Fotothek, (file: df_e_0057284);
© SLUB Dresden/Deutsche Fotothek/Fritz Eschen
Urheber: Fritz Eschen; Datierung: 17.11.1955;
Quelle: www.deutschefotothek.de
Genehmigung zur Veröffentlichung: 30.03.2017
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Der damalige, blutjunge Generalmusikdirektor
Herbert von Karajan1) (1908 1989) entdeckte ihre große stimmliche Begabung,
überzeugte sie, unter anderem bei der Gesangspädagogin Franziska Martienssen-Lohmann
(1887 1971) Unterricht zu nehmen und ermöglichte ihr das Debüt als Sängerin so als eines
der Blumenmädchen in Wagners "Parsifal"1); ihren
Durchbruch hatte Elisabeth Grümmer dann als "Octavian" in
"Der Rosenkavalier"1) von Richard Strauss. 1942 wechselte
die aufstrebende Sängerin an das Duisburger Stadttheater Duisburg, das
Engagement endete nach kurzer Zeit, als das Theater durch Bombenangriffe zerstört wurde.
Danach folgte bis 1944 ein kurzes Engagement in Prag. 1944 traf sie ihr größter persönlicher Schicksalsschlag,
als die Wohnung der Familie in Aachen durch einen Bombenvolltreffer vollständig zerstört wurde und dabei ihr
Ehemann umkam. Detlef Grümmer war die große Liebe ihres Lebens.
In seinem Gedenken wollte sie ihre Künstlerkarriere erfolgreich fortsetzen,
ihre gemeinsame Tochter großziehen und keine zweite Ehe mehr eingehen.2)
Nach 1945 wurde Elisabeth Grümmer Mitglied der "Städtischen Oper"
(heute "Deutsche Oper") in Berlin, der sie bis zum
Ende ihrer aktiven Laufbahn verbunden blieb.
Schnell machte sich Elisabeth Grümmer mit ihrer herausragenden,
reinen und klaren Sopranstimme einen internationalen Namen, Konzert- und Gastspielreisen
führten sie an die bedeutenden Opernhäuser der Welt, wie
beispielsweise dem Londoner "Covent Garden", der
Pariser "Grand Opéra", der Mailänder
"Scala", der New Yorker "Metropolitan Opera" oder
dem "Teatro Colón" in Buenos Aires; sie
brillierte in Hamburg ebenso wie in München, Salzburg, Wien oder
Bayreuth, wo sie zwischen 1957 und 1961 jährlich bei den Festspielen
auftrat.
Sie konzentrierte sich, ähnlich wie
Elisabeth Schwarzkopf3)
(1915 2006), auf ein relativ schmales Repertoire, mit dem
sie jedoch um so mehr ihre enorme sängerische Dominanz bewies. So
brillierte sie beispielsweise als Mozart-Interpretin mit der "Pamina" in "Die
Zauberflöte"1), gestaltete
ausdrucksstark die "Donna Anna" in "Don Giovanni"1)
unter Wilhelm Furtwängler bei den Salzburger Festspielen oder die "Elektra" in "Idomeneo"1).
Sie begeisterte als "Agathe" in Carl Maria von Webers "Der
Freischütz"1), als "Octavian" sowie als "Marschallin"
in "Der
Rosenkavalier"1) von Richard Strauss und machte als
Wagner-Sängerin Furore: So als "Elsa von Brabant" in "Lohengrin"1),
als "Elisabeth" in "Tannhäuser"1), als
"Eva" in "Die Meistersinger von Nürnberg"1)
oder
als "Gutrune" in "Götterdämmerung"1).
Aus dem
italienischen Fach gestaltete sie nur die "Desdemona" in "Otello"1),
die "Elisabeth von Valois" in "Don Carlos"1) und die
"Alice Ford" in "Falstaff"1) (alle Verdi) sowie die
"Mimi" in Puccinis "La Bohčme"1), nicht aber die
Cho-Cho-San in "Madame
Butterfly"1). "Meine Stimme hatte nicht den Biss für diese
Heroinen", soll sie einmal selbstkritisch gesagt haben.
Elisabeth Grümmer in der Oper "Dantons Tod" von Gottfried von Einem1),
1949 an der Berliner "Deutschen Staatsoper"
Quelle: Deutsche
Fotothek, (file: df_pk_0000768_005)
© SLUB Dresden/Deutsche Fotothek/Abraham Pisarek
Urheber: Abraham
Pisarek1) (19011983); Datierung: 06.1949
Quelle: www.deutschefotothek.de
Genehmigung zur Veröffentlichung: 30.03.2017
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Auch als Lied- und Oratoriensängerin
wurde Elisabeth Grümmer gefeiert, ihre Konzertabende mit Werken von beispielsweise
Brahms, Bach, Schubert oder Haydn waren stets ein künstlerischer
Höhepunkt für Freunde klassischen Musik; unvergessen bleibt vor
allem ihre Sopran-Partie der "Matthäus-Passion"1) von Johann Sebastian Bach.
Ihre Liederabende zeichneten sich durch eine beeindruckende
"Schlichtheit" aus: Jeder der Elisabeth Grümmer einmal
auf der Bühne gesehen hat, wird bestätigen, dass ihre Schallplatten
nur unvollkommen den Eindruck ihrer Persönlichkeit wiedergeben, die
ungekünstelte Naivität, die uneitle Präsentation ihrer erheblichen
stimmlichen Mittel, deren technische Beherrschung es ihr
ermöglichten, bis zum Beginn der 70er Jahre noch auf der Bühne zu
stehen.4)
Während ihrer Karriere erhielt Elisabeth Grümmer zahlreiche
Ehrungen: So hatte sie bereits 1951 den "Preis des deutschen Kritikerverbandes" in der Sparte
"Musik" entgegengenommen, 1965 wurde sie zur Professorin an der
"Berliner Musikhochschule" ernannt und noch kurz vor ihrem Tod mit der
Ehrenmitgliedschaft von der "Deutschen Oper" in Berlin gewürdigt. Von 1977 bis zu ihrem Tod war sie Vorsitzende der
"Gesellschaft der Freunde der Staatlichen Hochschule für Musik und darstellende Kunst in Berlin e.V."
(heute "Paul-Hindemith-Gesellschaft"1) in Berlin e.V.). Als
Musikpädagogin lehrte sie auch in Hamburg sowie auf Einladung des
französischen Opernintendanten Bernard Lefort (1922 1999)
an der "École de chant" der Pariser Oper.
Die Opern- und Kammersängerin Elisabeth Grümmer, die neben Lotte Lehmann3)
(1888 1976), Erna Berger3)
(1900 1990), Martha Mödl (1912 2001),
Elisabeth Schwarzkopf3)
(1915 2006), Hilde Güden1)
(1917 1988) und Gundula Janowitz1) zu den herausragenden deutschen Sopranistinnen
des 20. Jahrhunderts gehörte, starb am 6. November 1986 mit 75 Jahren im
nordrhein-westfälischen Warendorf; ihre letzte Ruhe fand
sie auf dem Friedhof im benachbarten Everswinkel.
Zu ihren Ehren und zur Erinnerung wurde durch den Verkehrs- und Verschönerungsverein Alsbach am 4. April 2014
gegenüber ihrem Wohnhaus in Alsbach-Hähnlein zwischen Weinbergstraße und Hochstraße
eine Treppe und Stieg in "Elisabeth-Grümmer-Stieg" benannt.5) → Foto bei
Wikimedia
Commons.
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