Der italienische Tenor Franco Corelli wurde am 8. April 1921 als Sohn eines Werftarbeiters in Ancona geboren. Bevor er nach überwiegend autodidaktischen Studien eine kurze Gesangsausbildung an den Konservatorien von Pesaro und Mailand absolvierte, arbeitete er als angehender Schiffbauingenieur; das Patent als Geometer und Schiffsmaschinenmeister hatte er bereits erworben. Zunächst wollte seine Sängerkarriere nicht so recht in Gang kommen; 1950 gewann er zwar einen Gesangwettbewerb des "Maggio Musicale" in Florenz, doch es sollte noch vier Jahre dauern, bevor er – mit bereits 33 Jahren – in der Rolle des "Licino" in Gaspare Spontinis Oper "La vestale" als Partner der Primadonna Maria Callas1) (1923 – 1977) an der Mailänder "Scala" debütierte; zuvor hatte er auf Provinzbühnen gestanden und unter anderem zwei Jahre lang im italienischen Rundfunk gesungen. Mit seinem Auftritt an der "Scala" schaffte er den internationalen Durchbruch und begeisterte mit seiner Stimme, aber auch seiner blendenden Erscheinung, das Publikum in aller Welt. Der außergewöhnlich große schlanke Mann mit dem Aussehen und der Ausstrahlung eines Hollywoodstars wie Gary Cooper oder Robert Taylor avancierte zu einem der führenden dramatischen Tenöre des italienischen Repertoires.

Ab Mitte der 1950er Jahre sang der "Apollo des Bel Canto", wie er von manchen bezeichnet wurde, bis 1961 jährlich in der "Arena di Verona" sowie während des "Maggio Musicale Fiorentino", er brillierte an der Wiener Staatsoper ebenso wie am Londoner "Covent Garden" gab Gastspiele in Salzburg, Paris, Chicago oder San Francisco. 1957 beispielsweise machte er an der Londoner Königlichen Oper Furore als Maler Cavaradossi in Puccinis "Tosca"2), 1962 beeindruckte er während des Festivals in Spoleto als Sergeant Don José in Bizets "Carmen"2), zwei Jahre zuvor hatte er als Titelheld Manrico in Verdis "Der Troubadour"2) an der New Yorker "Metropolitan Opera" sein Debüt an der Seite von Leontyne Price2) gegeben und wurde frenetisch gefeiert. Fünfzehn Jahre lang stand er an der "Met" auf der Bühne, sang mehr als 360 Vorstellungen, seinen letzten Auftritt hatte er dort im Sommer 1975 mit Puccinis "La Bohème"2). Seine Sangeskollegen hatten es nicht immer leicht mit ihm, da Corelli unter fast krankhaftem Lampenfieber litt und dazu ein cholerisches Temperament hatte. Joan Downs berichtet in dem von Herbert A. Breslin editierten Buch "The Tenors" über teils kindliche, teils kindische Ausbrüche von Eitelkeit, verletztem Stolz, Wut und Neid, von Kämpfen mit dem Bassisten Boris Christoff und Fermaten-Duellen mit Diven, von Prügeleien gar mit den Fans anderer Sänger: "Ich lebe auf meinen Nerven" war die Erklärung des jähzornigen Sanguinikers…3)

Während seiner Karriere als international gefeierter Tenor glänzte Corelli in den großen Rollen seines Fachs: Als Verdi-Interpret gestaltete er die Titelrollen in "Ernani"2), "Der Troubadour" und "Don Carlos"2), den Krieger Arrigo in "Die Schlacht bei Legnano"2), den Feldherrn Radames in "Aida"2) oder den Mestizen Alvaro in "Die Macht des Schicksals"2). In Puccini-Opern begeisterte er als Poet Rudolfo in "La Bohème", als Cavaradossi in "Tosca", als Bandit Dick Johnson in "Das Mädchen aus dem Goldenen Westen"2) oder als Prinz Kalaf in "Turandot"2). Corelli gestaltete Gounods "Faust"2) oder Romeo ("Romeo und Julia") ebenso brillant wie den Don José"in Bizets "Carmen", den jungen Bauern Turiddu in Mascagnis "Cavalleria Rusticana"2), den Canio in Leoncavallos "Der Bajazzo"2) oder die Titelpartie in Giordanos "Andrea Chénier"2) – um nur einiges zu nennen. Zahlreiche Tonträger zeugen von Corellis enormer sängerischer Dominanz, auch im Duett mit so berühmten Kolleginnen wie Renata Tebaldi1) (1922 – 2004), Birgit Nilsson2) (1918 – 2005), Joan Sutherland2) (1926 – 2010) oder Monserrat Caballé2); seine neapolitanischen Canzone beispielsweise machten ihn auch bei Nicht-Opernfans ungemein populär.
Seine Stimme war von höchstem Karat, mit seinem "squillo", der Stahltüren zu durchschneiden schien. Corellis Tenor war nicht nur laut, sondern auch enorm tragfähig. Der überreiche metallische Beiklang machte sich erstaunlicherweise nicht spröde oder trocken, sondern hatte, wenn er in Form war, immer etwas vom Schrei eines wilden Tieres, ein animalisches Moment, das auch durch seine reiche baritonale Mittellage bekräftigt wurde… Corelli war, nehmt alles nur in allem, einer der fünf, sechs Tenöre mit den reichsten stimmlichen Mitteln, die es in unserem Jahrhundert gegeben hat, ein Phänomen ganz ohne Zweifel, als Künstler erreichte er diese Höhe nicht.4)

Als Corelli den Höhepunkt seiner stimmlichen Möglichkeiten überschritten hatte, nahm er den Abschied von der Opernbühne und gab vermehrt Konzerte und Liederabende; Ende der 1970er Jahre zog er sich unerwartet fast vollständig ins Privatleben zurück.
Franco Corelli, dessen außergewöhnliche lyrische Tenorstimme als eine der kraftvollsten und voluminösesten des vergangenen Jahrhunderts gilt, starb am 29. Oktober 2003 mit 82 Jahren nach einem Herzanfall in einem Mailänder Krankenhaus. Er hinterließ seine Frau, die Sopranistin Loretta Di Lelio, mit der er seit 1958 verheiratet war; Loretta Di Lelio gab ihrem Mann zuliebe ihre eigene Karriere als Sängerin auf und fungierte als seine Managerin.
 

Siehe auch Wikipedia
Link: 1) Kurzportrait innerhalb dieser HP, 2) Wikipedia
Quelle:
3) Jürgen Kesting: "Die Großen Sänger des 20. Jahrhunderts", Sonderausgabe für Cormoran Verlag München, 1993, S. 795
4) "Grosse Stimmen" von Jens Malte Fischer, Verlag J. B. Metzeler, Stuttgart 1993, S. 473
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